Bilder werden immer wichtiger in der Kommunikation. Aber wie geht es denen, die die Fotos machen?  | Foto: txt
Bilder werden immer wichtiger in der Kommunikation. Aber wie geht es denen, die die Fotos machen?  | Foto: txt
 
Thema | Bildjournalismus

„Was nichts kostet, wird genommen“

Beobachtungen zur sozialen Lage von Bildjournalisten in Nordrhein-Westfalen
9. August 2018, Werner Hinse

Bildjournalisten – das sind sie alle sehr gerne. Das sagen die übereinstimmend, mit denen das JOURNAL über die soziale Lage von Fotografen in Nordrhein-Westfalen gesprochen hat. Nur mit Namen und womöglich noch Foto wollte sich fast niemand über die zugegeben heiklen Themen äußern: zur Lage der Branche, zu den bekannten Billig-Honoraren und zur persönlichen Situation. Nicht mal das Angebot der Anonymisierung half bei dieser Recherche. Zu groß ist die Sorge um die Aufträge bzw. den Arbeitsplatz. Damit sind die verunsicherten Kolleginnen und Kollegen ein Beleg für die traurigen Verhältnisse: Nur unter der Hand klagen sie über den stressigen Alltag, die mangelnde Wertschätzung und die schlechten Umsätze.

Die mit dem besonderen Blick

Bildjournalisten und Fotografen sind wichtige „Bausteine“ für journalistische Print- und Online-Produkte (siehe auch „Der Weg zur Kreativität“). Weil sie das besondere Auge und Gefühl für Situationen und Momente haben. Weil sie mit ihren Bildern dazu beitragen, Texte tiefer werden lassen. Weil sie mit ihren Impressionen oft genug überhaupt erst dafür sorgen, dass Leser sich für einen Text interessieren.

Es scheint paradox: Während die Bedeutung von Bildern weiter zunimmt, sinken die Honorare immer weiter. Das liegt nicht zuletzt am ständig wachsenden Angebot. Dieses Fazit zieht der Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) aus seiner aktuellen Branchenerhebung. Selbst inhabergeführte Agenturen klagen über Kostendruck, und zeigen dabei schnell auf die ganz Großen der Branche wie Getty, dpa, AFP und Reuters. Diesen Kostendruck reichen viele Agenturen an die Fotografinnen und Fotografen weiter. Offensichtlich erfolgreich: Die BVPA-Agenturen schätzten ihre eigene wirtschaftliche Situation zu 50 Prozent als befriedigend ein, zu fast 43 Prozent sogar gut oder sehr gut.

BVPA

Der Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) wurde 1970 als Interessenvertretung für deutsche Pressebild-Agenturen und Bildarchive gegründet und vertritt heute kleine und große Bildanbieter in Europa. Der BVPA bildet zusammen mit DJV, DJU/verdi und Freelens die Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (mfm), die jährlich Empfehlungen zu Honoraren für Fotonutzungen veröffentlicht.

Die im Februar und März durchgeführte Umfrage lieferte laut BVPA nach langer Zeit erstmals wieder belastbare Zahlen zum Bildermarkt.

Das Honorar deckt oft nicht den echten Preis

Für die Bildjournalistinnen und -journalisten sieht es dagegen schlechter aus. Denn die viel beschworene Wertschätzung für Bilder hat eine Schattenseite: Der echte Preis für Qualität und Kreativität liegt gerade bei den Freiberuflern oft weit über dem, was sie als Honorar für ihre Arbeit erhalten. Dieser reale Preis wäre wohlgemerkt nicht nur für die Aufnahmen selbst zu berechnen. An- und Abreise zu den Terminen kosten Zeit und Geld, auch die Technik will gewartet und regelmäßig erneuert werden. Die kontinuierliche Weiterbildung auf eigene Kosten ist Teil des Wettbewerbs im Job. Um fotografische Themen zu finden, sind Muße und Inspiration erforderlich (siehe „Der Weg zur Kreativität“ . Und noch etwas steht auf der Kostenseite: Aus Leidenschaft für den Job stellen viele Bildjournalistinnen und -journalisten ihr Privatleben und ihre Gesundheit hintenan.

