VOLO-CAMPUS |

Bubble Tea in Taipei

Im Ausland studieren – und journalistisch arbeiten
16. Oktober 2024, Lima Fritsche

Ich wollte Geopolitik sowie die Halbleiterbranche besser verstehen und meine Chinesisch-Kenntnisse verbessern – so kam es, dass ich mich Mitte August ins Flugzeug nach Taiwan gesetzt habe. Jetzt lebe ich in der Hauptstadt Taipei, lerne tagsüber an der Uni und erkunde abends die zahlreichen Nachtmärkte der Stadt, auf denen Gerichte wie Stinky Tofu, Süßkartoffelbällchen und Avocado-Milch angeboten werden.

Die Autorin sitzt neben einem Schild der Universität in Taipei, an der sie ein Auslandssemester macht.
Im Rahmen ihrer dualen Ausbildung an der Kölner Journalistenschule studiert Lima Fritsche ein halbes Jahr in Taiwan. | Foto: Johanna Wolf

An den Wochenenden gehe ich wandern, besichtige Museen und Tempel oder verbringe Zeit mit neuen Freundinnen und Freunden. Und schon jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, das Haus ohne einen Bubble Tea zu verlassen, den ich mittlerweile wie die meisten hier in einem Becherhalter aus Stoff herumtrage, natürlich im Taiwan-typischen Design mit süßen Tieren – in meinem Fall kleine Hunde mit Koffern und Krawatten.

Ein anderes Uni-Leben

Eigentlich mache ich eine Ausbildung an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft und studiere parallel dazu an der Universität zu Köln Management, Economics and Social Sciences – ein interdisziplinärer Studiengang mit Inhalten aus VWL, BWL, Soziologie und Psychologie. Nun bin ich für sechs Monate als Austauschstudentin an der National Chengchi University (NCCU) in Taipei, Taiwan.

Das Studium hat in der zweiten Septemberwoche begonnen. Drei Stunden in der Woche lerne ich Chinesisch, meine anderen Kurse werden auf Englisch unterrichtet. Da es an der NCCU im Gegensatz zu deutschen Unis keine Vorlesungen für mehrere hundert Menschen gibt, sondern die Studentinnen und Studenten in kleinen Klassen lernen, ist es zudem einfach, Anschluss zu finden. Und nach den Seminaren noch mit seinen Professorinnen und Professoren ins Gespräch zu kommen, scheint hier keine Ausnahme, sondern die Regel zu sein.

Dass ich ein Auslandssemester machen möchte, war mir schon lange klar. Ich habe ein bilinguales Abitur gemacht, studiere auch in Deutschland auf Englisch und hatte in der Schule mehrfach die Möglichkeit, im Rahmen von Schüleraustausch zu erleben, wie wertvoll das Zusammentreffen mit Menschen anderer Kulturen sein kann.

Demnach passte es gut, dass die vierjährige Ausbildung an der Kölner Journalistenschule mit einem Studium an der WiSo-Fakultät der Universität zu Köln verbunden ist (siehe Kasten). So habe ich die Möglichkeit, über die Uni ins Ausland zu gehen. Da die NCCU eine der Partneruniversitäten meines Studiengangs ist, habe ich mich in Köln auf das Studium in Taipei beworben. Ende vergangenen Jahres kam die Zusage, dann hieß es: Visum beantragen, Auslandskrankenversicherung abschließen, sich über Reiseschutzimpfungen informieren, Flüge buchen und natürlich eine Wohnung finden.

Kölner Journalistenschule
Die private Kölner Journalistenschule (KJS) bildet Journalistinnen und Journalisten in den Bereichen Wirtschaft und Politik aus. Träger ist der gemeinnützige Verein Kölner Journalistenschule für Politik und Wirt-schaft e.V. Die vierjährige Vollausbildung ist mit einem Studium an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät (WiSo-Fakultät) der Universität zu Köln verbunden. Zur Auswahl stehen verschiedene Studiengänge.
Während der Ausbildung sollen die Schülerinnen und Schüler möglichst Auslandserfahrung sammeln. Neben Reisen, die die Schule organisiert, besteht bei der Vollausbildung die Möglichkeit, über die Uni ein Auslandssemester zu machen./cbl

