Am Ende einer Fleißarbeit steht eine Binsenweisheit der Medienbranche: Es ist bisher noch nicht gelungen, „das Geschäftsmodell Zeitung in der digitalen Welt zu positionieren“. So heißt es in einer Antwort der Düsseldorfer Landesregierung auf 78 fach- und sachkundige Fragen der Fraktionen SPD und Grüne zur „Situation des Zeitungsmarktes in Nordrhein-Westfalen 2016 und seine digitale Entwicklung“.
Neu bei der Großen Anfrage war dieses Mal der Blick auf den Online-Einfluss. Der Bericht hat aber Tradition. Zum fünften Mal nach 2003, 2006, 2008 und 2011 legte die Landesregierung die Untersuchung des Zeitungsmarkts vor. Das ist bundesweit einzigartig, wie denn auch die Fraktionssprecher in der 35-minütigen Aussprache am 17. März im Landtag lobten. So einzigartig wie die Medienlandschaft selbst: Vier der zehn größten Zeitungsverlage sitzen in NRW, ebenso 20 Hauptredaktionen von Tageszeitungen.
Die Bestandsaufnahme für den Zeitraum von 2012 bis 2016 – zusammengestellt vom branchenkundigen Dortmunder Formatt-Institut und dessen Chef Horst Röper – liefert auf 180 Seiten aktuelle Daten zum Strukturwandel der Zeitungsbranche. Das Spektrum der Themen reicht von Ad-Blockern über Online-Kioske bis hin zur Zeitungsvielfalt.
Die Antworten auf die Große Anfrage ergänzen den im vorigen Jahr vorgestellten Medienkonzentrationsbericht der Landesanstalt für Medien NRW (siehe journal 3/16). Für die Landesregierung zeigt die aktuelle Untersuchung, „dass die beschriebenen Veränderungen im Zeitungsmarkt die Vielfalt in der lokalen und regionalen Berichterstattung gefährden“. Sie sieht gerade in der multimedialen Verwertung journalistischer Arbeit eine zukunftsfähige Basis für die Zeitungsunternehmen. Neue lokale Onlineportale gebe es bislang „nur in wenigen Fällen in einer publizistischen Qualität“, die der von Lokalzeitungen entspreche.
„Warum beschäftigen sich Unternehmen nicht rascher mit Veränderungen?“, fragte Lukas Lamla von der Piratenpartei bei der Aussprache im Düsseldorfer Landtag und brachte damit das Unbehagen der Politik über die Zeitungsbranche auf den Punkt.
Zu langsame Antworten
Dass Verlage es nicht schaffen, schneller auf den digitalen Umbruch in der Branche zu antworten, belegen die nun vorgestellten Zahlen. Die verkaufte Gesamtauflage der regionalen Abonnementzeitungen ist von 2012 bis 2016 um 13 Prozent gesunken. „Hausgemachte Fehler“, wie Oliver Keymis (Grüne) den Verlagen vorwarf. Die Boulevardtitel (NRW-Ausgaben von BILD und Express) verloren ein Drittel ihrer Gesamtauflage (minus 32,9 Prozent). Selbst die überregionalen Tageszeitungen sacken in diesen vier Jahren in NRW um 31,4 Prozent ab.
Alexander Vogt, medienpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, stellte heraus, dass es in NRW eine erfolgreiche und zukunftsfähige Medienlandschaft gebe. Die Tageszeitungen seien dabei eine wichtige Säule. Eine Gegenmaßnahme sei die bei der Landesanstalt für Medien angesiedelte Stiftung „Vor Ort NRW“. Sie soll „mit ergänzenden Angeboten“ dazu beitragen, Qualität, Unabhängigkeit und Vielfalt bei der Produktion von Medieninhalten im Lande sicherzustellen. Dies zogen andere Fraktionssprecher in der Landtagsdebatte in Zweifel – schon angesichts der begrenzten finanziellen Ausstattung der Stiftung.
Bezeichnend für die Debatte war der ironisch klingende Hinweis in der Antwort 74 zum Thema Innovationen: „Alle Zeitungsverlage in Nordrhein-Westfalen verfügen über eine eigene Website.“ Ein Fortschritt immerhin – 27 Jahre nach der Schaffung des world wide web.