
Bei wem kann ich mir Geld leihen?“, „Was, wenn jetzt mein Auto kaputt geht?“ oder „Wie kriege ich das Geld für die Klassenfahrt wieder rein?“ Solche Gedanken sind es, die die Menschen aus unserem Beitrag nachts wachgehalten haben und es teilweise immer noch tun. Sie alle eint: Ihre Arbeitssituation ist oder war prekär.
Bevor wir die (anonymisierten) Geschichte von Sandra und Kerstin, von Gerd, Max und Johanna erzählen, sei geklärt, was das überhaupt ist – „prekär“. Denn eine einheitliche Definition existiert nicht. Wer das Schlagwort in die Google-Bildersuche eingibt, dem spuckt die Suchmaschine Bilder von Menschen aus, die Pfandflaschen sammeln, Putzwagen schieben oder Spargel stechen.
Diesmal anonym
Das ist nicht die Realität von Johanna* (Name geändert). Existenzängste gehörten jahrelang zum Alltag der Journalistin. „Ich konnte absolut nicht davon leben. Ich musste immer noch Jobs zusätzlich zum Journalismus machen“, sagt sie. Gehetzt und getrieben, so beschreibt sie ihr Lebensgefühl in dieser Zeit.
Nicht finanziell ausgezahlt
Dabei hat Johanna lange für eine Lokalzeitung gearbeitet und parallel an der TU Dortmund studiert – einer der besten Adressen für Journalismus in Deutschland. „Ich habe viel Nerven und Herzblut ins Studium gesteckt, finanziell ausgezahlt hat es sich nicht“, sagt die Journalistin.

Sie habe es als unfair empfunden, dass die Redaktionen die freien Mitarbeitenden alle gleichermaßen entlohnt hätten und nicht nach Qualifikation. „Da zählt dann nur die Artikellänge. Ich habe im Lokalen Termine gekloppt – aber mit 35 Euro für einen Text in Aufmacher-Länge minus Spritgeld kommt man nicht weit“, sagt sie. Teilweise kamen aus der journalistischen Tätigkeit nur 600 bis 800 Euro im Monat zusammen.
Irgendwo zwischen „der sozial abgesicherten Mehrheit der Erwerbstätigen und den beinahe gänzlich aus dem Erwerbsleben Ausgeschlossenen“ bewegen sich prekär Beschäftigte laut Hans-Böckler-Stiftung. Prekäre Beschäftigung, das heißt: ein Einkommen, das die Existenz nicht sichert, ein unsicherer Job oder fehlender Kündigungsschutz. Der qualifizierte Journalistenberuf stellt damit seinen Anteil an den geschätzt rund zwölf Prozent der Erwerbsbevölkerung.
Nächtelang wachgelegen
Johanna, heute um die 40, gehörte über weite Teile ihrer 20er und 30er dazu. Nur mit zusätzlichen Promotion- oder Messejobs kam sie streckenweise über die Runden, musste sich immer mal wieder Geld bei Freunden und Familie leihen. An Altersvorsorge war überhaupt nicht zu denken. „Das muss ich jetzt alles nachholen“, sagt die Journalistin, die inzwischen festangestellt ist.
Die Angst, ob sie alle Rechnungen bezahlen kann, war damals jedoch ein ständiger Begleiter. Besonders schlimm sei es gewesen, als sie nach dem Studium einen ihrer besser bezahlten Jobs verlor – Online-Tagesdienste bei einem überregionalen Medium. Die Abteilung wurde geschlossen, Johanna lag Nächte lang wach.
Dann kam auch noch privater Ballast dazu: Ein Partner, der angeblich bezahlte Rechnungen doch nicht bezahlt und Mahnungen von der Krankenkasse versteckt hatte. Für Johanna wurde auf einen Schlag ein vierstelliger Betrag fällig. Dann wurde auch noch ihr Mischlingshund krank.
An Dinge wie Urlaub habe sie da gar nicht mehr gedacht. „Es ging eher darum, ob mein Kleinwagen mit seinen vielen Kilometern nicht noch den Geist aufgibt“, sagt sie. Begleitet habe sie auch die Unsicherheit, dass man ihr die Situation von außen ansehe. „Es war frustrierend, als erwachsene Frau auf Hilfe angewiesen zu sein“, sagt sie.
