Grenzüberschreitende Dienstreisen sind nichts Ungewöhnliches für Journalistinnen und Journalisten: eine Messe in Paris besuchen, entlang der ehemaligen Balkanroute mit Einheimischen und Geflüchteten sprechen, an einer Konferenz in Pisa teilnehmen oder eine Reisegruppe mit der Kamera nach Schlesien begleiten. Und wenn es nur für einen Tag nach Wien geht, um dort einen Vortrag zu halten, oder mal eben über die Grenze nach Belgien, um ein paar Ausflugsziele für die Wochenendbeilage abzulichten, werden die Trips ins europäische Nachbarland von den Betroffenen nicht mal als berufliche „Auslandsreise“ wahrgenommen.
Die Sozialversicherungsbehörden sehen das allerdings anders. Innerhalb Europas (konkret in den EU-Mitgliedsstaaten, den EWR-Vertragsstaaten und der Schweiz) müssen Angestellte und Selbstständige auf Dienstreisen im Ausland eine sogenannte A1-Bescheinigung mitführen. Diese weist nach, dass die Reisenden im eigenen Land Sozialversicherungsbeiträge zahlen und nicht dauerhaft im Gastland arbeiten.
Eigentlich zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
Erdacht wurde diese Regelung gegen Lohn-und Sozialdumping wohl für Branchen, in denen es viel Schwarzarbeit gibt oder die gerne dauerhaft ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsetzen, die eigentlich am Einsatzort versicherungspflichtig wären, aber statt dessen kostengünstiger im Herkunftsland versichert sind. Um solche dauerhaft Beschäftigten von denen zu unterscheiden, die tatsächlich nur eine Dienstreise machen, müssen Angestellte und Selbstständige (wie freie Journalistinnen und Journalisten) bei Auslandseinsätzen die A1-Bestätigung mitführen. Können Geschäftsreisende die Bescheinigung bei einer Kontrolle nicht vorweisen, dürfen die Behörden die Sozialversicherungsbeiträge nach Landesrecht nachfordern, zudem können Bußgelder im vierstelligen Bereich fällig werden.
Tatsächlich besteht die Pflicht zum Mitführen einer A1-Bescheinigung schon seit Mai 2010, allerdings haben in jüngerer Zeit einige Länder verstärkt mit Kontrollen begonnen und diese über die einschlägigen Branchen wie das Transport- und Baugewerbe hinaus ausgeweitet. Dabei sollen auch Medienschaffende auf Recherchereise schon zur Kasse gebeten worden sein. Zu den Ländern, die strenger kontrollieren, gehören Medienberichten zufolge Frankreich, Österreich und Belgien.
Für Journalistinnen und Journalisten ist diese Regelung nicht nur lästig, sie ist ein ausgesprochenes Ärgernis – bis hin zur ernsthaften Beeinträchtigung. Denn die A1-Bescheinigung muss (außer im Fall der Dauerbescheinigung, siehe Kasten) für jede einzelne Dienstreise neu beantragt werden – mit konkreten Angaben zu Zeitraum und Anlass der Reise. Das mögen investigativ tätige Kolleginnen und Kollegen im Einzelfall schon schwierig finden. Zudem kann die Ausstellung dauern, weil die Anzahl der Anträge sprunghaft angestiegen ist, seit stärker kontrolliert wird. Aber wie soll das mit der Wartezeit gehen, wenn der Recherchebedarf im Ausland sich ganz kurzfristig ergibt?
A1-Bescheinigung: Wo beantragen?
Bei Angestellten ist der Arbeitgeber dafür zuständig, eine A1-Bescheinigung zu beantragen. Freie Journalistinnen und Journalisten oder zum Beispiel Inhaber einer Produktionsfirma oder einer PR-Agentur müssen sich selbst darum kümmern.
Seit 1. Januar 2019 müssen die Anträge elektronisch gestellt werden. Eine Übergangsfrist für die Verwendung von Papieranträgen ist zum 30. Juni 2019 ausgelaufen.
Gesetzlich Versicherte können die A1-Bescheinigung bei ihrer Krankenkasse beantragen, bei Privatversicherten ist die Deutsche Rentenversicherung zuständig.
Wenn eine Person für einen längeren Zeitraum dienstlich immer wieder in das gleiche Land reist, ist es möglich, bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) eine „Dauerbescheinigung“ zu beantragen./
Falls die Bescheinigung nicht rechtzeitig ausgestellt wird, können die Reisenden entweder eine Kopie des gestellten Antrags mitnehmen oder eine Lohn- und Gehaltsabrechnung, aus der der Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ersichtlich ist, notfalls auch eine A1-Bescheinigung für eine vorherige Reise. Gestellt werden muss der Antrag natürlich trotzdem. Der hohe Aufwand bleibt und wird vor allem für diejenigen zum Problem, die häufig grenzüberschreitend arbeiten.
„Das Ganze ist ein echtes Bürokratiemonster“, urteilt denn auch Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW. „Wir sind der Überzeugung, dass diese Regelung zumindest für Journalistinnen und Journalisten bald Geschichte sein muss, vor allem wenn es um kurze Geschäftsreisen gibt.“ Weil die Gesetzesänderung Lobbyarbeit auf Bundesebene erfordert, wird sich der DJV-NRW im Bundesverband für eine Änderung starkmachen.
Bis zur Abschaffung oder Entschärfung der A1-Regelung empfiehlt der DJV-NRW dringend, sich an die Pflicht zu halten.||