Dabei wird für die Freien – zumindest in bestimmten Bereichen des Bildmarktes – die Lücke immer kleiner, die sie noch bespielen können. Das beobachtet Wolfgang Birkenstock, freier Sportfotograf in Aachen, der bundesweit herumkommt. Birkenstock ist Vorsitzender des Fachausschusses Bildjournalisten im DJV-NRW und vertritt mit seinen Gremien-Kollegen die rund 400 bis 500 Bildjournalistinnen und -journalisten, die im DJV-NRW organisiert sind, darunter weit mehr Freiberufler als angestellte Bildredakteure.

Folge der Branchenentwicklung

Die schwindende Zahl der Auftraggeber für freie Bildjournalisten gerade im Bereich der Tageszeitungen ist eine logische Folge der Branchenentwicklung. Immer stärker bestimmen Redaktionsnetzwerke von Mediengruppen wie Funke, Ippen oder Madsack das Geschäft: Während sie wachsende Flächen abdecken, schwindet die Zahl der Arbeitsplätze für Bildredakteure und zugleich die Zahl der Redaktionen, die selbst noch Bildjournalisten beauftragen. So sind die Freien zunehmend auf wenige Großabnehmer angewiesen. Die Abhängigkeit wird umso größer, je weniger unabhängige Zeitungshäuser übrig bleiben.

Kooperationen zwischen ursprünglich konkurrierenden Tageszeitungen führen im Lokalen zum gleichen Ergebnis. Zwar sind in der Vergangenheit vermehrt Aufträge an Freie gegangen, weil Bildredakteure eingespart wurden. Aber nun gibt es statt zwei Auftraggebern vor Ort eben oft nur noch einen.

Das Prinzip des einen verbliebenen Auftraggebers für Lokales gibt es sogar in ganzen Regionen: durch die ausgegliederten Bildagenturen von Mediengruppen. Statt der vielen einzelnen Redaktionen etwa der Funke-Gruppe (ehemals WAZ-Gruppe), die im Ruhrgebiet Bildjournalistinnen und -journalisten rausgeschickt haben, gibt es nur noch einen Auftraggeber: die Foto- und Videoagentur Funke Foto Services in Essen, die als Nach-Nachfolgerin des WAZ-Fotopools für die Titel der Funke Mediengruppe arbeitet. Die Geschichte dieses Unternehmens erzählt auch viel über den derzeitigen Umgang mit Bildredakteurinnen und -redakteuren: Für die Neugründung hat die Funke-Gruppe mal wieder „Fire and hire“ gespielt und allen Beschäftigten des Vorläuferunternehmens gekündigt. Ein Teil der Beschäftigten konnte – zu schlechteren Konditionen – zum Jahreswechsel zur neu gegründeten und kleineren GmbH wechseln. Andere konnten in Konkurrenz zu externen Bewerbern eine der restlichen Stellen ergattern. Die restlichen Kollegen verloren den Job.

Verdienst nur über Masse

Wer in NRW als freie Fotografin oder freier Fotograf ausschließlich für Tageszeitungen arbeitet, steht schlecht da. Davon ist Wolfgang Birkenstock vom Fachausschuss überzeugt. „Es läuft alles nur über Masse.“ Das durchschnittliche Fotohonorar liege derzeit zwischen 15 und 25 Euro für ein Bild, meist schon inklusive Fahrtkosten. Das kratzt an der unteren Grenze der Mindesthonorare, die in den Gemeinsamen Vergütungsregeln für Bildbeiträge in Tageszeitungen nach einem Schlichterspruch theoretisch gelten, aber in der Regel nur einmalig auf dem Klageweg durchzusetzen sind (siehe unten: Kasten Vergütungsregeln).

