Anne Otto ist Diplom-Psychologin und Coach in Hamburg und arbeitet als freie Journalistin und Buchautorin („Woher kommt der Hass? Die psychologischen Ursachen von Rechtsruck und Rassismus“).
JOURNAL: Frau Otto, wie schaffe ich es, mich von negativem Feedback auf meine Arbeit nicht herunterziehen zu lassen? Wie reagiere ich am besten?
Anne Otte: Angegriffen fühlt sich in so einer Situation sicherlich jede Person. Je nachdem, von wem das Feedback kommt und wie wichtig das Werk ist, kommen verschiedene Gefühle auf. Bei sehr wichtigen Themen oder bei Menschen, von denen man sich mitunter gegängelt fühlt oder Macht eine Rolle spielt, ist man schneller angefasst. Diese Gefühle sind normal und eine kleine persönliche Kränkung, die man erst mit sich selbst klären muss. Jegliche undiplomatische, emotionale und beleidigte Reaktion ist kontraproduktiv. Eine gute Taktik ist, die Kritik nicht sofort zu parieren und dem ersten Impuls nachzukommen, sondern zunächst runterzukommen. Die sachliche E-Mail geht dann erst am nächsten Tag raus. Was die konkrete Kritik angeht, gilt es zu unterscheiden: Was ist gemäß Briefing nachvollziehbar, was ist unberechtigt? Was genau passt nicht? Wenn viel kritisiert wird, empfiehlt sich ein klärendes Telefonat. Freischaffende sollten bei Mehraufwänden eine Erhöhung des Honorars ansprechen.
JOURNAL: Wie gehe ich damit um, wenn ich das Gefühl habe: Es geht gar nicht um eine inhaltliche Kritik, sondern die Person hat ein persönliches Problem mit mir oder möchte sich profilieren?
Anne Otte: Nicht die Spielchen mitmachen, sondern sich zurücknehmen. Dem anderen einerseits Futter geben und mal für einen Vorschlag loben, auf der anderen Seite aber auch klare Grenzen ziehen.
JOURNAL: Welche Ziele sollte man bei der Reaktion auf Kritik im Kopf haben? Die Beziehung zur Kontaktperson soll sich durch das Kritikgespräch ja nicht verschlechtern …
Anne Otte: Erstens: Alles, was auf die Arbeitsbeziehung einzahlt und sie aufrechterhält, muss geschützt sein. Und dann gibt es eine Grundidee, warum man einen bestimmten Text geschrieben hat und was man mit ihm aussagen möchte. Auf der Sachebene diese Grundthese zu verteidigen ist Punkt zwei. Das dritte Ziel sollte der Wunsch zu lernen sein. Wenn man von unterschiedlichen Stellen für das Gleiche kritisiert wird, liegt es im Zweifel an mir selbst. Und es stellt sich die Frage: Wo könnte ich mich verbessern? Der letzte Punkt: Setzen Sie im Vorfeld mehr Zeit in das Briefing! Das ist das A und O. Wenn es hinterher Abweichungen gibt, hat man immer eine handfeste Diskussionsgrundlage.
JOURNAL: Vielen Dank für das Gespräch.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2022.