Die Deutsche Welle (DW) hat die Kommentarfunktion unter ihren Online-Artikeln abgeschaltet. Der Grund: Ein überwiegender Teil der Beiträge habe inzwischen mit einem konstruktiven Meinungsaustausch „nichts mehr zu tun“, schreibt Chefredakteurin Ines Pohl. „Der Diskurs wurde geprägt von persönlichen Beschimpfungen, Beleidigungen und rassistischen Äußerungen, die auf unserer Seite nichts zu suchen haben.“ Die Anonymität im Netz habe zunehmend Trolle angezogen: So seien es immer dieselben Nutzer gewesen, die unter dem Deckmantel eines Alias-Namens die Kommentarfunktion auf denn DW-Seiten für die Absonderung von Hassbotschaften genutzt hätten.
Fünf Jahre lang hatte die DW User-Kommentare unter ihren Beiträgen zugelassen und tut sich mit der jetzigen Entscheidung schwer. Schließlich kämpfe gerade die Deutsche Welle „für einen offenen, kritischen Austausch von unterschiedlichen Argumenten, für die weltweite Pressefreiheit“. Aber die DW sei wie jede Redaktion in Deutschland verpflichtet, Kommentare auf ihrer Webseite zu prüfen. Gegebenenfalls könne sie auch für den Inhalt beleidigender Kommentare haftbar gemacht werden. Entsprechend habe die Betreuung der Kommentare viel Zeit in Anspruch genommen. Künftig soll die Kommentarfunktion für einzelne Artikel geöffnet werden, um gezielt mit den Nutzern in Austausch zu treten.
Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall forderte Medienunternehmer auf, mehr qualifizierte Journalistinnen und Journalisten für die Moderation von Kommentaren und Forenbeiträgen einzustellen. Die Entscheidung der DW sei als „Alarmsignal für alle Digitalseiten von Medien“ zu werten. Wenn der Dialog mit Lesern bzw. Usern gepflegt werden solle, müsse die Kommentarfunktion unter journalistischen Beiträgen unbedingt erhalten werden.
Das gehe allerdings nur mit genügend Personal, wie das Beispiel der Deutschen Welle zeige. Der Leserdialog dürfe nicht als Abfallprodukt der journalistischen Berichterstattung den Kolleginnen und Kollegen zusätzlich zu ihrer Kernarbeit übergestülpt werden. „Spätestens seit der ,Lügenpresse‘-Diskussion ist klar, dass wir nicht weniger, sondern mehr Dialog mit unseren Lesern, Zuhörern und Zuschauern brauchen“, erklärte der DJV-Vorsitzende. Überall machte deutlich, dass ein Aus der Kommentarfunktion die Schlammschlacht nicht beende, sondern auf die Ebene der Social Media verlagere. „Und sachliche Kritik findet dann keinen Platz mehr.“
Auch andere Medienhäuser haben sich schon zu einem ähnlichen Schritt entschieden: Etwa die NZZ, bei der seit 2017 nicht mehr alle Artikel zur Kommentierung freigeschaltet sind. Die Süddeutsche Zeitung hat schon 2015 die Kommentarfunktion auf ihrer Seite eingeschränkt und stattdessen spezielle Debattenforen eingerichtet.
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/18, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2018.