SEMINARE |

„Geh mir weg mit Klima!“

4. Oktober 2023, Carmen Molitor

Der Klimawandel hat in vielen Medien noch nicht den Stellenwert, den er verdient, sagt Katharina Strohmeyer. Die Juristin und Journalistin hat das Thema zu ihrem Arbeitsschwerpunkt gemacht. Sie erklärt, wie gute Klimabericht­erstattung funktionieren kann.

Die Dozentin, eine blonde Frau, steht mit Mikro im Freien.
Katharina Strohmeyer. | Foto: Stefan Barta

JOURNAL: Frau Strohmeyer, was ist eigentlich Klimaberichterstattung?

Katharina Strohmeyer: Im Prinzip alles! Denn Klima und damit auch der Klimawandel wirken sich bereits in unheimlich vielen Bereichen aus oder werden sich noch auswirken. Jedes Ressort muss künftig das Klima mitdenken.

 

JOURNAL: Sollten Redaktionen also spezielle Klimaressorts einrichten?

Strohmeyer: Nein. Das Wissen rund um die Klimakrise und die Möglichkeiten, sie abzumildern, sollte zum Handwerkszeug jedes Journalisten und jeder Journalistin gehören. Man kann es im Prinzip vergleichen mit Fragen rund um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Da wird ja auch kein Extraressort gegründet, das sich damit beschäftigt, ob die Beiträge demokratiekonform sind.

 

JOURNAL: Die Klimakrise ist ein politisch aufgeheiztes Thema, bei dem man es keinem so richtig recht machen kann. Was raten Sie den Redaktionen?

Strohmeyer: Sie sollten sich auf ihre journalistischen Grundsätze besinnen: anständig journalistisch recherchieren, Sachverhalte vernünftig einordnen und das, was die Wissenschaft sehr einmütig und unzweifelhaft darlegt, angemessen abbilden. Oft gibt es ja strukturelle Probleme in der Berichterstattung und Phänomene wie False Balance, dass man also wissenschaftliche Einzelmeinungen oder politische Einordnungen, die irgendwo hochkochen, gleichwertig mit dem einhelligen Stand der Wissenschaft darstellt. Das ist nicht gut, denn man muss bedenken, dass die Leute verunsichert sind. Deshalb müssen diejenigen, die darüber berichten, den Durchblick haben. Je sicherer ich mich in dem Terrain bewegen kann, weil ich verstehe, wie die Zusammenhänge sind, desto selbstbewusster und fundierter kann ich vertreten, was ich schreibe.

 

JOURNAL: Was kann helfen, verlässliche Expertinnen und Experten zu finden?

Strohmeyer: Das ist eine haarige Frage, denn im redaktionellen Alltag tendieren wir dazu, immer dieselben bekannten Expertinnen und Experten anzusprechen. Aber die Welt verändert sich gerade so schnell, dass insbesondere jene, die ihre Expertise durch Erfahrungswissen begründen, damit nicht mehr unbedingt überzeugen können, denn das taugt nicht mehr für die Lösung zukünftiger Probleme. Zu sagen, das haben wir die letzten 30 Jahre schon so gemacht, deshalb geht das auch in Zukunft, funktioniert leider nicht mehr. Diese Entwertung des Erfahrungswissens ist ein Riesenproblem. Wir brauchen ganz andere Lösungsansätze als die bekannten Mechanismen, die uns in diese
Situation gebracht haben.

 

Seminar Klimajournalismus
Das Seminar „Geh mir weg mit Klima!“ vermittelt einen Überblick über Zusammenhänge der Klimakrise und zeigt, wie konstruktiver Klima­journalismus funktionieren kann. Dafür bietet es Recherche-Tipps und alltagstaugliche Best-Practice-Beispiele. Das ganztägige Präsenzseminar in Düsseldorf richtet sich an Interessierte aus allen Medienbereichen.
Datum: 26.10.2023 / Zeit: 9:30–16:30 Uhr
Mitglieder: € 109,00 – Nichtmitglieder: € 164,00

JOURNAL: Sie vermitteln im Seminar „Geh mir weg mit Klima!“ neben den Grundlagen einer guten Klimaberichterstattung auch Basis-Fakten zur Klimakrise. Warum?

Strohmeyer: Ich beobachte in der allgemeinen Berichterstattung, dass einige Zusammenhänge einfach nicht verinnerlicht sind. Zum Beispiel wirklich grundlegende Fragen, etwa: Was ist der Unterschied zwischen 1,5 Grad und 2 Grad Erwärmung? Wie ist der aktuelle Stand? Welche Spielräume haben wir noch? Wie sind die rechtlichen Zusammenhänge? Wie wird sich Deutschland in den nächsten Jahren verändern? Dazu gibt es eine grundlegende Einführung inklusive der Frage, warum der Journalismus das nicht angemessen abbildet.

 

JOURNAL: Welche Gründe hat das?

Strohmeyer: Da wir als Gesellschaft das Problem so verdrängen, ist es auch für Journalistinnen und Journalisten schwierig, die Gesamtzusammenhänge wahrzunehmen. Ich bilde da gar keine Ausnahme. Es gibt auch so eine Statik im Denken, dass mögliche Lösungen nicht gesehen werden. Dabei ist es eine wichtige Aufgabe von Journalismus, solche Lösungsansätze mit abzubilden. Die Wirklichkeit besteht ja nicht nur aus dem linearen „Wir rennen jetzt in die Katastrophe!“. Zum vollständigen Bild gehört, dass es immer noch Möglichkeiten gibt, Dinge zu lösen und für das Gemeinwohl gut zu organisieren. Vor allem im Regionalen und im Lokalen gibt es viele Beispiele für konstruktive Lösungen, über die man berichten kann.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2023.