Sie habe versucht, bessere Honorare zu verhandeln, sei jedoch auf Wände gestoßen. „Dann bekommt man mal 3 Euro mehr – ja, danke auch“, sagt Johanna. Die Zeitungen wüssten, dass man am Anfang nicht viele Möglichkeiten habe, reinzukommen. „Das wird ausgenutzt“, sagt sie.
„Jetzt in der Festanstellung verdiene ich besser. Mit dem, was Journalisten früher verdient haben, ist das aber nicht zu vergleichen“, sagt sie. Man dürfe nicht vergessen: Tagesaktueller Journalismus sei ein sehr stressiger Job. „Ich arbeite im Schichtdienst und fange meist um 5:45 Uhr morgens an“, sagt sie. Auch, wenn der Lohn nun passe, für gute Arbeitsbedingungen fehle noch einiges.
Prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu
Laut einer Umfrage der LMU München aus dem Jahr 2020 können 28 Prozent der Journalistinnen und Journalisten „selten“ oder „nie“ ihren gesamten Lebensunterhalt mit Journalismus bestreiten. Im Mittel verdienen die mehr 1.000 Befragten rund 2.300 Euro netto. 3,2 Prozent der Befragten verdienten weniger als 600 Euro und 15,3 Prozent zwischen 601 und 1.200 Euro. 2014 und 2015 war der Anteil im untersten Bereich noch deutlich niedriger. 43 Prozent stufen ihre Arbeitssituation selbst als prekär ein, 26 Prozent müssen neben der journalistischen einer weiteren Tätigkeit nachgehen.

Drei Typen
Johanna entspricht damit dem, was Thomas Schnedler als Frustrationstypus definiert hat. Der Journalist, der heute als Co-Geschäftsführer bei Netzwerk Recherche in Berlin arbeitet, hatte in seiner 2017 veröffentlichten Dissertation die Dimensionen und Folgen prekärer Arbeit im Journalismus untersucht. Zentrales Ergebnis: Es gibt im Kern drei Typen prekär arbeitender Journalistinnen und Journalisten. Während Johanna zum beschriebenen Frustrationstypus gehört, beschreibt er Menschen wie Sandra* (Name geändert) als Kompensationstypus.
Denn anders als Johanna konnte sie es sich leisten, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. „Mein Partner hat einen festen Vollzeitjob. Er bezahlt unsere Fixkosten“, sagt sie. Den Kompensationstypus macht Schnedler in seiner Dissertation daran fest, dass das Arbeiten unter den prekären Bedingungen nur möglich ist, weil es andere Finanzierungsquellen gibt. Das können die Partnerin, der Partner, Eltern oder ein Stipendium sein.
Ohne diese Garantien wäre der Lebensunterhalt nicht gesichert: Teilweise kamen für die Journalistin, die mal als Layouterin, mal als Redaktionsassistenz arbeitete, nur 1 500 Euro brutto im Monat rum. „Man muss es sich leisten können“, sagt Sandra. Bei ihr sei das begrenzt möglich gewesen, Elternzeit sei aber nicht ohne weiteres drin gewesen. „Man büßt in der Zeit ja nicht nur Geld ein, sondern droht auch, ersetzt zu werden“, sagt sie.
Plan B: Berufswechsel
Für Sandra gab es immer einen Plan B. „Ich habe ein angefangenes Lehramtsstudium – den Job zu wechseln ist für mich immer eine Option geblieben“, sagt sie. Besonders während der Corona-Pandemie sei dieser Gedanke präsenter geworden.
Sandra erinnert sich noch an die vielen Gespräche beim Abendessen mit ihrem Partner: „Soll ich dieses Honorar überhaupt mitmachen?“ wurde da diskutiert. Als ihr Sohn gerade erst drei Monate alt war und Sandra zwischen Schreibtisch, Windelwechseln, Babyspielzeug und Telefonaten, deckelte einer der Auftraggeber die Honorare. Nur, weil Sandra in der Situation mit Baby keine Möglichkeit hatte, nach neuen Auftraggebern zu schauen, blieb sie dabei.
In dieser Zeit hat Sandra gelernt, in den besseren Monaten diszipliniert Geld beiseitelegen, um zähere Monate auszugleichen. „Wenn man sich einen gewissen Lebensstandard aufgebaut hat, will man das aber auch nicht mehr missen“, sagt sie.
