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PR-Mann der Gewerkschaftsbewegung

Zum 25. Todestag von Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim
13. August 2018, Michael Kroemer

Wenn aus einem Frontmann der PR für Großunternehmen ein Frontmann der Gewerkschaftsbewegung wird, dann stellt das so manches Vorurteil auf den Kopf. Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim hat das geschafft und zudem wesentlich dazu beigetragen, dass die Kolleginnen und Kollegen aus den Pressestellen in Wirtschaft und Verwaltung eine Heimat im DJV gefunden haben. Der Titel seines 1961 erschienenen Standardwerks über Öffentlichkeitsarbeit – „Tu Gutes und rede darüber“ – ist zum geflügelten Wort geworden. Zedtwitz war ein Großer in der PR, ein Großer im Journalismus, ein Großer im DJV. Er starb vor 25 Jahren, im Juni 1993, einen Tag vor Vollendung seines 68. Lebensjahres.

Seine Karriere hatte ihn über die Fluggesellschaften KLM und Air France, AEG Telefunken und eine Frankfurter PR-Agentur Anfang der 1960er Jahre zu Krupp gebracht, wo er unter Berthold Beitz Direktor der Stabsabteilung Information blieb, bis er sich 1977 mit dem Patriarchen überwarf. Er wechselte als PR-Chef zum Verband Deutscher Elektrizitätswerke nach Frankfurt, ein Feuerstuhl just zu Beginn der Debatte über die „friedliche“ Nutzung der Atomkraft, die die Gesellschaft in den Folgejahren spaltete. Das sprichwörtliche „Nein danke“ der Gegner war aber nie sein Ding. Im Gegenteil sah Zedtwitz sich durch Widerspruch provoziert und wurde dann zum Kämpfer.

Foto mit Graf Zedtwitz als Tagsungpräsident 1985.
Georg Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim (M.) leitete das Tagungsprsäsidium auf dem Landesverbandstag 1985 in Bonn. Neben ihm Claus-Werner Koch (l.) und Horst Kläuser. | Foto: Jürgen Schwartzer

Das zeigte sich auch bei einer großen Auseinandersetzung im DJV, in dem er längst in zahlreichen Funktionen auf Bundes- und auf Landesebene in NRW mitarbeitete. Es ging in den 1970er und 80er Jahren um die Frage, ob die alte Standesorganisation bleibt, wie sie ist, oder ob sie den Schritt zur Gewerkschaft macht. Zedtwitz stellte sich auf die Seite des „Gewerkschaftsflügels“, der seinerzeit viele Gegner hatte, auch in NRW. Ganze Landesverbände, vor allem Bayern, stemmten sich gegen die Entwicklung.

NRW setzte sich unter dem damaligen Vorsitzenden Christian Schneider an die Spitze der Gewerkschaftsbewegung. 1976 entschied der NRW-Verbandstag (so hießen die Gewerkschaftstage damals auch auf Landesebene noch) über den Zusatz „Gewerkschaft der Journalisten“ im Namen des DJV-Landesverbands NRW. Ohne Graf Zedtwitz hätte dies vermutlich keine Mehrheit gefunden. Als Präsident des Verbandstags, mit seiner aristokratischen Erscheinung wie aus dem Bilderbuch (Einleitungsbemerkung: „Ich bitte vorab für alle Fehler um Entschuldigung“), ergriff er bei der damaligen Debatte als Letzter das Wort und sorgte so entscheidend für die Zwei-Drittel-Mehrheit. Er war ein Meinungsbildner und Meinungsführer. Auf Bundesebene verlief die Entscheidung nach ähnlichem Muster.

Zedtwitz war Vorsitzender des Ehrengerichts des DJV-NRW, Vorsitzender des Fachausschusses für Journalisten in Wirtschaft und Verwaltung in Land und Bund, aber er war auch in der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) sowie in deren europäischer Dachorganisation aktiv und ein – buchstäblich – klangvoller Name. PR in eigener Sache verstand er glänzend, sich zu zelebrieren gehörte dazu. In seiner Zeit bei Krupp war er der einzige DJV-Kollege, der im Dienstwagen zu Verbandstagen anrollte und mit größter Selbstverständlichkeit hinten rechts ausstieg, nachdem der Chauffeur die Türe geöffnet hatte. Er rauchte dicke Zigarren, war stets tipptopp gekleidet und zahllosen Kolleginnen und Kollegen doch so nahe, dass sie ihn „Sundy“ nannten, weil er ein Sonntagskind war. Seine Selbstauskunft: „Ich wurde mit einem goldenen Löffel im Mund geboren.“

Der Journalist Bosse Alexander Klama hat sich an der Universität Leipzig am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft im Fach Öffentlichkeitsarbeit/PR bei em. Prof. Günter Bentele in einer Seminararbeit mit Zedtwitz befasst. „Ein Gentleman alter Schule. Der PR-Grandseigneur Georg-Volkmar Graf Zedtwitz von Arnim“ überschrieb er seine Arbeit. Klama, inzwischen in der Pressestelle der Technischen Universität Berlin tätig, schrieb über Zedtwitz: „Die Mitgliedschaft im Kieler Yachtclub oder etwa im Hamburger Überseeclub deutet auf eine dauerhafte Präsenz in Elitekreisen der deutschen Nachkriegs-gesellschaft hin.“

Dies, so Klama weiter, werde durch eine kritische Einschätzung in einem Spiegel-Artikel von 1968 untermauert, in dem Graf Zedtwitz-Arnim im Kontext der folgenden Beschreibung von frühen Vertretern des PR-Berufs erwähnt wurde: „Die Bosse sehen in ihren Meinungsmachern häufig nur die moderne Verkörperung der ‚Frühstücksdirektoren‘, schmückende Galionsfiguren des Unternehmens, die lediglich Handkuss und small talk beherrschen und wissen müssen, wie man einen Hummer knackt. In keinem anderen Beruf sind deshalb Aristokraten gleichermaßen gefragt wie in den Public Relations.“

„Schmückende Galionsfiguren“? Das Bild von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hat sich seitdem grundlegend gewandelt – und mit ihm die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich arbeiten. Viele von ihnen kommen aus dem Journalismus, mancher Berufsweg kennt auch den mehrfachen Wechsel hin und zurück. Für den DJV ist klar, dass die Kolleginnen und Kollegen im Kern Journalisten bleiben, egal auf welcher Seite des Schreibtisches sie arbeiten.

„Sundy“, die Verkörperung dieser fließenden Grenzen zwischen PR und Journalismus, hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Er hatte Vertrauen, Anerkennung und Akzeptanz, er war witzig, belesen, im besten Sinne dieser heute altmodisch erscheinenden Kategorie „gebildet“. Figuren wie Graf Zedtwitz sind auch im DJV selten geworden. Er fehlt uns immer noch.||

Michael Kroemer ist ehemaliger Landesvorsitzender des DJV-NRW (1989 bis 2003). Er kommt aus dem Zeitungsjournalismus und hat von 1977 bis zu seiner Pensionierung 2012 als Pressesprecher der Bergischen Universität in Wuppertal gearbeitet.

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/18, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2018.