Gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen

THEMA | TV-Fernsehproduktionen
15. August 2017, Corinna Blümel

JOURNAL: In Nordrhein-Westfalen gibt es eine große Zahl von Fernsehproduktionsgesellschaften, und wir hören häufiger Klagen über die Arbeitsbedingungen. Wie schaut der DJV-NRW darauf?

Christian Weihe: Zunächst möchte ich sagen, dass diese Szene eher kleinteilig, aber auch sehr vielfältig ist. Es gibt eine Vielzahl Unternehmen – von größeren Firmen über kleinere im Bereich mit maximal zehn Mitarbeitern bis hin zu Ein-Mann- oder Ein-Frau-Gesellschaften. Bei letzteren ist der Übergang zu klassischen Freien oft fließend. Die Arbeitsbedingungen sind in der Branche sehr unterschiedlich. Das lässt sich nicht über einen Kamm scheren.

Christian Weihe ist Justiziar und 2. Geschäftsführer des DJV-NRW. | Foto:Klaus Daub
Christian Weihe ist Justiziar und 2. Geschäftsführer des DJV-NRW. | Foto:Klaus Daub

Beim DJV-NRW beraten wir häufiger freie Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel zu Fragen der Rechtsklauseln – also: Welche Rechte kauft der Auftraggeber eigentlich bei mir ein? Andere Fälle drehen sich darum, welche Leistungen genau in Auftrag gegeben wurden und ob die gemäß Vertrag erfüllt sind. Oft geht es bei solchen Aufträgen ja um fünfstellige Summen.
Dann landen bei uns in der Rechtsberatung natürlich auch Fälle von Angestellten. Etwa, wenn jemand mit dem Arbeitgeber im Streit liegt oder mit seinem Vertrag unzufrieden ist, mit der Befristung, der Bezahlung, den Arbeitszeiten. Aber das heißt nicht, dass die Branche als Ganzes unattraktiv oder problematisch ist. Wir bekommen auch wirklich ordentliche Verträge zu sehen, etwa wenn jemand nur vor Vertragsabschluss um eine Prüfung bittet und gar keinen Konflikt hat.

JOURNAL: Reden wir von den nicht so tollen Verträgen: Was sind die typischen Ärgernisse?

Weihe: Das sind die, die ich schon aufgezählt habe: Dazu gehören die Befristungen. Damit versuchen manche Firmen, sich abzusichern, falls der belieferte Sender das betreffende Format kippt. Für die Beschäftigten heißt das aber, dass sie keine Perspektive für ihre Lebensplanung entwickeln können. Befristungen sind übrigens oft unwirksam. Es lohnt sich deswegen immer, diese überprüfen zu lassen.
Bei den schlechteren Verträgen ist die Vergütung niedrig, Überstunden werden nicht bezahlt, und auch die weiteren Arbeitsbedingungen sind teilweise ungünstig, also die Regelungen zu Arbeitszeit, Ruhezeiten, Urlaub usw. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass es in bestimmten Bereichen, etwa bei Talksendungen, viele Quereinsteiger gibt, die keine oder eine nicht sonderlich spezifische formale Qualifikation mitbringen. So was macht immer erpressbar.
Ein weiterer Bereich sind die Volontariate – Stichwort Ausbildungsinhalte, Dauer, Bezahlung. Da ist vieles ungünstig oder gar nicht geregelt. Wir kennen das ja auch aus anderen Bereichen der Medienbranche. Es ist toll, wenn ich während der Ausbildung schon eigenverantwortlich arbeiten und damit vieles ausprobieren kann. Aber wenn mich niemand wirklich ausbildet, dann bin ich einfach nur eine billige Arbeitskraft und bekomme auch keine gute Grundlage für das weitere Berufsleben.

JOURNAL: Worauf kann ich mich als einzelner Beschäftigter oder Freier dann überhaupt stützen? Und was kann die Gewerkschaft für mich tun?

Weihe: Grundsätzlich gilt: Bei Beschäftigten müssen Arbeitgeber sich an die gesetzlichen Grenzen halten. So darf die Arbeitszeit durchschnittlich nur acht bis maximal zehn Stunden pro Tag betragen, es gibt vier Wochen Urlaub. Und auch die Bezahlung darf nicht sittenwidrig niedrig ausfallen. Bei Freien kann zum Beispiel der Anspruch auf angemessene Vergütung ein Hebel sein.
Aber auch wenn mancher sich das von einer Gewerkschaft erhofft: Wir haben leider nicht die Möglichkeit, solche Probleme von außen zu lösen, indem wir dem Unternehmen mal ganz allgemein auf die Finger klopfen. Wir können immer nur einzelne Kolleginnen und Kollegen in ihrer Auseinandersetzung unterstützen. Das heißt aber auch, man darf den Konflikt mit seinem Arbeitgeber nicht scheuen.

JOURNAL: Was heißt das konkret?

Weihe: Wir können für unsere Mitglieder Verträge prüfen – vor der Unterschrift, aber natürlich auch, wenn sie bereits geschlossen sind. Wir können sie beraten, ihnen ihre Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Bei Vertragsverhandlungen zeigen wir zum Beispiel, welche Passagen aus unserer Sicht ungünstig für den Beschäftigten sind und welche günstigeren Regelungen stattdessen eingesetzt werden könnten. Es muss ja nicht immer böser Wille von Seiten des Vertragspartners dahinterstecken. Kleine Produktionsfirmen haben keine Rechtsabteilung und wissen es manchmal nicht besser.
Im Falle von Rechtsstreitigkeiten gewähren wir Mitgliedern nach unseren üblichen Rahmenbedingungen Rechtsschutz.

JOURNAL: Was sonst können wir Beschäftigten aus diesem Bereich anbieten?

Weihe: Wenn ein Unternehmen mindestens fünf Mitarbeiter hat, kann es einen Betriebsrat gründen. Dabei unterstützen wir gerne. Wir helfen auch, wenn sich die Betroffenen untereinander vernetzen wollen.
Darüber hinaus können wir Informationsabende zu bestimmten Themenkomplexen anbieten. Im Sommer 2016 haben wir solche Informationsabende in Köln und Düsseldorf angeboten. Da haben sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen über Rechte und Pflichten bei Verträgen zwischen Sendern und Produktionsfirmen oder freien Journalistinnen und Journalisten (außerhalb der Tarifverträge) informiert.

JOURNAL: Was muss sich tun, damit diese Branche insgesamt gerechter wird?

Weihe: Wir sehen schon, dass die Produktionsfirmen auch in Zwängen stecken, weil sie von den Sendern an der kurzen Leine gehalten werden. Es gibt ja seit längerem Bemühungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und der Produzentenallianz, Rahmenbedingungen für eine faire Zusammenarbeit zu definieren. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, dass Sender wie WDR und RTL in ihren Verträgen mit Produktionsfirmen eine Vereinbarung zu angemessener Vergütung und fairen Arbeitsbedingungen festschreiben, wie es ARD und ZDF bereits getan haben.
Für die Beschäftigten gilt aber auch: Solange sie vereinzelt vor sich hin leiden, wird sich nichts ändern. Wer noch nicht Mitglied in einer Gewerkschaft ist, sollte das ändern. Je mehr Freie und Angestellte in einem Bereich organisiert sind, umso bessern können wir unseren Mitgliedern helfen, für ihre Rechte zu kämpfen.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/17, dem Mitglieder- und Medienmagazin des DJV-NRW.