EDITORIAL

Weniger Ablenkung, mehr Konzentration

10. August 2017, Frank Stach, Landesvorsitzender DJV-NRW

Journalisten sind meist schnelle Schreiber. Sie können, sie müssen ihre Texte in unmöglichen Situationen verfassen. Je größer der Zeitdruck, desto stärker müssen sie sich innerlich gegen die Umgebung abschotten. Was dann hilft, ist größtmögliche Fokussierung. Die Außenwelt wird ausgeblendet, es ist ein Job zu tun.

Diesen Zustand des intensiven, fokussierten Arbeitens nennen Forscher aus den USA „deep working“. Nun mahnen sie, dass die heutige Arbeitswelt von Journalisten, Wissenschaftlern und anderen Gedankenarbeitern diese tiefe Konzentration immer seltener zulässt. Im journalistischen Arbeitsalltag sind es drei Faktoren, die zunehmend für Ablenkung sorgen: Großraumbüros, Echtzeitnachrichten über verschiedene Messengerdienste und die sozialen Medien.

Großraumbüros sollen die Zusammenarbeit von Teams stärken. Doch der Preis ist hoch. Denn hier gibt es immer Ablenkungen, und sei es, weil weit hinten ein Telefon klingelt. Das Gehirn reagiert unbewusst auf solche Störungen.

Aus dem Takt kommen wir auch durch die ständige Erreichbarkeit per Mail, WhatsApp und Co. Zudem wird durch Projektarbeit zunehmend über Dienste wie Slack oder Mattermost organisiert. Das hält alle Teammitglieder auf einem Stand, verlangt aber auch sofortige Aufmerksamkeit: Sobald eine Meldung aufploppt, entsteht der Zwang, direkt zu antworten. Und wieder ist die Konzentration dahin.

Ähnlich ist es, wenn Journalisten Facebook, Twitter, Instagram und Co. nutzen. Eben mal getwittert, geliked oder ein Foto hochgeladen. Was liegenbleibt, ist die eigentliche Arbeit. Wie sollen sich Journalistinnen und Journalisten so in umfangreiche Akten vertiefen? Wie sollen sie Informationsströme filtern, komplexe Zusammenhänge durchdenken, an Texten feilen?

Wir Journalisten müssen selbst um mehr Freiräume für das konzentrierte Arbeiten kämpfen. Aber die Arbeitgeber müssen mitziehen. Das heißt: Denkt Großraumbüros neu, schafft Orte der Begegnungen, aber gebt das Einzelbüro nicht auf. Und stattet Redaktionen personell so aus, dass der Einzelne über längere Strecken in Ruhe arbeiten kann – ohne sich zwischendrin um soziale Netzwerke und Projektorganisation kümmern zu müssen.

Gute Recherche, gute Geschichten und Texte wären der Lohn. Leser, Hörer und Zuschauer würden das begrüßen.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/17, dem Mitglieder- und Medienmagazin des DJV-NRW.