Oft handele es sich um eine Mischkalkulation – deshalb habe sie auch schlecht bezahlte Sachen als Lückenfüller angenommen. „Bei 15 Euro Honorar für 1,5 Seiten Text war ich aber raus“, erinnert sie sich.
Gesellschaftlicher Wert zu gering
Sowohl Auftraggeber als auch die Gesellschaft würden Journalismus als Produkt nicht genug Wert beimessen. „Da heißt es dann: Du kannst doch noch eben ein Foto machen“, weiß sie aus Erfahrung. Beobachtet hat Sandra auch, dass das Auftragsvolumen langsam aber stetig abnimmt, weil Kunden beispielsweise weniger Anzeigen schalten und Ausgaben dadurch kürzer werden.
Beide Entwicklungen kann Frank Stach, ehemaliger Landesvorsitzender des DJV-NRW, bestätigen. Seit Ende 2024 ist er Vorsitzender des 1960 gegründeten Unterstützungsvereins, der in Not geratenen Medienschaffenden hilft. Vom Content werde oft eine hohe Qualität erwartet – dabei aber vergessen, dass Equipment und Technik viel Geld kosten. „So bleibt dann oft nicht viel hängen“, weiß Stach.
Auftraggeber nutzen Situation aus
Prekäre Arbeit bedeutet für den WRD-Redakteur, der selbst Jahrzehnte als Freier gearbeitet hat: Auftraggeber nutzen eine Situation aus und haben keinen Sinn für guten Journalismus. „Es ist eine Situation des Schwächeren, in die jemand nicht selbstverschuldet kommt“, sagt Stach. Meist laufe das schleichend ab, nicht von heute auf morgen. Wer seine Skills nicht weiterentwickele, riskiere, immer weniger beauftragt zu werden.
Die Menschen, denen der Unterstützungsverein beispringt, haben laut Stach aber vorher nicht unbedingt in prekären Verhältnissen gearbeitet. Sie wurden beispielsweise durch psychische Krankheiten, Krebs oder Schicksalsschläge aus der Bahn geworfen.
Pro Jahr hilft der Verein etwa 10 bis 15 Menschen regelmäßig, hinzu kommen Einmalhilfen für andere Menschen, die kurzfristig finanzielle Unterstützung brauchen. Dabei werden zum Beispiel kleine Renten mit einzelnen Hilfszahlungen bezuschusst oder auch mal zinslose Darlehen gewährt, wenn jemand für künftige Aufträge eine teure Ausrüstung anschaffen muss. Eng wird es für manche Betroffene auch, wenn Auftraggeber pleitegehen oder Kontakte in Redaktionen wegbrechen – etwa, weil eine neue Planungsredakteurin andere Freie beauftragt.
Stach sagt: „Wer unter prekären Bedingungen arbeitet, kann keine Rücklagen für Notfälle aufbauen.“ Teilweise macht die Arbeit im Niedriglohnbereich selbst krank. Wie die Studie „Burning (out) for Journalism“ der LMU zeigt, gehört Journalismus zu den Branchen mit überdurchschnittlichem Stresslevel und höherem Risiko an Depressionen oder Burn-out zu erkranken.
Während die deutsche Bevölkerung beim psychischen Wohlbefinden im Durchschnitt auf einen Wert von 65 kommt, liegt der bei Journalistinnen und Journalisten nur bei 48, also deutlich darunter. Neben Arbeitszeiten, Wettbewerb und Arbeitspensum gehört die Bezahlung zu den belastendsten Faktoren in der Branche.
Plötzlich keine Termine mehr
Gerd, der als Fotojournalist arbeitet hat, hat erlebt, wie ihn die Arbeit körperlich und psychisch zermürbte. Angefangen habe es mit der finanziellen Situation. „Irgendwann habe ich einen Anruf von der Redaktion bekommen und mir wurde mitgeteilt: ‚Wir haben nächsten Monat keine Termine mehr für dich‘“, erinnert sich Gerd.

Zuvor hatte er sich über die Arbeitsbedingungen beschwert – fünf Termine innerhalb von drei Stunden seien einfach nicht machbar gewesen. „Wer sich beschwert, fällt durch“, sagt er heute und seufzt.
