Als die Nazis 1933 die Macht erlangt hatten, machten sie keinen Hehl daraus, dass mit ihnen nicht nur das Ende der Demokratie, sondern auch der freien Berichterstattung gekommen war: „Der Rundfunk gehört uns und niemandem sonst“, erklärte Joseph Goebbels, Chef des neuen Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, am 25. März den Intendanten und Direktoren der Reichsrundfunkgesellschaft (RRG) in Berlin. „Den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen, und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen!“ Einen Tag zuvor hatten die Nazis mit dem Ermächtigungsgesetz das Land faktisch zur Diktatur gemacht. Nun sollte die Presse zum „Klavier“ werden, „auf dem die Regierung spielen kann“.
Mit Medien die Massen gewinnen
Die NSDAP hatte den Medien eine zentrale Rolle darin zugedacht, die Massen dauerhaft für sich zu gewinnen. Das konnte, so war ihnen klar, aber nur gelingen, wenn die Faschisten sie absolut lenken und die Redaktionen nach Belieben zusammensetzen konnte. 1933 begannen sie damit, diese Ideen mittels Gesetzen durchzusetzen und damit unliebsame Redakteurinnen und Redakteure loszuwerden.
Zum Beispiel Ernst Hardt, Intendant der Westdeutsche Rundfunk AG Köln (WERAG). Hardt hatte erfolgreich als Schriftsteller, Übersetzer und Theaterregisseur gearbeitet, bevor er Künstlerischer Leiter und Vorstand der WERAG wurde. Unter seiner Leitung entwickelte der Sender ein renommiertes Bildungs- und Kulturprogramm, baute ein eigenes Sinfonieorchester und Opernensemble auf. Hardt wollte auch eine breite Themenvielfalt: „Ein Credo von ihm war: ‚Das Leben, wie es ist, durch den Kasten (das Radio) gehen zu lassen‘. Und das für einen Hörerkreis, der einen Querschnitt der modernen Gesellschaft darstellte: Arbeiter, Arbeitslose, Frauen, Senioren, Kinder, Beamte, Gelehrte“, sagte WDR-Intendant Tom Buhrow bei einer Veranstaltung zu Hardts 70. Todestag.
Ernst Hardt
Zielscheibe ständiger Hetze
Der Schöngeist im Intendantensessel war schon seit 1930 eine Zielscheibe ständiger Hetze des Westdeutschen Beobachters, einer der NSDAP zugehörigen regionalen Tageszeitung für den Gau Köln-Aachen. „Jüdisch unterlaufen sei der Sender, bolschewistisch das Programm, korrupt die Mitarbeiter; Hardt, der ‚rote Zar‘, ein Günstling der ‚Mischpoke Kölns‘ – die Unterstellungen nahmen kein Ende“, beschrieb es Prof. Karl H. Karst in einem Porträt.
Dass Hardt die jüdischen WERAG-Beschäftigten nicht entlassen wollte, führte dazu, dass er noch am 25. März, dem Tag der Goebbels-Rede vor der RRG, beurlaubt wurde. Kurz darauf verlor er seinen Job aufgrund des angeblichen Verstoßes gegen das neue Berufsbeamtengesetz endgültig. Man habe nicht die Gewähr dafür, dass er jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintrete.
Auch Marie-Theres van den Wyenbergh spürte schon vor 1933 den Gegenwind der Nazis bei ihrer Arbeit für die WERAG. Als Leiterin des Frauenfunks machte sie zunächst Sendungen mit Themen rund um Familie, Mutterschaft und Haushalt und knüpfte Kontakte zu allen Kölner Frauenvereinen, um sie nach ihren Wünschen für die Sendungen zu befragen.
Marie-Theres van den Weyenbergh
1932 sorgte ihre Sendereihe „Frau im Staat“ für Aufsehen, in der sie die politische Beteiligung von Frauen diskutierte und Expertinnen wie Marianne Juchacz einlud, die 1919 als erste Frau im deutschen Parlament gesprochen hatte. Plötzlich erschienen Stoßtrupps nationalsozialistischer Frauen, wenn sie bei Veranstaltungen den Frauenorganisationen über die Arbeit des Frauenfunks berichtete. „Immer dann, wenn wir über Sendereihen wie die ‚Frauenfriedenswochen‘ oder ‚Frauen im Ausland‘ sprachen, dann polterten diese Frauen los und erklärten: Das ist deutschfeindlich, das ist unpatriotisch – fort mit Frau von der Wyenbergh!“, erzählte die Redakteurin.
