THEMA | Roboterjournalismus

Journalism of Things: Wenn Sensoren Geschichten schreiben

17. Dezember 2019, Bettina Blaß

Der bekannte Befehl „Alexa, schalte das Licht ein“ ist ein typisches Beispiel für das sogenannte Internet der Dinge oder Internet of Things (IoT), wie es im Englischen heißt. Dabei sind Amazons Smartspeaker Echo und eine Lampe oder auch nur eine Glühbirne über das hauseigene WLAN sowie die Cloud und eine zugehörige App auf dem Smartphone miteinander verbunden. Auf diese Art können sie miteinander kommunizieren.

„Darüber schreiben wir als Journalisten oft“, sagt der Wissenschaftsjournalist Jakob Vicari. „Und häufig auch ziemlich begeistert. Aber nur selten kommen wir auf die Idee, diese Technologien auch für unsere Arbeit als Journalisten zu benutzen.“ Darum hat Vicari mit einigen Kollegen im Mai bei der re:publica, einer der größten Digitalkonferenzen in Europa, das Manifest für einen Journalismus der Dinge (JoT) vorgestellt (https://github.com/journalismofthings/manifesto). Seither gibt er Seminare zum Thema, hält Vorträge, hat ein Buch über JoT geschrieben und im November die erste Konferenz dazu in Stuttgart organisiert. „Im Prinzip“, so erklärt Vicari, ist der Journalismus der Dinge „die Weiterentwicklung des Sensorjournalismus. Und der wiederum ist eigentlich die Weiterentwicklung von Datenjournalismus“.

Der Unterschied: Beim Datenjournalismus nutzen Journalisten die Daten, die ihnen zur Verfügung stehen, und sie trauen ihnen. Beim Sensorjournalismus erheben sie diese Daten selbst – insbesondere Daten, die es bisher nicht gibt. Beispiele gibt es dafür einige: Der Tagesspiegel hat bei seinem Projekt Radmesser (https://interaktiv.tagesspiegel.de/radmesser/) mit selbstgebauten Sensoren untersucht, ob der Abstand der Autos zu den Fahrradfahrern in Berlin ausreichend ist. Die Stuttgarter Zeitung hat für ihren Feinstaubarlarm (siehe auch „Der Kollege ist ein Roboter“) Leser animiert, sich einen Feinstaubsensor zu bauen und aufzuhängen. Diese Daten fließen in die Karte im Netz ein (https://www.stuttgarter-zeitung.de/feinstaub).

Auch der WDR arbeitet im Bereich Sensorjournalismus: Das Projekt Superkühe von 2017 (https://www1.wdr.de/verbraucher/ernaehrung/superkuehe/index.html) gehörte ebenso dazu wie #bienenlive im Sommer 2019 (https://bienenlive.wdr.de/linda/daten/), das jüngst vom Reporter-Forum mit dem Reporterpreis in der Kategorie Multimedia ausgezeichnet wurde. Bei #bienenlive hatte das WDR-Team Daten an, von und mit Bienen gesammelt und live im Internet veröffentlicht. So konnte sich jeder selbst ein Bild davon machen, wie sich beispielsweise das Gewicht des Bienenstocks täglich veränderte. Zusätzlich zu diesem automatisch veröffentlichten Inhalt haben die Journalisten noch viele weitere Geschichten rund um die Bienen veröffentlicht – immer auf Grundlage der gewonnen Daten.

„Sensoren sind günstig“, sagt Jakob Vicari. „Sie sind einfach zugänglich. Und wir können damit transparent den Rezipienten erklären, wie wir arbeiten. So kann es dem Journalismus gelingen, das Vertrauen zurückzugewinnen, das in den vergangenen Jahren verloren ging“. Wichtig sei allerdings, dass Redaktionen nicht ein einmaliges Leuchtturmprojekt mit Sensoren machten, sondern diese regelmäßig für ihre Berichterstattung einsetzten. Außerdem könne man so sowohl die eigene Interpretation der Daten als auch die gesamte Datenmenge zur Verfügung stellen. „Vielleicht wird der Leser sie anders interpretieren als der Journalist“, meint Vicari. „Dann kann man sich darüber austauschen.“

Wer mehr über Journalismus der Dinge wissen will, findet Jakob Vicari zum Beispiel bei den Riff Reportern: https://www.riffreporter.de/journalismus-der-dinge/


Ein Beitrag aus JOURNAL 6/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2019.