
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
neuerdings wird mir bei Instagram immer wieder eine Werbung angezeigt. Eine App will mir Fotobücher verkaufen. Ich soll alles, was so wunderbar platzsparend in meinem Smartphone steckt, für teuer Geld wieder da raus holen.
Soll ja machen, wer mag. Aber ich bin noch traumatisiert von unserem letzten Umzug: zu viele gedruckte Bücher. Und eine Kiste mit dem Inhalt einer Schublade des Wohnzimmerschranks meiner Eltern. Darin ein To-Do, das meine Mutter nicht mehr erledigt bekommen hat: meine Familie auf Fotos, schön chronologisch sortiert.
Das Babyalbum ist fertig. An späteren Phasen habe ich mich selbst versucht, als ich noch zu Hause wohnte. Aber irgendwann zwischen Kommunion und Abitur ist die Albumproduktion ins Stocken geraten.
Ich habe das Ganze mittlerweile pflichtschuldigst in den zweiten Keller geschleppt, denn meine Mutter ist seit 2003 tot. Sie hatte immer den guten Vorsatz, die alten Erlebnisse einzukleben, aber dann hatte sie Besseres vor (und zum Glück nicht immer einen Fotoapparat dabei, sonst hätte ich zwei Kisten).
So – und jetzt ist da diese App, die die Menschheit dazu bringen will, aus digitalen wieder analoge Fotos zu machen: „Wir fotografieren mehr als je zuvor, schauen uns unsere Fotos aber immer weniger an“ steht da.
Aber gut, jetzt wird alles besser. Denn „noch nie gab es eine Plattform, die dir dabei hilft, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen“. Also ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber wenn ich eins über Plattformen gelernt habe, dann, dass sie genau das eher selten tun.
Auf der Seite des Service gibt es die glorreiche Unternehmensgeschichte zu lesen. Natürlich ist man kein Fotodrucker und Buchbinder: „Wir entwickeln eine Plattform, die dir dabei helfen soll, tiefer in dein Ich einzutauchen und dein Selbstbewusstsein zu stärken“.
Und was lernen wir Journalistinnen und Journalisten daraus? Woanders funktionieren Geschäftsmodelle noch – oder im Fall von Fotoalben sogar wieder! Sie bekommen eine neue Verpackung und werden heftig mit Bedeutung aufgeladen. Sie versprechen Selbstbewusstsein, liefern
Regalfüllstoff, und Menschen zahlen bereitwillig für alte Moves in neuem Look.
Und wir? Dürfen uns in Kommentarspalten immer wieder dafür rechtfertigen, dass der interessante Artikel hinter einer Paywall ist. Oft verbreitet die Branche dazu Weltuntergangsstimmung. Das ist natürlich überhaupt nicht catchy. Was wir brauchen, wird hier klar: krasse Claims und irre Heilsversprechen!
Ich habe leider nur 2 500 Zeichen und darum keinen Platz mehr. Darum freue ich mich über Vorschläge. Denn auf „Arm, aber sexy“ hat ja schon ein anderer das Copyright.
Genießt die Sommermonate,
Eure Andrea
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/25, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juli 2025.