TITELTHEMA | Macht und Verantwortung

Der Blick nach vorne

Mehr als 400 Medienmenschen beim Journalistentag in Dortmund
22. Dezember 2024, Carmen Molitor und Corinna Blümel

Um Verantwortung für andere zu übernehmen, muss man erstmal Verantwortung für sich selbst übernehmen. Das kann ein schmerzhafter Weg sein, musste Oberstleutnant Anastasia Biefang, erste Transgender-Kommandeurin der Bundeswehr, erfahren. In der Keynote zum Journalistentag 2024 in Dortmund berichtete sie sehr persönlich über
ihren Lebensweg. „Ich habe lange versucht, so zu sein, wie Männer sein sollen“, erzählte sie. Der Wendepunkt kam nicht durch Mut, „sondern durch Verzweiflung und tiefes Leid“. Erst später habe sie erkannt, dass daraus der Mut erwachse, auch für andere da zu sein. Allerdings hat sie auch erfahren müssen, dass sie für das öffentliche Eintreten für ihre Identität als Transfrau und die daraus folgende Sichtbarkeit in den Medien einen Preis zahlt. Dabei geht es nicht nur darum, die negativen Narrative auszuhalten. Ihre Forderung: „Wertschätzung ist mehr als Toleranz.“

Was die Gesellschaft braucht

Der Journalistentag unter dem Motto „Aus großer Macht folgt große Verantwortung“ lockte wieder mehr als 400 Medienschaffende in die Sparkassenakademie am Phoenix-See, darunter wieder viele Studierende. „Aus der großen Macht in der aufgeheizten Aufmerksamkeitsgesellschaft folgt die große Verantwortung, sich die Mühe zu machen, werthaltige Angebote zu liefern“, erklärte die Landesvorsitzende Andrea Hansen in ihrer Eröffnungsrede. „Das gilt für Menschen, die gewählt werden wollen, ebenso wie für Menschen, die eingeschaltet oder gelesen werden möchten.“

In der Podiumsdiskussion nach der Keynote mahnte NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) einen energischen Einsatz der Politik für den Erhalt der Medienvielfalt an. Medienvielfalt sei „eines der schärfsten Schwerter in der liberalen Demokratie“. Gemeinsam mit einer Besinnung auf das journalistische Handwerk schaffe sie Vertrauen und wirke als Gegengift zu den Verunsicherungsstrategien populistischer Kräfte.

Der Wert der Medienvielfalt

Zur Stärkung der Medienvielfalt nannte Liminski drei Wege: So plädierte er dafür, Regulierungen des Werbemarkts an manchen Stellen zu lockern, um Finanzierungsgrundlagen für private Medien zu erhalten, und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken. Außerdem kämpft er nach eigener Aussage „wie der letzte Mohikaner für die Zustellförderung – mehr als der BDZV es tut“. Und das auch anders, als der DJV es für sinnvoll hält, der sich die Förderung eher für die Stärkung eines unabhängigen Lokaljournalismus und nicht für die Zustellung der Zeitungen wünscht.

Weil Medienvielfalt eine so grundsätzliche Bedeutung für die liberale Demokratie habe, müsse sie in der Politik auch mal Priorität haben und „uns einen dreistelligen Millionenbetrag wert sein“, erklärte der NRW-Medienminister bezüglich der Zustellförderung.

Faktentreue und genaue Recherche

Einen „ethischen Kompass“ zu entwickeln gehöre heute mehr denn je zur Verantwortung von Journalistinnen und Journalisten, betonte Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Marlis Prinzing. Dazu zähle – neben Faktentreue und gründlicher Recherche – auch, dass sie politische Grundlagen erklären und Problemlösungen darstellen. Es liege in der Verantwortung der Medienhäuser, den Redaktionen die Bedingungen dafür zu bieten, stellte die Professorin fest.

Übereinstimmend warb das Panel dafür, das journalistische Handwerkszeug konsequent anzuwenden, aber auch im Dialog mit dem Publikum das eigene Tun zu erklären. Anastasia Biefang mahnte eine tiefere und breitere Berichterstattung an sowie eine größere Vielfalt bei den Themen.

Mit Blick auf gezielte Desinformation, die darauf ausgerichtet sei, die Gesellschaft zu spalten, forderte Liminski: „Wir müssen uns in der liberalen Demokratie auf bestimmte Fakten verständigen.“ Zudem sei es wichtig, den Wert von Aushandlungsprozessen zu verdeutlichen und beim Wort Kompromiss nicht immer das Adjektiv „faul“ gleich mitzudenken.

Die Debatte im Impulspanel setzte den Ton für den großen journalistischer Branchentreff, der in den Panels und Werkstattgesprächen die drängenden Fragen zwischen Macht und Ohnmacht in nervösen Zeiten behandelte und dabei immer den aufklärerischen Blick nach vorne suchte. Zum Erfolg der Veranstaltung trugen wie immer die zahlreichen Haupt- und Ehrenamtlichen aus dem DJV-NRW bei, die Organisation durch die RDN-Agentur und natürlich die Sponsoren.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2024.