Als WERAG-Intendant Hardt seinen Platz räumen musste, wurde auch der Frauenfunk drastisch zusammengestrichen. Die Sendereihe „Aus der Frauenbewegung“ setzte man sofort ab. „Ich wurde kurz darauf von einem SS-Mann in sein Zimmer gerufen und bekam mitgeteilt, ich hätte so negativ über den ‚Führer‘ gesprochen, dass ich in jeder Hinsicht ein politisch unzuverlässiger Mensch sei und den Rundfunk sofort zu verlassen hätte“, erinnerte sich van den Wyenbergh später. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder bekam ein Verdienstverbot und durfte nur sehr geringe Einkünfte erzielen.
Als nächstes die Printmedien
So brachte Goebbels das noch junge Massenmedium Rundfunk, dem er die meiste Propagandakraft zutraute, zuerst auf Linie. Aber auch an den Printmedien hatten die Nazis großes Interesse. Denn durch die eigenen „Kampfblätter“ erreichte man zu wenig Publikum. Man war sich bewusst, dass die publizistische Unzulänglichkeit der eigenen Redaktionen so groß war, dass man zur Überzeugung der Massen von der eigenen Politik die journalistischen Profis der bürgerlichen Presse brauchte.
Vor 90 Jahren, am 4. Oktober 1933, beschlossen die Nazis das Schriftleitergesetz, das ihnen das unkomplizierter möglich machte. Damit hatte Goebbels direkten Zugriff auf das Personalwesen der Redaktionen: „Schriftleiter“ (die Bezeichnung Chefredakteur wurde abgeschafft) durfte nur werden, wer sich in eine Berufsliste eintragen ließ und die den Nazis genehmen „Rasse“- und Gesinnungskriterien erfüllte.
Direkter Zugriff durch den Staat
„Zum anderen wurde das Verhältnis zwischen Staat und Presse neu geordnet. Durch die vermeintliche Befreiung des Journalisten vom politischen Weisungsrecht des Verlegers trat der Staat an dessen Stelle und überwachte nun die inhaltliche Gestaltung der Zeitungen“, erklärt Sebastian Schellschmidt in seiner Bachelorarbeit über die „Gleichschaltung“ der Kölner Medien im Dritten Reich.
Es begann das, was Verschwörungsgläubige der heutigen Presse unterstellen: Goebbels und Co. diktierten den Korrespondenten von 150 Redaktionen – darunter der Kölnischen Volkszeitung (Deutsche Zentrumspartei) und der Kölnischen Zeitung (DuMont Schauberg) – bei täglichen Reichspressekonferenzen in Berlin bis ins Kleinste, was sie zu schreiben und was wegzulassen hatten. Wer keinen Korrespondenten schicken konnte, erfuhr das durch die staatliche Agentur „Deutsches Nachrichtenbüro“. Zwischen 1933 bis 1934 habe die Zahl der konkreten Presseanweisungen bei 80 000 bis 100 000 gelegen, schreibt Schellschmidt.
Wilhelm Sollmann
Werner Sollmann verfolgte diese Entwicklung damals schon aus dem Exil. Wie alle Blätter, die linken Parteien nahestanden, machten die Nazis 1933 auch kurzen Prozess mit der 1892 gegründeten Rheinischen Zeitung, dessen Chefredakteur Sollmann 13 Jahre lang gewesen war. Die von der SPD herausgegebene Kölner Tageszeitung war im März verboten worden. Chefredakteur Sollmann, ein Mitglied des Reichstags, wurde am 9. März in seiner Kölner Wohnung von SS- und SA-Schlägern überfallen, im „Braunen Haus“ der NSDAP gefoltert und dann in „Schutzhaft“ genommen. Nach seiner Entlassung floh er nach Luxemburg.
Der Chefredakteur sollte mit seiner öffentlichen Bewertung des Aufstiegs der NSDAP als „Aufstand geistloser Barbarei“ Recht behalten. In den Redaktionsräumen seiner Rheinischen Zeitung auf der Deutz-Kalker-Straße machte sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs der Westdeutsche Beobachter breit.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2023.