Der WDR hat einseitig die Einführung crossmedialer Honorierungsmodelle zum 1. Juli angekündigt. Dabei geht es um neue Vergütungsregelungen für mehrmediale Leistungen, die für sechs Monate zunächst in den Bereichen Sport, Wirtschaft und Wissenschaft gelten sollen. In diesen drei Leuchttürmen, wie der WDR sie bezeichnet, wachsen die Redaktionen von Hörfunk, TV und Online zusammen.
Die Honorarmodelle sind nicht mit den Gewerkschaften vereinbart worden. Der DJV-NRW verurteilt deshalb die einseitige Einführung des crossmedialen Honorarmodells als Tarifbruch. Der WDR könne die bislang geltenden Vergütungsregeln nicht einfach ignorieren und für einen Teilbereich neue Tarifierungen einführen, kritisiert die Gewerkschaft. Der Sender gebe selbst zu, dass er sich „außerhalb der bestehenden Honorarrahmen“ bewege. Umso unverständlicher aus Sicht des DJV: Im WDR gibt es im „Laborstudio“ Wuppertal bereits einen erfolgreichen und gerade erst von beiden Tarifparteien verlängerten crossmedialen Tarifvertrag, den der Sender aber nicht auf die drei Leuchttürme anwenden will.
Crossis in Wuppertal
2014/15 haben die Gewerkschaften mit dem WDR um ein crossmediales Vergütungsmodell für ein Pilotprojekt in Wuppertal gerungen. Auch hier drängte der Sender auf Tagespauschalen statt der Vergütung je Beitrag. Zusammen mit den betroffenen Freien entwickelte der DJV-NRW hier ein Modell, bei dem jede einzelne Leistung werkbezogen in Crosspunkten („Crossis“) abgerechnet wird. Dazu gehören auch bisher nichttarifierte Leistungen wie Posts bei Facebook. Gleichzeitig erhält der Freie eine Mindestvergütung von 312 Euro pro Tag. Die Redaktion muss den tagesaktuellen „Cross-Reporter“ im Vorfeld beauftragen. Für die ursprünglich auf eineinhalb Jahre angelegte Pilotphase wurde eine Verlängerung bis zum 31.12.2017 vereinbart. /cbl
Der DJV-NRW hält ebenso wie der WDR ein modernes, an digitale Zeiten angepasstes Tarifsystem für überaus notwendig; allerdings nicht zu jedem Preis. Die vom Sender geplanten Abschläge für crossmediale Aufträge liegen im zweistellen Prozentbereich. Die Verhandlungen zu diesen Honorierungsmodellen hatten DJV und ver.di im Februar für gescheitert erklärt, zu weit lagen die Vorstellungen auseinander, auch die Freien im WDR hatten sie als nicht akzeptabel zurückgewiesen. Der DJV befürchtet außerdem, dass dies nur ein erster Schritt zur Aufkündigung der Sozialpartnerschaft für 12a-Freie ist.
Der WDR signalisierte in einem Schreiben an die Gewerkschaften noch einmal die „generelle Bereitschaft zu weiteren Gesprächen“. Der DJV-NRW forderte den Sender daher auf, nicht von den bestehenden Tarifen abzuweichen und mit einer deutlich kompromissbereiteren Linie neue Verhandlungen mit uns aufzunehmen. Es gehe darum, eine „angemessene und sachgerechte Vergütung“, für „hochqualifizierte und engagierte freie MitarbeiterInnen“ zu finden.
Die Vorgeschichte
Mit viel Stolz hatte der WDR im Februar 2017 seine so genannten Leuchttürme der Öffentlichkeit präsentiert: In den Bereichen Sport, Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten Fernsehen, Hörfunk und Online künftig in gemeinsamen Redaktions- und Produktionsteams. So eröffnete Intendant Tom Buhrow in der zweiten Etage der WDR-Arkaden in der Kölner Innenstadt den crossmedialen „Sportcampus“ – ein Großraumbüro mit 92 Arbeitsplätzen. In der crossmedialen Redaktion Wirtschaft und Verbraucher sind es 85 Arbeitsplätze, bei der Wissenschaft 45.
Den freien Journalistinnen und Journalisten drohte dabei von Anfang an – mal wieder – eine Verschlechterung bei den Honoraren. Seit gut einem Jahr verhandelt der WDR mit den Gewerkschaften über die künftige crossmediale Vergütung und scheint nur ein Ziel zu kennen: Sparen auf Kosten der Freien.
Anfang Februar legte das Haus den Gewerkschaften nun den Entwurf für einen Tarifvertrag vor, dessen wesentliche Inhalte er nicht mehr verhandeln wollte. Die Verhandlungskommissionen von DJV und ver.di stuften den Vertrag als nicht akzeptabel ein.
Deutliche Ablehnung
Bestätigt wurde diese Einschätzung bei einer Freienversammlung, zu der die beiden Gewerkschaften Mitte Februar ins WDR-Funkhaus eingeladen hatten: Viele der Anwesenden reagierten mit Unmut auf den Vorschlag des Senders. Sie befürchteten zu Recht, dass sie für weniger Geld mehr arbeiten müssen. Von dem vollen Saal ging ein deutliches Signal aus: Diesem Vertragsentwurf stimmen die Freien nicht zu. Kurz darauf hat der DJV-NRW den Entwurf gegenüber dem WDR zurückgewiesen.Bereits damals war zu befürchten, dass der Sender die Vergütung einseitig einführt.
