Die Lektüre des Koalitionsvertrags hat mich enttäuscht. Die neue Bundesregierung gibt keine Antwort darauf, wie sie den Verlust der Pressevielfalt auffangen will. Dabei legen die Koalitionäre mit der Analyse in ihrer Präambel den Finger in die Wunde: „Auch gilt es, gesellschaftliche Spannungen in Zeiten des schnellen Wandels zu reduzieren und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. (…) Sie braucht eine vielfältige Kultur und Medien.“ Wie aber die Vielfalt strukturell gesichert werden kann, darauf gibt das 178 Seiten starke Papier dann keine Antworten.
Im Kapitel „Kultur- und Medienpolitik“ gibt es nichts Konkretes – außer dem Bekenntnis, dass freie und unabhängige Medien in einer Demokratie unverzichtbar seien. Das Versprechen einer flächendeckenden Versorgung mit periodischen Presserzeugnissen, einen Absatz weiter, bleibt lieber vage. Auch wird kein Wort darüber verloren, wie etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter ausgestaltet werden kann und wie er sich entwickeln soll.
Aus der Vogelperspektive des Bundes scheint ja noch alles in Ordnung. ARD, ZDF, private Fernseh- und Hörfunkstationen, überregionale Tageszeitungen und Zeitschriften, Nachrichtenagenturen und Onlineplattformen suggerieren, dass es mit dem Journalismus rund läuft. Allerdings ist Grünen, Gelben und Roten wohl völlig aus dem Blick geraten, dass in Städten, Kreisen und Gemeinden ein erheblicher – demokratiegefährdender – Rückzug von Journalismus stattgefunden hat und weiter stattfindet. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, wie Korruption, Vetternwirtschaft und Demokratieverachtung überall dort einziehen, wo journalistische Vielfalt geschwächt ist.
Der DJV hat gute Vorschläge für die Zukunft des systemrelevanten Journalismus entwickelt und wie Vielfalt und neue Geschäftsmodelle für Journalistinnen und Journalisten gefördert werden können. Als Berufsverband werden wir alles dafür tun, dass wir im politischen Tagesgeschäft der neuen Bundesregierung Gehör finden. Was bleibt, ist allerdings die Enttäuschung, dass die Ampel beim wichtigen Thema publizistische Vielfalt gerade keinen Fortschritt wagt.||
Ein Kommentar aus JOURNAL 6/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2021.