Das Medienhaus Aachen plant, Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten zusammenzulegen, Parallel verabschiedet sich das Aachener Medienhaus endgültig aus der Tarifbindung.
Seit Herbst 2021 war bekannt, dass die europäische Mediahuis-Gruppe mit Sitz in Belgien die Mehrheit an der Aachener Verlagsgesellschaft (AVG) übernehmen wollte (siehe JOURNAL 5/21). Zum Jahresbeginn hat Mediahuis diesen Schritt vollzogen und damit die Mehrheit an der Medienhaus Aachen GmbH übernommen. Mitte August verkündete die Geschäftsführung im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung dass das Unternehmen aus dem Tarif aussteige und dass die Aachener Nachrichten eingestellt werden. Damit verschwindet Deutschland erste Nachkriegszeitung (siehe Kasten) vom Markt. Personelle Auswirkungen solle es dabei nicht geben, hieß es.
Ein Stück deutscher (Zeitungs-)Geschichte
Für die Aufgabe wählten die Amerikaner zwei vom Nationalsozialismus Unbelastete: den Drucker Heinrich Hollands und den Journalisten Otto Pesch, die zunächst unter Aufsicht und strenger Zensur arbeiteten. Am 8. Mai 1945 setzte Otto Pesch eigenhändig die berühmte Schlagzeile: „Der Krieg ist aus!“ Die Lizenz für die Aachener Nachrichten erhielt am 27. Juni 1945 Heinrich Hollands, der damit Herausgeber wurde. Erster Redakteur wurde Otto Pesch.
Otto Pesch, der einer Drucker- und Verlegerfamilie in Rheydt entstammte, war später ein Mitbegründer des Rheinisch-Westfälischen Journalisten-Verbands (RWJV, dem Vorläufer des DJV-NRW) und leitete viele Jahre den Bezirksverein Aachener Presse als Vorsitzender. Anlässlich seines Todes am 31. Oktober 2007 veröffentlichte das JOURNAL Anfang 2008 eine ausführliche und detailreiche Würdigung seiner Person.
Langjähriger Sparkurs
Schon lange verfolgte das Medienhaus Aachen einen harten Sparkurs: Aachener Nachrichten und Aachener Zeitung waren bereits seit den 1970er Jahren wirtschaftlich verbunden und näherten sich seit 2003, unter anderem mit der Zusammenlegung der Lokalredaktionen, auch inhaltlich immer weiter an. 2018 wurden auch die bis dahin noch eigenständigen Stadtredaktionen verschmolzen. Seitdem erschienen die beiden Aachener Blätter zwar in unterschiedlichem Layout, aber mit annähernd gleichem Inhalt.
Mit den nun angekündigten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen in der AVG sollen künftig alle Journalistinnen und Journalisten ohne Tarif bei der Medienhaus Aachen GmbH arbeiten. Schon bisher waren mehr als die Hälfte der rund 150 Mitarbeitenden bei der tariflosen Medienhaus Aachen Content GmbH beschäftigt.
Der DJV-NRW steht betroffenen Mitgliedern zur Seite und rät ihnen wie immer in solchen Fällen nachdrücklich, sich nicht leichtfertig zur Unterzeichnung eines neuen, schlechteren Vertrags drängen zu lassen.
Die Folgen werden spürbar sein
Nach Bekanntwerden der geplanten Tarifflucht machte Kristian van Bentem, stellvertretender Landesvorsitzender des DJV-NRW, deutlich, dass die Folgen dieser Entscheidung nicht nur in der Belegschaft zu spüren sein werden, sondern auch im Blatt. Der Geschäftsführung sei wohl nicht bewusst, dass nach dem Sparkurs der vergangenen Jahre und der geplanten Abkehr vom Tarif künftig „wohl kaum jemand den Berufsweg zur Aachener Zeitung einschlagen“ werde.
Ein Problem, das die AVG in Aachen mit anderen NRW-Medienhäusern teilt, die aus dem Tarif geflüchtet sind, wie etwa zum 1. Januar 2021 die Westfalen-Blatt-Gruppe in Bielefeld. Untertarifliche Bezahlung wird es Redaktionen zunehmend erschweren, gute Nachwuchskräfte zu gewinnen und sie auch an sich zu binden.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2022.