Wie verändert sich unser Verständnis von Fotografie durch die generative KI? Und was macht das mit dem Bildjournalismus? Darüber hat Damian Zimmermann mit Prof. Christoph Bangert gesprochen. Bangert hat viele Jahre für internationale Magazine und Zeitungen in Krisengebieten wie Afghanistan, Irak, Nigeria, Palästina und Libanon fotografiert. Seit 2021 ist er Professor für Fotografie an der Hochschule Hannover und zudem im Vorstand der laif Genossenschaft in Köln.
JOURNAL: Inwiefern ist das Thema KI-Bilder bereits an deiner Hochschule angekommen und wie geht ihr damit um?
Christoph Bangert: In der Hochschule wird das Thema noch diskutiert und es gibt keine öffentliche Stellungnahme dazu. In meinen Kursen gab es aber bereits einzelne Projekte von Studierenden, in denen KI-Bilder vorkamen. Da waren KI-Bilder aber ganz klar auch das Thema der Arbeit – sie wurden also nicht anstatt einer Fotografie verwendet.
Gleichzeitig wird gerade sehr intensiv darüber nachgedacht, was die KI eben auch nicht kann beziehungsweise wie sie funktioniert. Beispielsweise werden durch KI Stereotype noch verstärkt. Dadurch entstehen auch moralische Probleme, denn wenn es keine:n Autor:in gibt, aber die Maschine etwas moralisch Verwerfliches tut, indem sie zum Beispiel dunkelhäutige Menschen anders darstellt als Weiße, ist das ein Problem, dessen wir uns bewusst sein müssen. Das wird so sein, denn die KI ist ja mit existierenden Bildern gefüttert worden. Das bedeutet auch, dass sie immer in die Vergangenheit blickt, aber niemals auf die Gegenwart, wie es die Fotografie macht. Gleichzeitig schafft sie etwas, das ein Bild ist, das wie eine Fotografie aussieht und das auf den Stereotypen von Fotografien beruhen und verstärkt diese teilweise noch. Denn eine KI ist genauso rassistisch und sexistisch, wie wir es sind, die sie gefüttert haben. Eine Künstliche Intelligenz macht also die gleichen Fehler wie Menschen, aber bei einer KI ist für das Ergebnis niemand verantwortlich. Das ist hochdramatisch und hochproblematisch, und wir müssen darüber nachdenken, was das mit den Betrachtenden und mit den Bildern macht und wer dafür eigentlich die Verantwortung trägt.
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JOURNAL: Welche Probleme werden auf uns zukommen?
Bangert: Es wird zu den gleichen Problemen kommen, die wir schon bei Instagram erlebt haben, nämlich dass diese Bilderwelt nichts mehr mit unserer tatsächlichen Lebenswirklichkeit zu tun hat. Die KI produziert ein Fantasieprodukt, eine Fiktion. Deshalb würde ich in der journalistischen Fotografie niemals KI einsetzen. Ich beschäftige mich mein ganzes Berufsleben lang mit Dokumentarfotografie, visuellem Journalismus und Autor:innenschaft. Da geht es nicht um die Wahrheit, aber es geht um einen Wirklichkeitsbezug. Wir erzählen von echten Menschen, die haben Namen und es ist konkret und greifbar.
Wir haben Vertrauen in die Menschen, die die Fotografien machen. Bei der KI ist das alles nicht vorhanden. Das Grundvertrauen in Bilder wird sich also verändern. Im Zweifel macht man heute noch nicht so einen großen Unterschied zwischen einer Tageszeitung, egal ob Print oder Online, und der lustigen Social-Media-Welt. Da sagen wir „Im Zweifel ist es echt“. Das wird sich ändern, und wir werden sagen „Im Zweifel ist das unecht“.
Es wird ein grundsätzliches Misstrauen Bildern gegenüber herrschen. Das Grundvertrauen wird sich ändern. Aber Menschen wollen Vertrauen und sie wollen Nachrichten und guten visuellen Journalismus. Da sehe ich eine Chance. Wir müssen nur die nächsten Jahre, in denen sich das alles sortiert, tapfer dran bleiben und immer wieder auf den gesellschaftlichen Wert der journalistischen Bildern hinweisen. Denn Menschen wollen Bildern vertrauen und nicht in die Irre geführt werden. Sie wollen den Unterschied machen zwischen Fiktion und Nicht-Fiktion. Sie wollen, dass die Fakten stimmen und dass sie von einer Person stammen, die nicht versucht hat, sie zu manipulieren. Da sehe ich eine riesige Chance, dass wir Journalist:innen mit einer echten Fotografie, die eine Autor:innenschaft hat und nicht KI-generiert ist, sehr robust aufgestellt und glaubhaft sein werden.
JOURNAL: Wie soll man gewährleisten, dass tatsächlich nur echte Fotografien genutzt werden?
Bangert: Manipuliert wurde schon immer. Seit Beginn der Fotografie vor 200 Jahren wurde montiert und retuschiert, und dies wurde damals schon als echte Fotografie angepriesen. Mich schockiert es deshalb überhaupt nicht, wenn das heute jemand macht. Aber im Journalismus brauchen wir Vertrauen und Transparenz. Beim World Press Photo Award, bei dem ich gerade in der Jury war, gibt es solche Regeln beispielsweise schon lange. Da muss man es als Fotograf:in in die Bildunterschrift schreiben, wenn man zum Beispiel ein Porträt inszeniert hat. Das sind journalistische Standards.
Schwierig wird es dort, wo diese Standards nicht gelten: Auf Social Media, Messenger-Diensten, Blogs etc
Dort wird alles ungeprüft geteilt und verschickt. Das war aber leider auch schon immer so. Mit dem Unterschied, dass bislang jeder alles nur teilen konnte. Jetzt kann auch jeder alles einfach selbst herstellen.
JOURNAL: Wie steht die Fotografengenossenschaft laif zu dem Thema?
Bangert: Wir befinden uns noch stark in der Diskussion und haben es mit einer offizielle Stellungnahme nicht so eilig wie viele andere. Wir haben keine Angst. Wir sehen uns in dem bestätigt, was wir machen, nämlich Autor:innenfotografie. Wir arbeiten dokumentarisch-journalistisch. Wir stehen dafür ein, dass das, was wir machen, stimmt und faktisch in Ordnung ist. Deshalb sehen wir uns auch in einer guten Position. Wir erzählen ganz konkrete Dinge in unseren Fotografien. Deswegen sehen wir auch keinen Markt für KI-Bilder. Warum sollte ein:e Kund:in ein KI-Bild in einer Agentur kaufen, wenn sie das Bild viel passgenauer selbst machen kann?||
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2023.