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„Wir sind für dich da!“

Ehrenamtliche Helpline für belastete Medienschaffende
28. September 2023, Petra Tabeling

Prekäre Arbeitsbedingungen, hohe Arbeitsbelastung, Druck in der Redaktion, Isolierung im Homeoffice, Angriffe auf Demonstrationsveranstaltungen, grausame Bilder am Fotodesk, Hassmails – die Liste der psychischen Belastungen von Journalistinnen und Journalisten sowie anderen Medienschaffenden ist lang. Und: Die meisten, die darunter leiden, bleiben im Alltag mit diesen Herausforderungen allein. Nun soll es ab Herbst erstmals eine telefonische Helpline als Anlaufstelle für Betroffene geben – anonym und kostenfrei.

Helpline gestartet
Inzwischen ist die Helpline aktiv.
Telefonnummer: 030 – 7543 7633
Telefonzeiten: Mo. und Di. 18-20 Uhr, Do. 16-18 Uhr, Fr. 8-10 Uhr
Hier gibt es alle weiteren Informationen.

Wichtiges Signal für die Branche

„Noch haben längst nicht alle Medienhäuser erkannt, wie wichtig mentale Gesundheit ist. Deshalb gibt es die Helpline. Wir sind für dich da!“ heißt es im Infotext der Helpline, die auf Initiative von Netzwerk Recherche e.V.  im Herbst 2023 final freigeschaltet werden soll. Möglich ist dies durch einige Unterstützer, darunter die Süddeutsche Zeitung, die Friedrich-Ebert-Stiftung und der DJV.

Eine junge Frau hat den Kopf auf den Schreibtisch gelegt.
Katastrophenberichterstattung, stressiger Arbeitsalltag mit Deadlines, Umstrukturierungen und Überstunden oder Sorgen um die Auftragslage: Manchmal wird es einfach zuviel. | Foto: benicce

Der Anstoß für das Projekt kam ursprünglich vom Dart Centre Europe. Das Angebot setzt ein wichtiges Signal für die Branche, in der solche Themen bislang eher eine untergeordnete Rolle spielen. „Mit der Helpline wollen wir einen Beitrag leisten, um die psychische Gesundheit von Journalistinnen und Journalisten zu fördern“, sagt Malte Werner von Netzwerk Recherche, der das Angebot koordiniert. Das genaue Datum steht noch nicht fest. Aber wenn die Helpline startet, können sich Ratsuchende anonym und geschützt an zwei bis drei Werktagen in der Woche an speziell geschulte „Peers“ wenden.

Diese wurden in einem Bewerbungsverfahren ausgewählt und im Juni in einem mehrtägigen intensiven Workshop ausgebildet. Hilfreich war dabei, dass viele Teilnehmende bereits Expertise im Bereich Coaching und mentale Gesundheit vorweisen konnten und die Medienbranche aus eigener Erfahrung kennen. Während der Laufzeit der Helpline werden sie sich regelmäßig austauschen und erhalten Supervision. Zudem werden die Peers gemeinsam mit den Initiatoren ein Handbuch erstellen.

Wichtig war den Initiatoren neben der fachlichen Expertise, dass die Ansprechpartnerinnen und -partner „selbst journalistische Erfahrungen mitbringen und wissen, was es bedeutet, journalistisch tätig zu sein“, erklärt Friederike Engst, Psychologische Psychotherapeutin aus Dresden. Sie hat in gemeinsamer Beratung mit der Traumaexpertin Fee Rojas das Beratungskonzept erarbeitet und die 15 Peers ausgebildet.

Bewusst niedrigschwellig

Das Angebot will bewusst niedrigschwellig sein: Anrufen könne jede Person, die sich über Probleme in ihrem Arbeitsumfeld austauschen möchte und Unterstützung suche, erklärt Engst. Dann solle ein „kollegiales Gespräch“ über das geführt werden, was belasten könnte: zum Beispiel Unsicherheiten zum Berufsanfang, Ängste im Interview mit Opfern oder mit Täterinnen und Tätern, Überlastungen, schwierige Konstellationen innerhalb der Redaktion, Probleme mit Vorgesetzten etc.

Oft fehle jemand, mit dem man sich traue, darüber zu sprechen. Dabei können auch private Probleme mitspielen, manchmal sei beides auch nicht voneinander zu trennen, sagt Engst. „Wir schauen dann gemeinsam nach Unterstützungssystemen, und wenn das Bedürfnis da ist, machen wir auch ein Folgegespräch. Wir können keine Therapie ersetzen, geben bei Bedarf weitere Anlauf- und Kontaktadressen weiter.“

Ursprünglich für ein Jahr geplant, wird die Hotline allerdings zunächst nur für sechs Monate erreichbar sein. Koordinator Malte Werner hofft, dass es danach für das Projekt weitergeht. Denn die Notwendigkeit solcher niederschwelliger Hilfsangebote sei klar. Unter den bisherigen Angeboten gebe es noch „viele Leerstellen“. So bieten einige Medienhäuser zwar mittlerweile interne Workshops oder ähnliches zum Umgang mit Belastungen an, jedoch erreichen sie noch lange nicht alle Mitarbeitenden. Unter anderem fallen freie Journalistinnen und Journalisten häufig durchs Raster.

Malte Werner wirbt dafür, das Angebot breit zu streuen, damit möglichst viele Medienschaffende angesprochen und ermutigt werden, entweder selbst anzurufen und/oder die Nummer der Helpline vielfältig in ihren Netzwerken und Medienhäusern zu teilen. „Wir möchten möglichst alle in der Medienbranche einbeziehen.“

Damit die Hotline nach Ablauf der sechsmonatigen Probephase und einer Evaluierung weiter bestehen könne, brauche das Angebot weitere Unterstützung. Mit hoffentlich guten Nutzungszahlen sollen weitere Verlage, Verbände, Gewerkschaften, Rundfunkanstalten, aber auch Stiftungen und andere Förderpartner überzeugt werden, die Helpline zu unterstützen. Wünschenswert sei es, das Angebot auszuweiten. „Im Laufe der Zeit wird sich zeigen, welche Bedürfnisse da sind.“

Hilfe ist gefragter denn je

Dass der DJV die Helpline unterstützt, liegt auch daran, dass das Thema hier nicht neu ist: Bereits vor Längerem hatten einzelne Landesverbände zusammen mit dem Dart Centre Deutschland die Idee ins Auge gefasst, eine telefonische Hilfe zu installieren. Das ließ sich jedoch aus finanziellen und personellen Gründen nicht umsetzen.

Seitdem ist die Dringlichkeit gewachsen: „Die psychischen und gesundheitlichen Risiken des Journalistenberufs nehmen eher zu als ab. Die Palette der Herausforderungen reicht vom Stress vor dem Redaktionsschluss bis zum Rechercheeinsatz in der Ukraine“, erklärt der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Da sei „Hilfe gefragter denn je“.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2023.