JOURNALISTENTAG

Neue Modelle für die Zukunft der Arbeit

Schafft Coworking bessere Arbeitsbedingungen?
16. Dezember 2019, Christian Schlichter

Viele neue Worte gab es beim Vierergespräch rund um das Thema Coworking zu lernen. Design Thinking, Scrum, agiles Arbeiten und andere Begriffe schwirrten durch den Raum. Das sei ein riesiges Themenfeld und es gehe nun darum zu erkunden, was dahinterstehe, hatte Moderator Johannes Meyer seine zahlreichen Zuhörer neugierig gemacht. Doch auch nach zwei Runden à 45 Minuten waren nicht alle wirklich schlauer, denn die drei Experten brachten mit ihrer Fachsprache eher wenig Licht ins Dunkel. Erst recht konnten sie die gestellte Frage nicht klären, ob denn nun das Coworking die Zukunftsarbeit von Journalistinnen und Journalisten sei, sodass diese nicht mehr in die Redaktion pendeln müssten.

Über die Zukunft der Arbeit sprachen (vl.l.) Johannes Meyer, Joachim Dreykluft, Dr. Rüdiger Klatt und Barbara Maas. | Foto: Udo Geisler
Über die Zukunft der Arbeit sprachen (vl.l.) Johannes Meyer, Joachim Dreykluft, Dr. Rüdiger Klatt und Barbara Maas. | Foto: Udo Geisler

Dabei haben Joachim Dreykluft, stellvertretender Chefredakteur der sh:z in Flensburg und Leiter des HHLab, und seine Kollegin Barbara Maas vor drei Jahren ein interessantes Projekt auf die Beine gestellt: eine gemeinsame digitale Zentrale der regionalen Medienhäuser NOZ Medien und mh:n Medien, in der Journalisten und Entwickler an der Zukunft des Journalismus arbeiten. Angesiedelt ist das HHLab in der Medienstadt Hamburg, in der Mitte des Verbreitungsgebiets der beteiligten Titel.

„Eine Arbeit, die man wirklich will“

„Wir brauchen neue Formen, neue Geschäftsmodelle, neue Produkte.“ Deswegen nenne sich das Team Labor und nicht Redaktion, erklärte Dreykluft. Nur die Hälfte der zwölf Mitarbeiter seien Journalisten. Barbara Maas ergänzte, dass im Lab hinterfragt werde, „wieso wir Dinge so machen, wie wir es tun“. In einem geschützten Raum abseits des Tagesgeschäfts gebe das Lab Zeit, Dinge auszuprobieren und mit modernen Methoden zu experimentieren. Das mache allen Freude und sei „eine Arbeit, die man wirklich will“, erklärte sie begeistert. Dabei solle das Lab nicht gucken, was die anderen machten, um es dann nachzubauen, sondern selbst etwas entwickeln.

Dass dort die erdachten Produkte dann auch mal als Prototyp aus Lego entstehen, wie Maas erzählte, verwirrte das Publikum ebenso wie ihre Erläuterung, wie das „Design Thinking“ dem Team helfe, in kurzen Zeitrahmen Lösungen zu finden. Joachim Dreykluft versuchte, etwas Licht ins Dunkel zu bringen: Bislang habe das Team in den drei Jahren ein B2B-Produkt (B2B = Business to Business) entwickelt, ein Paket für Firmen im ländlichen Raum. Den Beginn dazu habe der Entwurf eines Veranstaltungs-Flyers gemacht. Mittlerweile habe man ein digitales Abo kreiert, das es einmal im Jahr auch als Print gebe. „Bislang wenden wir uns als Verlage ja an Privatkunden, künftig machen wir uns auch bereit für die Geschäftskunden“, sagte Dreykluft. Denen wolle man helfen, ihre Zielgruppen zu finden.

Büroarbeit verändert sich

Konkreter wurde es beim dritten Experten der Runde, Dr. Rüdiger Klatt, der als Leiter eines NRW-Forschungsprojekts zur Zukunft der Arbeit seit neun Jahren erkundet, wie die Arbeitswelt der Menschen später mal aussehen könnte. Analog zu den Diskussionen um Industrie 4.0 verändere sich auch die Büroarbeit. „Früher haben die Menschen gearbeitet, weil sie dafür bezahlt wurden, heute arbeiten sie, weil es ihnen wirklich Freude macht“, berichtete er aus den beiden Coworking Spaces, mit denen er in Gelsenkirchen forsche.

Die Entscheidung, ob Mitarbeiter im Betrieb oder im Home Office arbeiteten, bekomme durch Coworking Spaces eine weitere Dimension. Diese seien mit der notwendigen Büro-Infrastruktur ausgestattet, vielleicht sogar mit Kita, Carsharing und Fahrradstation, und böten Menschen die Möglichkeit, statt im Home Office wohnviertelnah zu arbeiten. Bislang, so führte Klatt dazu aus, werde politisch über die Pendlerpauschale ein Verkehrsinfarkt auf dem Weg zum und vom Büro gefördert. Vielleicht ändere sich das, wenn auch Arbeitgeber sich weiter öffneten.

Dass die Arbeit der Zukunft anders aussehen wird als heute, darin waren sich die Teilnehmer auf dem Podium einig. Dass aber nicht jedes Modell für jeden auch geeignet sei, unterstrichen sie ebenfalls. „Da muss man schauen, wer wie flexibel arbeiten kann und will“, fasste Dr. Rüdiger Klatt zusammen. Denn nicht bei allen ergeben sich so glückliche Synergien wie bei der freiberuflichen Kollegin aus dem Publikum, die von einem Brandenburger Coworking Center berichtete, in dem sie sich als Journalistin mit einigen anderen Dienstleistern gut ergänzt und vernetzt habe. Vielen klassischen Journalistinnen und Journalisten aus Redaktionen im Publikum sagte das Thema aber trotzdem noch nicht viel. Sie werden wohl auch weiterhin in der Redaktion ihres Verlages zusammensitzen, um am gemeinsamen Produkt in Print oder Audio zusammenzuarbeiten.||

 

Ein Beitrag in Ergänzung zu JOURNAL 6/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2019.