Ende Februar hat der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) die „Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen“ gekündigt. Als Grund muss das sogenannte Verbandsklagerecht herhalten, das der Gesetzgeber zum 1. März eingeführt hat. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen könnte: Der Anspruch auf angemessene Vergütung ist damit keineswegs Geschichte. Der bleibt nach dem Urheberrecht bestehen. Die Frage ist nur: Wie kommen freie Journalisten auch wirklich zu ihrem Geld?
Die angemessene Vergütung freier journalistischer Tätigkeit ist eine lange Geschichte von Hoffnung und Enttäuschung für die breite Masse, aber auch von Erfolgen für einzelne. Bevor die Gemeinsamen Vergütungsregeln im Januar 2010 eingeführt wurden, waren Freie an Tageszeitungen der Willkür der jeweiligen Redaktionen und/oder Verleger ausgesetzt. Es gab und gibt den 12 a-Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Freie, der von fast niemandem in Anspruch genommen wurde, weil Freie ihn individuell anmelden mussten und in der Regel befürchteten, ihre regelmäßigen Aufträge direkt im Gegenzug zu verlieren.
Ein gemeinsamer Auftrag
Das Urhebervertragsrecht von 2002 sollte diese Situation deutlich verbessern: Neben dem gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung gab es Urheber- und Verwerterverbänden die Aufgabe, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen. DJV, ver.di und der BDZV schafften das tatsächlich nach mehrjährigen Verhandlungen (bei den Zeitschriften konnten sich die Parteien bis heute nicht einigen).
Als die Unterschriften im Januar 2010 unter das Dokument gesetzt wurden, waren zwar beide Seiten gleichermaßen unzufrieden mit der Höhe. Aber der DJV verband damit die klare Erwartung, dass die mühsam ausgehandelten Honorarsätze dann auch tatsächlich gezahlt werden. Schnell zeigte sich allerdings: Die Situation war ähnlich wie zuvor beim 12 a-Tarifvertrag. Da jeder Freie seinen Anspruch individuell anmelden musste, blieb das Kräfteverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in einer extremen Schieflage: Mehr oder minder explizit wurde den freien Mitarbeitern vermittelt, dass ein Geltendmachen des Anspruchs zu einem Verlust der Aufträge führen würde. Trotzdem gelang es einzelnen Kolleginnen und Kollegen, bei ihren Redaktionen ein besseres Zeilenhonorar auszuhandeln.
Der wahre Wert im Gerichtssaal
Zudem bewies das Regelwerk seinen wahren Wert im Gerichtssaal. Mancher Betroffene klagte auf ausstehende Zahlungen, wenn er oder sie einem Tageszeitungsverlag sowieso den Rücken kehren wollte. Denn dieses Geld kann man rückwirkend für drei Jahre einfordern. Der DJV begleitete zahlreiche dieser Prozesse – manche begleitet von Pressearbeit, manche im Stillen. Auch wenn die Richter oft genug Abstriche an den Forderungen machten: Vielfach kam eine fünfstellige Summe zusammen, die die Neuorientierung jenseits der Ackerei für die Tageszeitung erleichterte.
Die große Klagewelle blieb aber aus. Neben der Unterstützung durch eine starke Gewerkschaft braucht man eben auch starke Nerven, um einen Prozess durchzustehen. Das hat mancher leidvoll erfahren müssen. Da machen nicht nur Anwälte der Verleger gerne mal die Klagenden schlecht und sprechen ihnen zum Beispiel die Hauptberuflichkeit ab. Da geistert durch die Verlagsflure auch schon mal die Meinung, dass Ex-Freie mit ihrem Prozess die Existenz des Verlags und damit die Arbeitsplätze der Redakteure gefährden.
Um solchen Schikanen gegen einzelne vorzubeugen und allen Freien zu ihrem Recht zu verhelfen, hatten Gewerkschaften und andere Urheberverbände lange ein Verbandsklagerecht gefordert – die Möglichkeit, die Ansprüche im Namen der Mitglieder einzuklagen. Diese Regelung ist nun mit der Novellierung vom Dezember 2016 gekommen und dient dem BDZV als Anlass, die ungeliebten Vergütungsregeln ganz zu kippen.
Haben die Gewerkschaften den Freien mit ihrer erfolgreichen Lobbyarbeit also einen Knieschuss verpasst? Das könnte man denken, ist aber nicht so.
Zum einen besteht dank Urheberrechtsgesetz weiterhin der Anspruch auf angemessene Vergütung. Daran ändert auch die Kündigung der bisherigen Vereinbarung nichts. Die hat zwar die einfache Beweiskraft gegenüber den Verlagen verloren. Aber in dieser Form wurden die Vergütungsregeln ja sowieso eher selten genutzt. Vor Gericht können sie aber weiterhin als Indiz gelten, wie eine angemessene Vergütung aussieht. Denn ein Verlag kann schwerlich argumentieren, dass etwas gestern angemessen war und heute nicht mehr. Andernfalls können Gerichte auch wieder auf den erwähnten 12 a-Tarifvertrag zurückgreifen, dessen Honorarsätze über denen der jetzt gekündigten Vergütungs-regeln liegen.
Es könnte im übrigen sein, dass sich die Verlage größere Sorgen über die neue Situation machen müssen als die Freien, wie DJV-Justiziar Benno Pöppelmann und Freienreferent Michael Hirschler auf den DJV-Seiten ausführen: Vorstellbar seien auch Gerichtsentscheidungen, nach denen die angemessene Vergütung höher ausfallen muss als in der Vereinbarung von 2010 festgelegt. Denn das neue Urheberrechtsgesetz, das zum 1. März in Kraft getreten ist, will bei der Ermittlung der Angemessenheit auch die Häufigkeit und das Ausmaß der Nutzungen berücksichtigt sehen.
Auch NRW-Justiziar Christian Weihe rät Freien, sich nicht verunsichern zu lassen. „Klar ist: Der Anspruch auf angemessene Vergütung bleibt.“ Damit, so macht er deutlich, besteht auch weiterhin die Möglichkeit, einen Tageszeitungsverlag zu verklagen, wenn die gezahlten Honorare der vergangenen Jahre deutlich unter dem Satz der nun gekündigten Vergütungsregeln lagen.