Einst waren die Borbecker Nachrichten die auflagenstärkste lokale Kauf-Wochenzeitung in Deutschland – unabhängig, vielgelesen und preisgekrönt. Nun stellt die Funke Mediengruppe die Heimatzeitung ein. Bereits seit 1986 ist der Konzern am Verlag der Borbecker Nachrichten beteiligt, seit 2000 besitzt der Konzern 100 Prozent der Anteile. Benannt ist die Zeitung nach dem Essener Stadtteil Borbeck. Unter Leitung von Susanne Hölter erschien sie Freitags im Abonnement und als Kaufzeitung.
Mit der Ausgabe am 31. August kommt der Schlussstrich. „Das wird ein trauriger Tag für die lokale Informationsvielfalt“, bedauert der Vorsitzende des DJV-NRW, Frank Stach. Trotz der zum Schluss geschrumpften Auflage sei die Wochenzeitung doch ein Symbol für lokale Vielfalt, erklärte er. Während die Auflage Anfang der 1980er Jahre noch deutlich stieg, hat die Zeitung in den vergangenen 20 Jahren mehr als 83 Prozent ihrer verkauften Auflage und 77 Prozent ihrer Abonnenten verloren – von 15.210 verkauften Exemplare auf 2.531.
„Wir mussten in den vergangenen Jahren mit ansehen, wie heftig die Auflage gesunken ist. Das hat auch mit der Übernahme durch die Funke-Gruppe zu tun“, sagt Horst Röper vom Dortmunder Medienforschungsinstituts FORMATT. Sublokale Heimatzeitungen als Kauf-Wochenzeitung gibt es heute kaum noch. „Das war mal anders, in den Hochzeiten dieser Gattung in den 1970er Jahren. Um 1980 gab es noch rund zwanzig Titel – alleine in NRW“, erklärt der Wissenschaftler.
Neben den Werdener Nachrichten, der Schwesterzeitung der Borbecker, und dem Kevelaerer Blatt gilt die Gattung als nahezu ausgestorben. Röper: „Als diese Zeitungen gegründet wurden, waren die Stadtteile noch deutlich eigenständiger und die Heimatpostille besonders wichtig. Als wir Anfang der 1990er Jahre den Medienatlas NRW erstellt haben, eine Studie im Auftrag der Landesregierung NRW, lobten wir die Borbecker in den höchsten Tönen. Sie war immer etwas Besonderes; alle anderen Zeitungen dieses Typs waren redaktionell bei weitem nicht so stattlich.“
Gegründet wurde das Blatt 1949 von Wilhelm Wimmer, der in den 1920er Jahren beim Borbecker Lokal-Anzeiger gearbeitet hatte und nach dem Krieg die Lizenz der Alliierten für eine eigene Zeitung erhielt. 1953 übernahmen die beiden Söhne die Wochenzeitung und erwarben 1959 zudem die Werdener Nachrichten. Sie ist die älteste Zeitung des Ruhrgebiets, gehört heute ebenfalls zu Funke – und soll erhalten bleiben, erklärt zumindest Funke-Unternehmenssprecher Dr. Tobias Korenke.
1998, als die Borbecker Nachrichten noch weitgehend unabhängig waren, sammelten zwei Bürgerinitiativen gut 17.000 Unterschriften für den Erhalt der beiden Zeitungen. Zwei Jahre später gingen in Essen sogar mehrere Tausend für ihre Zeitung auf die Straße. „Die Borbecker jetzt einzustellen ist eine Katastrophe, denn sie war und ist wichtig für den Stadtteil und den gesamten Stadtbezirk. Dass so etwas in der Ferienzeit passiert? Das ist Taktik, sich möglichst unauffällig aus der Affäre ziehen zu wollen. Ich sehe darin Feigheit. Feigheit vor den Lesern und vor der Öffentlichkeit im Allgemeinen. Wahrscheinlich verbunden mit Brutalität. Denn mit einer großzügigen Regelung für die Mitarbeiter kann man sehr gut an die Öffentlichkeit treten“, sagt Andreas Koerner, der viele Jahren die örtliche Bibliothek leitete und so etwas ist wie das Borbecker Gedächtnis. Für die mäßige Entwicklung der Zeitungen im Ruhrgebiet macht er das „Funke-Monopol“ verantwortlich.
Von der Einstellung der Borbecker Nachrichten sind drei fest angestellte und zahlreiche freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. „Für sie muss der Konzern Lösungen zur Weiterbeschäftigung in anderen Titeln anbieten“, fordert Frank Stach. Auf die Freien möchte Unternehmenssprecher Korenke nicht eingehen. Was die Festangestellten angeht, betont er: „Mit den Redakteuren bei den Borbecker Nachrichten ist der Verlag im Gespräch und versucht gemeinsam Lösungen zu finden.“ ||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/18, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2018.