„Unter den Rechtssachen, in denen der DJV-NRW freie Bildjournalisten vertritt, gehören diese Klagen auf angemessene Vergütung zu den lukrativsten für unsere Mitglieder“, erklärt Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW. „Außerdem machen wir für die Berufsgruppe natürlich auch häufig Honorare für unrechtmäßig verwendete Bilder geltend.“ Die Streitfälle um Vergütungsregeln führen in der Regel zu hohen, oft fünfstelligen Nachzahlungen an die Freien. Denn die Gerichte berechnen dies aus dem Unterschied zwischen dem gezahlten Honorar und dem rechtlichen Anspruch – rückwirkend für drei Jahre.

Schnell und billig

Dabei sind 15 Euro pro Bild noch nicht mal die Untergrenze: Bekannt sind auch Fälle, in denen hauptberufliche Fotografen einen Fototermin fürs örtliche Anzeigenblatt oder die Qualitätszeitung nur mit zehn Euro vergütet bekommen – und dies trotzdem akzeptieren. Das schnelle Foto fürs Anzeigenblatt mache er, wenn es zeitlich passe, auch schon mal für zehn oder zwanzig Euro, berichtet im Laufe der Recherche jemand, der sich noch zum Berufsnachwuchs zählt. „Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anders.“ Mitnehmen, lautet die Devise.

„Manche rechnen sich das schön“, sagt Wolfgang Birkenstock und mahnt angesichts solcher Honorare, auch mal nein zu sagen. Man müsse doch wenigstens noch den Verschleiß einrechnen. Dass Kolleginnen und Kollegen fünfe gerade sein lassen, aus Not lieber schlecht bezahlte Aufträge anzunehmen als keine zu haben, trägt dazu bei, die Honorarspirale nach unten treiben.

Und es gibt weitere Faktoren, darunter zum Beispiel diverse Gratis-Lieferanten (siehe unten) sowie bestimmte Agenturen, die den Fotografinnen und Fotografen nur Kleinsthonorare zahlen. Nicht zuletzt kommen den Bildjournalisten die textenden Kolleginnen und Kollegen ins Gehege, die heute von Terminen längst selbstverständlich auch Fotos zuliefern. Kein Wunder, dass sich viele Bildjournalistinnen und -journalisten durch Aufträge aus dem Corporate Publishing oder der Werbung über Wasser halten. Oder dem Bildjournalismus ganz den Rücken kehren.

Qualität zählt bei manchen Redaktionen immer weniger, wenn das Bild nur billig oder sogar umsonst ist. | Foto: txt
Qualität zählt bei manchen Redaktionen immer weniger, wenn das Bild nur billig oder sogar umsonst ist. | Foto: txt

Qualität als nachrangiges Kriterium

Angesichts des Kostendrucks in den Verlagen werde die Fotoqualität in Redaktionen oft zu einem „nachrangigen Kriterium“, stellt Wolfgang Birkenstock fest: „Was nichts kostet, wird genommen.“ Nach seiner Beobachtung ist zumindest in seinem Bereich, der Sportfotografie, die wachsende Zahl von Foto-Amateuren mitverantwortlich für branchenweite Dumping-Honorare. Er sieht sie bei Sportveranstaltungen, wo sie mit hochwertiger Ausrüstung und auch durchaus mit Können für Spezialagenturen arbeiten oder auch für halbprivate Facebook-Galerien.

Das Problem: „Amateure sind nicht auf das Honorar angewiesen“, sagt Birkenstock. Sie müssten eben nicht ehrlich kalkulieren wie hauptberufliche Bildjournalisten. In der Regel haben sie ein anderes Einkommen, das ihnen die Fotografie als Hobby ermöglicht. Einem Teil der Redaktionen sei es inzwischen egal, sagt Birkenstock, wer sie mit Aufnahmen beliefere.

Dazu zählen neben den Foto-Amateuren unter anderem auch die Gratis-Lieferanten von Polizei oder Feuerwehr, die den Markt in bestimmten Bereichen für hauptberufliche Bildjournalisten unattraktiv machen. Denn Redaktionen verlassen sich inzwischen gerne auf die zugelieferten Bilder, nicht nur im „Blaulicht“-Bereich. Der DJV hat auch schon häufig darauf hingewiesen, dass dies auch noch unter dem Aspekt der unabhängigen und kritischen Berichterstattung problematisch ist. „Dass zum Beispiel ein Polizeieinsatz aus dem Ruder läuft oder bei einer Pressekonferenz Protestplakate entrollt werden, wird man nur zu sehen bekommen, wenn unabhängige Fotografen vor Ort sind“, erklärt Weihe, der die Probleme der Bildjournalisten aus seiner Beratungsarbeit kennt.