Welche Positionen stehen also gegeneinander? Der WDR machte von Beginn an klar, dass er bei crossmedialer Beauftragung auch einen Spareffekt erwarte. Zwar wolle er den Honoraretat nicht senken, aber er möchte von freien Mitarbeitern mehr Inhalte bekommen – und das auch noch rabattiert haben. Kurz gesagt: Der WDR will mehr Leistung für weniger Geld.
Die Gewerkschaften kämpfen dagegen für eine soziale Absicherung und für praktikable Lösungen, die wenige oder keine Honorareinbußen bedeuten. Der DJV-NRW hätte sich zum Beispiel vorstellen können, das Crossi-Modell eines Pilotprojekts im Studio Wuppertal weiterzuentwickeln. Zwar findet die Gewerkschaft den Wunsch nachvollziehbar, das Tarifsystem zu modernisieren und an digitale Zeiten anzupassen. Allerdings nicht um jeden Preis. Die vom Sender geplanten Abschläge für crossmediale Aufträge lagen im zweistelligen Prozentbereich: Auf bis zu 50 Prozent kalkulierten einzelne Kolleginnen und Kollegen bei der Freienversammlung Mitte Februar ihre potenziellen Verluste in diesem Bereich.
Besondere Bedeutung
Auch wenn es im Augenblick „nur“ um ein Tarifmodell für die Leuchttürme geht: Eine Einigung hier könnte zur Vorlage für crossmediale Vergütung im gesamten WDR werden. Deshalb ist klar, dass diesen Verhandlungen besondere Bedeutung zukommt.
Die bisherige Vergütungsstruktur sieht eine Vergütung jeweils getrennt nach den Medien Fernsehen, Hörfunk und Internet vor. Aus Sicht beider Seiten keine optimale Lösung, denn crossmediales Arbeiten wird immer wichtiger. Dafür gibt es allerdings bisher keine eigenen Honorarziffern. Nur in Wuppertal gibt es das erwähnte Pilotprojekt, das jüngst um ein Jahr verlängert wurde.
Nach Vorstellungen des WDR soll die crossmediale Vergütung künftig aus zwei Teilen bestehen: dem Stufenmodell und dem sogenannten Tagesreporter. Beide Vergütungsmodelle sollen parallel nebeneinander stehen.
Die Bezahlung nach dem Stufenmodell soll sich am Honorarrahmen orientieren, wäre aber ab dem zweiten Beitrag mit drastischen Abschlägen versehen.
Stufenmodell und Tagesreporter
Nach Vorstellung des WDR soll es künftig in den Leuchttürmen Sport, Wirtschaft und Wissenschaft zwei Vergütungsmodelle geben.
• Stufenmodell: Das Modell sieht vor, dass der teuerste Beitrag regulär nach dem Honorarrahmen vergütet wird. Alle folgenden Beiträge sollen mit 50 Prozent der jeweiligen Honorarziffer bezahlt werden.
Eine Sonderregelung soll es für Kollegengespräche geben. Bei mehreren Gesprächen zum gleichen Thema beträgt das Honorar ab dem zweiten Kollegengespräch nur noch 25 Prozent der jeweiligen Honorarziffer.
Das Stufenmodell würde an der bisherigen Logik der werkbezogenen Vergütung festhalten. Es wäre allerdings mit deutlicheren Honorareinbußen verbunden als das Wuppertaler Crossi-Modell.
• Tagesreporter: Schon länger versucht der WDR, die Gewerkschaften zu einer Tarifierung von Tagespauschalen zu bewegen. Vor allem in der aktuellen Berichterstattung verspricht er sich davon erhebliche Einsparungen. Mit dem Pauschalhonorar würde die bisherige Festlegung auf die werkbezogene Vergütung journalistischer freier Arbeit unterlaufen. De facto werden allerdings Freie schon nach Tagespauschalen bezahlt.
Beide Modelle sollen parallel nebeneinander gelten. Sie sollen dem WDR zufolge nur zum Einsatz kommen, wenn vorab Beiträge für mindestens zwei Medien in Auftrag gegeben werden. Damit soll ausgeschlossen sein, dass die Redaktion nachträglich eine Rabattierung einfordern kann. /cbl
Das zweite Modell, der sogenannte Tagesreporter, ist nichts anderes als die Tagespauschale, die der WDR den Gewerkschaften schon länger abringen will. Der Tagesreporter soll im Normalfall eine Pauschale von 320 Euro erhalten. Bei besonderem Aufwand soll es 430 Euro geben. Das klingt für viele Freie mit anderen Auftraggebern erstmal durchaus attraktiv. Aber allein schon durch die Beschränkung möglicher Arbeitstage pro Monat („Prognose“) sind die Einkünfte deutlich gedeckelt.
Prinzipiell waren DJV-NRW und ver.di bereit, im Rahmen eines zeitlich befristeten Pilotprojektes neue Vergütungsregelungen zu erproben. Allerdings haben die Gewerkschaften deutlich gemacht, dass so ein weitreichendes Zugeständnis an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Dazu gehört eine soziale Absicherung für Kolleginnen und Kollegen, die durch die crossmediale Honorierung Einkommensverluste hinnehmen müssen. Außerdem hatten die Gewerkschaften eine deutliche Anhebung der vorgeschlagenen Vergütungen gefordert.
Bei beiden Punkten zeigte sich der Sender unnachgiebig, ohne das Entgegenkommen der Gewerkschaften zu würdigen.