Schnell konnte er sich nicht mehr über Wasser halten, die kleinen Auftraggeber reichten nicht aus. „Ich bin mit der Miete in Rückstand geraten, mein Vermieter hat eine Räumungsklage veranlasst“, sagt er. Heute muss er seine Rente, die knapp unter 800 Euro liegt, über das Sozialamt aufstocken.
Er habe nie viel Geld zum Leben gebraucht, doch die fehlende Sicherheit hat an ihm genagt. „Aufträge für den nächsten Monat – das war immer Vertrauenssache“, sagt er. Heute ist er in psychiatrischer Behandlung, will endlich wieder nachts durchschlafen können.
„Weil ich früher viel in der Dunkelkammer gearbeitet habe, bin ich zudem körperlich krank geworden“, sagt Gerd. Sozialer Rückzug und fehlender Anschluss bei Freizeitaktivitäten waren die Folge. „So ein Cappuccino in der Stadt, das wäre schön.“
Scham und Selbstvorwürfe
Stattdessen spare er am Essen. Es gebe viel Eintopf und Nudeln. Auch mit 70 Jahren versucht er, zwischendurch den ein oder anderen Auftrag zu ergattern, um das Einkommen ein wenig aufzubessern. „Dafür, dass ich ein Leben lang gearbeitet habe, ist das kein schönes Gefühl“, sagt Gerd, der auch Schnedlers Frustrationstypus entspricht. Offen spricht er nur ungern über seine finanzielle Situation. Scham spiele eine Rolle, aber auch Selbstvorwürfe, dass er nicht anders fürs Alter vorgesorgt habe.
Das ist typisch, wie Stach beim Unterstützungsverein beobachtet. „Scham spielt immer eine Rolle. Zuzugeben, dass man mit dem Geld nicht auskommt, macht schließlich niemand gern“, sagt er.
Bei der Hilfe, die durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert wird und so unbürokratisch wie möglich sein soll, spielen Vorwürfe jedoch keine Rolle. Dass man als Solidargemeinschaft zusammenstehen müsse, dieses Verständnis habe
vor allem der kürzlich verstorbene Schatzmeister Helmut Dahlmann fest im Verein verankert. „Wir führen persönliche Gespräche, es gibt keine aufwändigen Formulare“, sagt Stach.
Billigend in Kauf genommen
Der dritte Typ nach Schnedler schließlich ist der Motivationstyp. Das sind Menschen wie Max* (Name geändert). Er habe seine Arbeit als Fotojournalist nicht als prekär wahrgenommen, eher als „mies bezahlte Berufung“, sagt er und lacht.
Ihm sei klar gewesen, dass er mit einem anderen Beruf oder anderen Auftraggebern mehr hätte verdienen können. Doch er sagt bewusst: „Wollte ich gar nicht“. Zu viel Spaß habe ihm seine Tätigkeit gemacht. In Schnedlers Studie waren vier von fünf Personen dieses Typs Frauen.
Dass man ihm eine Entfristung immer wieder in Aussicht stellte, sie aber nie kam, nahm Max für den Spaß am Job in Kauf. Nicht des Geldes wegen, sondern um noch mal etwas anderes zu machen, arbeitet er seit wenigen Jahren in einem anderen Beruf.
Immer wieder der Lokaljournalismus
Ähnlich ging es auch Lokaljournalistin Kerstin* (Name geändert). „Ich war wirklich mit Herzblut bei der Sache“, sagt sie. Dass man im Lokaljournalismus schlecht bezahlt werde, sei ein offenes Geheimnis.

Es ist kein Zufall, dass bei den prekären Fällen immer wieder Lokaljournalistinnen und -journalisten auftauchen (siehe auch Kasten „Schlechtes Verhältnis zwischen Ertrag und Aufwand“). Gerade Lokalzeitungen haben ihr Geschäftsmodell seit Jahrzehnten auf äußerst geringen Honoraren aufgebaut, sodass Aufwand und Ertrag für freie Journalistinnen und Journalisten – ob Text oder Bild – in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis stehen. Die Folge: Nur mit übergroßem Zeitaufwand ist es überhaupt möglich, mit den niedrigen Honoraren ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Neben den regionalen und lokalen Tageszeitungen gilt das auch für den Lokalfunk.
Schlechtes Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag
Das fängt an bei un- oder schlechtbezahlten Praktika, die viele zu Beginn ihrer journalistischen Berufslaufbahn machen, um Erfahrungen nachweisen zu können.