Trotzdem gibt es nicht nur Probleme. Als Fachausschussvorsitzender kann Wolfgang Birkenstock auch von Lichtblicken berichten: Nicht nur, dass er selbst bundesweit Zeitungsredaktionen als Auftraggeber hat, die seine Profiarbeit zu schätzen wissen. Genauso gebe es auch noch Redaktionen im Lande, die beispielsweise Fotos von Unfällen und Unglücken selbst bei Fotografen in Auftrag geben, weil sie die Kontrolle über ihre Inhalte behalten wollen. Und der Fachausschuss-Vorsitzende weiß auch, dass die Arbeitsbedingungen für die Bildjournalisten in Nordrhein-Westfalen nicht mal das Schlusslicht sind: „In NRW ist es schon schlimm. Aber es geht in Deutschland noch schlimmer.“||

Vergütungsregeln

Ein kleiner Damm gegen den Druck auf die Branche sind die Gemeinsamen Vergütungsregeln für hauptberufliche freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen, die seit 1. Mai 2013 für Bildbeiträge in Tageszeitungen gelten. Sie bilden das Mindestniveau von Honoraren ab, das für die einmalige Nutzung eines Fotos in der Tageszeitung und/oder dem Onlineauftritt zu zahlen ist. Nach einem Schlichterspruch reicht die Spanne dabei von 19,50 Euro bis 75,50 Euro im Erstdruckrecht und von 14,50 Euro bis 56 Euro beim Zweitdruck. Die genaue Mindesthöhe des Honorars hängt von der Auflage der Zeitung und der veröffentlichten Abbildungsgröße ab.

Der Schlichterspruch für die Fotohonorare war 2013 notwendig, weil sich Gewerkschaften und Zeitungsverlage nach neunjährigen Verhandlungen nicht auf angemessene Honorarhöhen einigen konnten. Und akzeptiert haben die Zeitungsverleger die Vergütungsregeln bis heute nicht. 2017 hat der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) die Vergütungsregeln sowohl für Texte wie für Fotos gekündigt.

Das ändert allerdings nichts an der Spruchpraxis der Gerichte. Sie orientieren sich weiter am vereinbarten Branchen-Minimum. Es gibt Bildjournalisten, die mit der fachkundigen juristischen Unterstützung des DJV vor Gericht hohe Nachzahlungen durch die Verlage erstritten haben, wie aktuelle Beispiele zeigen.

Das Verlagshaus Bauer aus Recklinghausen musste Anfang 2018 einem freien Journalisten mehr als 66.000 Euro an Honoraren nachzahlen. Der Journalist hatte in den Jahren 2009 bis 2012 für Fotos maximal 10,20 Euro und für Texte ein Zeilenhonorar zwischen 15 und 25 Cent erhalten und dagegen vor dem Oberlandesgericht Hamm geklagt (Az. I-4 U 98/15).

Vor zwei Jahren setzte ein Bildjournalist mit Hilfe des DJV-NRW vor dem Landgericht Düsseldorf nachträgliche Fotohonorare von rund 40.000 Euro durch. (Az. 12 O 455/14) Und vor dem Oberlandesgericht Hamm bekam ein Bild-Kollege im Streit gegen die Funke-Gruppe fast 80.000 Euro Honorarnachzahlung für seine Fotos zugesprochen, die in Ausgaben mit unterschiedlicher Auflagenzahl verwendet wurden. Statt der gezahlten 10 Euro pro Foto ermittelte das Gericht einen Mittelwert von 30 Euro pro Bild und kam damit auf einen Nachzahlungsanspruch von 75.702,50 Euro plus Zinsen. (OLG Hamm, Az. I-4 U 40/15).

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/18, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2018.