Fünf Euro fürs Abendessen

Ein Becher Bubble Tea in einem Stoffhalter mit der Zeichung eines Hündchens.
Bubble Tea? Der braucht auch den landestypischen Becherhalter. | Foto: Lima Fritsche

Glücklicherweise habe ich einen Platz in einem kleinen Wohnheim auf dem Campus bekommen. Das kommt mir auch zugute, weil ich das Auslandssemester privat finanziere. Einen Großteil meiner Kosten kann ich decken, indem ich meine Kölner Wohnung untervermiete, meine Lebenshaltungskosten in Taipei sind wesentlich niedriger als in Köln. So zahle ich für ein Semester im Wohnheim genauso viel wie für zwei Monate in meiner Kölner Wohnung und kann hier für weniger als fünf Euro ein Abendessen in meinem Lieblingsrestaurant bekommen.

Auch die SIM-Karte, die ich mir am ersten Tag gekauft habe, hätte ich mir theoretisch sparen können, denn Taiwan ist digital weiter als viele Länder. So gibt es fast überall kostenloses WLAN, in Schulen wird neben Mathe, Chinesisch und Englisch auch Medienkompetenz unterrichtet, und es gibt eine digitale Plattform, auf der Bürgerinnen und Bürger mit der Regierung über Gesetzesvorhaben diskutieren können.

Konflikt mit China

Im Westen ist Taiwan, offiziell Republik China, vor allem aus einem Grund bekannt: Der De-facto-Staat zählt zwar zu den politisch stabilsten Demokratien Asiens, das Leben hier ist aber seit mehr als 70 Jahren auch von dem Konflikt mit China geprägt, das Taiwan als abtrünnige Provinz sieht und die Insel, notfalls auch mit Gewalt, in die Volksrepublik eingliedern will. Nur wenige Staaten weltweit erkennen Taiwan offiziell an. Zugleich ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Insel vor allem bei Halbleitern groß, die in vielen Produkten wie Autos, Smartphones oder medizinischen Geräten stecken. Der taiwanesische Konzern Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) ist mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent der weltweit größte Auftragshersteller von Halbleitern.

Darüber hinaus lässt sich die Insel aber kaum in eine Box stecken: Taiwan ist geprägt von chinesischen, japanischen und immer mehr südostasiatischen Einflüssen, von Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus. Mit 23 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist der Inselstaat, dessen Fläche in etwa der von Baden-Württemberg entspricht, recht dicht besiedelt. In Taipei leben 2,5 Millionen Menschen, aber man ist schnell mitten in der Natur, wo man nur noch Grillen zirpen hört.

Kontakt zur Lehrredaktion in Köln

Ich möchte die Zeit in Taiwan nicht nur nutzen, um zu studieren und zu reisen, sondern hier auch journalistisch arbeiten. An der Kölner Journalistenschule gibt es dafür die Lehrredaktion, in der wir wöchentlich an Beiträgen arbeiten und diese dann in Kleingruppen unter der Leitung erfahrener Journalistinnen und Journalisten besprechen, bevor sie veröffentlicht werden. Meine Beiträge kann ich auch aus der Ferne einreichen, sie werden in zusätzlichen Sitzungen mit einem Teil der Gruppe besprochen. Zudem hat die Journalistenschule alle Studentinnen und Studenten, die während ihrer Ausbildung ein Semester im Ausland verbringen, in einem zusätzlichen Seminar zum Thema Auslandsjournalismus auf die Zeit vorbereitet.

Auch das Studium an der NCCU bietet einen guten Ausgangspunkt für journalistische Recherchen. Ich habe Kurse zur politischen Geschichte Taiwans, zu hybriden Regimen in Südostasien und zur Halbleiterbranche in der Zeit der Tech-Geopolitik belegt – letzterer wird vom ehemaligen Forschungs- und Entwicklungsleiter von TSMC unterrichtet. Fast fünf Monate habe ich noch, bis ich mich wieder ins Flugzeug zurück nach Deutschland setze. Die Zeit will ich nutzen, um besser zu verstehen, wie Menschen in Taiwan auf den Konflikt mit China und somit auch auf ihre eigene Zukunft blicken – aber hoffentlich auch mehr darüber lernen, was das Leben auf der Insel darüber hinaus ausmacht.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2024.