Auch, wer den Einstieg über das Lokale wählt, muss mit wenig Geld klarkommen. Das betrifft die mageren Honorare für freie Journalistinnen und Journalisten bei Lokalzeitungen. Aber seitdem viele Medienhäuser einen Großteil ihre Mitarbeitenden über tariflose Tochtergesellschaften beschäftigen, fragen sich durchaus auch angestellte Kolleginnen und Kollegen, ob sie das niedrige Gehalt auf Dauer hinnehmen oder doch lieber anderswo ihr Auskommen suchen. Ähnlich sieht es im Lokalfunk aus: kleine Honorare für Freie – und für die Angestellten Gehälter, die keine großen Sprünge erlauben.
Oft außerhalb des Fokus sind zudem kleine Agenturen oder Filmproduktionen: Auch hier stimmt das Verhältnis zwischen dem Arbeitseinsatz und der Bezahlung nicht immer. Das Gleiche gilt für Konstruktionen etwa bei Fachzeitschriften, wo Freie für ein bescheidenes Fix-Honorar ein ganzes Heft betreuen – oft über Jahre ohne Anhebung. Dass ihr Name manchmal offiziell unter „Chefredaktion“ im Impressum geführt wird, schlägt sich im Einkommen nicht nieder.
Allen aufgezählten Fällen ist gemeinsam, dass die Arbeitsbedingungen so oft anstrengend sind, dass die Kraft fehlt, – allein oder mit Anderen – für bessere Bedingungen zu kämpfen. /cbl
„Oft sind das Leute, die sich mehr oder weniger durchs Leben kämpfen und auf der Tätigkeit über die Jahre hängengeblieben sind“, hat Kerstin beobachtet, die seit Kurzem festangestellt in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Theaters arbeitet.
„Der Job bietet eben einen sehr niedrigschwelligen Einstieg in den Journalismus. Es ist ein Sprungbrett – aber dann muss man auch irgendwann abspringen“, sagt sie. Sie hatte in den Jahren der Freiberuflichkeit der Familiengründung den Vorrang vor der beruflichen Weiterentwicklung gegeben.
Honorar als Form der Wertschätzung
Ihr habe der Beruf immer Freude bereitet. „Es ist ein toller Job, ich habe mich von den Kolleginnen und Kollegen immer wertgeschätzt gefühlt“, sagt sie. Dennoch: „Dafür, dass man studiert hat, ist das schon sehr ernüchternd. Da habe ich mich von der Führungsebene oft ausgebeutet gefühlt.“ Mit Geld werde schließlich auch eine gewisse Wertschätzung der eigenen Leistung ausgedrückt – „da zweifelt man irgendwann auch an sich selbst, wenn man so wenig verdient“, sagt sie.
Einmal hat sie es – wie auch Johanna – gewagt, den Chefredakteur auf das geringe Honorar anzusprechen. Dann müsse sie woanders gucken, habe der ihr geraten.
Mit Honorarverhandlungen tun sich viele schwer, das hat auch Kerstin immer wieder gehört. Hilfreich kann es sein, faire Honorare vorab zu recherchieren – auch der DJV bietet dafür Tabellen. Das kann Rückendeckung und Argumente liefern. Wenn das Gespräch immer wieder auf Zeichen und Zeilen kommt, hilft der Hinweis auf zum Beispiel Recherchezeit, Fahrtkosten, Netzwerk und Expertise.
Wenn sich aber abzeichnet, dass die Konditionen dauerhaft untragbar sind, ist man mit einem respektvollen „Nein“ professioneller, als wenn man buchstäblich „um jeden Preis“ mitmacht.
Auf dem niedrigen Level sitzengeblieben
Dabei steigen mit den Jahren nicht nur die Lebenshaltungskosten, es kommen auch neue Fixkosten hinzu: eine höhere Wohnungsmiete, vielleicht ein Büro und ein Auto, die erforderliche technische Ausstattung, die regelmäßig erneuert werden muss, außerdem Versicherungen, die Altersvorsorge. Bewusster wird mit zunehmendem Alter auch, dass es Rücklagen braucht, etwa für den Krankheitsfall oder eine längere Auftragsflaute.
Trotz gewachsener Erfahrung und Qualifikation vermeiden Freie in dieser Situation oft Honorarverhandlungen – aus Angst, Aufträge zu verlieren, aber auch weil sie unsicher sind, ob sie im Falle des Verlustes andere finden würden, die besser zahlen.
Mit dieser Sorge sind Freie keineswegs allein. Auch Kolleginnen und Kollegen in nicht tariflich geregelten Beschäftigungsverhältnissen scheuen sich oft, bei Vorgesetzten ein Gehalt einzufordern, das ihrer Qualifikation und ihrer gewachsenen Erfahrung entspricht. Ein Teil macht sich dann einfach auf zu anderen, attraktiveren Arbeitgebern, die anderen bleiben mit zusammengebissenen Zähnen im schlecht bezahlten Job.
Das Ganze führt in einen Teufelskreis: Viel Arbeit für wenig Geld stresst und nagt am Selbstbewusstsein. Da denkt man kaum über eigene Stärken und Schwächen nach und darüber, wie man sich besser selbst positionieren kann („Wieviel Unternehmertum braucht es?“).
Für Weiterbildungen oder ein Coaching fehlen die Mittel und auch die Zeit. Es wird immer schwieriger, den Mut aufzubringen und nach neuen Aufträgen oder einem besseren Job zu suchen. Und der Blick auf die Renteninformation offenbart winzige Monatsbeträge, die im Alter kaum zum Leben reichen werden. Zusätzliche Altersvorsorge, um die Rentenlücke zu schließen? Unter diesen Bedingungen oft Fehlanzeige. Das heißt: Wer nicht rechtzeitig einen Absprung findet, hat auch langfristig keine guten Perspektive./cbl
Journalistische Qualität sinkt
Den Preis für prekäre Arbeitsverhältnisse zahlen nicht nur einzelne Journalistinnen und Journalisten in ihrem Lebensalltag, der sie auch in einen Burn-out bringen kann (siehe dazu auch „Breaking News. Wir sind am Ende“). Auch die Gesellschaft ist betroffen, denn damit gerät die Qualität der journalistischen Produkte unter Druck.

„Ich habe dann am Ende natürlich so schnell wie möglich gearbeitet, damit der Stundenlohn steigt“, sagt auch Kerstin. Damit sinke die Qualität. Das sieht auch Studienautor Schnedler so. In seiner Dissertation schreibt er: „Prekäre Arbeit ist nicht nur ein Nischenproblem am Rand der Profession, sondern betrifft auch den Kern des Journalismus in Deutschland.“ Auch auf das Qualitätsproblem macht er mit einem einprägsamen Satz aufmerksam: „If you pay peanuts, you get monkeys.“
Im Interview mit dem Deutschlandfunk hat Schnedler die Gefahr weiter ausgeführt, dass Journalismus zunehmend zu „einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss“. Dies würde „zu einer großen Schieflage im Beruf“ führen, warnte er, weil sich bestimmte Wahrnehmungen und Erfahrungen im Berufsstand nicht mehr wiederfänden.
An einem Strang ziehen
Was schafft Abhilfe? Über Geld reden, schlechte Auftraggeber besser schnell aussortieren und Honorare gut verhandeln, sind die üblichen Ratschläge. Das ist einfacher gesagt als getan. „Es muss sich viel ändern. Der gesellschaftliche Wert muss deutlicher besser transportiert werden, und vor allem die Arten der Beschäftigung, wie etwa als Pauschalist oder feste Freie, müssen sich ändern. Erfahrung muss bei der Bezahlung eine Rolle spielen“, sagt Johanna.
Wer in den Beruf einsteige und unbedingt Fuß fassen wolle, reflektiere vielleicht noch nicht, dass er damit, dass er niedrige Honorare akzeptiert, der gesamten Branche schadet. „Da braucht es Aufklärung“, sagt Johanna, „und wir müssen alle an einem Strang ziehen“.
Deswegen rät Frank Stach eben doch, über Themen wie Gehalt und Honorar zu sprechen, mit Kolleginnen und Kollegen zu diesen Themen in den Austausch zu gehen. „Auch Fortbildungsangebote zu nutzen und sich neue Gebiete zu erschließen, ist ein Schutz vor prekärer Arbeit“, betont er. Dazu zählen auch Workshops, in denen man lernt, wie ein angemessenes Honorar kalkuliert wird, und Gehalts- und Honorarverhandlungen trainiert. ||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/25, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Spetember 2025.