Auf den ersten Blick ein normaler Deal, den ein Medienhaus heutzutage macht: Die Funke Mediengruppe veräußert knapp die Hälfte ihres Österreichgeschäfts an den Multimilliardär René Benko. Dessen Signa Holding übernimmt 49 Prozent an der WAZ Ausland Holding GmbH, die wiederum 50 Prozent am Boulevardtitel Kronen Zeitung und 49,5 Prozent an der Tageszeitung Kurier hält. Die Vereinbarung muss von den Kartellbehörden freigegeben werden. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.
Auf den zweiten Blick stellt sich die Frage, was sich beide Seiten von dem Geschäft versprechen – jenseits des Wortgeklingels der Pressemitteilung. Funke freut sich über den „starken Partner“, mit dem man die Marken „mit neuer Kraft und Dynamik“ weiter entwickeln und digitalisieren will. Signa, bisher im Bereich Immobilien und Handel tätig, sieht den Einstieg ins Mediengeschäft als Schritt, „einer der führenden Multichannel-Anbieter in Europa zu werden“.
Fragen zur Unabhängigkeit
Was der Einstieg publizistisch für die beiden Zeitungen bedeutet? Bisher bleibt es bei Mutmaßungen, wie weit Benko auch in Alltagsgeschäft hineinregieren könnte oder wollte. In Sachen Unabhängigkeit lässt es allerdings wenig Gutes erwarten, dass Benko dem Spiegel zufolge gegenüber Medien per Anwalt eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts geltend macht, wenn sie über eine frühere Verurteilung schreiben.
Eine weitere Frage drängt sich auf: Ist es Benkos Ziel, die beiden Blätter ganz zu übernehmen? Und anders gesagt: Macht Funke das Geschäft, um auf Dauer in Österreich engagiert zu bleiben oder um sich im nächsten Schritt ganz von dort zurückzuziehen? Mit dem Teilverkauf schrumpft das Auslandgeschäft des Essener Konzern jedenfalls weiter, das mit Printbeteiligungen in Osteuropa zeitweilig ein starkes Standbein war, bis 2010 der Rückzug begann. Begonnen hatte die Expansion der damaligen WAZ-Gruppe 1987 mit dem Einstieg bei der Kronen Zeitung, wenig später beim Kurier.
Erbitterter Machtkampf
Während beim Kurier mit dem Hauptgesellschafter Raiffeisen Gruppe alles in ruhigen Bahnen lief, wurde über den Verkauf der Krone-Anteile schon spekuliert, als die WAZ-Gruppe noch auf Auslandsexpansion setzte. Der Grund: ein jahrzehntelanger Machtkampf mit der Gründerfamilie Dichand, der zeitweilig erbittert in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde – in den Medien und vor Gericht. Dabei ging es unter anderem um eine satte garantierte jährliche Ausschüttung – unabhängig vom Ergebnis – und um weitere Vorrechte für die Dichands, die beide Seiten 1987 beim Einstieg der WAZ in den Gesellschaftervertrag geschrieben hatten.
Trotz gleich starker Anteile bestimmte allein Hans Dichand als Hauptgeschäftsführer den Kurs des Boulevardblatts. Gegen den Willen der WAZ-Gruppe ernannte er 2001 seinen Sohn Christoph Dichand zum Chefredakteur und zwei Jahre später zum Nachfolger. Auf die Spitze getrieben wurde der Streit, als der zweite Dichand-Sohn Michael der WAZ unsaubere Verbindungen auf dem Balkan vorwarf. Er ging auch in persönlichen Clinch mit dem damaligen WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach, unterlag aber schließlich vor Gericht.
Nach dem Tod des Patricharchen Hans Dichand 2010 erklärte die WAZ-Gruppe, die Anteile nun halten zu wollen. Aber österreichische Medien mutmaßten immer wieder über Verkaufsabsichten – in zwei Varianten. So hieß es einerseits, Funke versuche, die Anteile komplett an Dritte zu verkaufen. Andererseits soll die Familie Dichand ein Vorkaufsrecht haben und wiederholt versucht haben, der WAZ- bzw. Funke-Gruppe ihren 50-Prozent-Anteil an der Krone abzukaufen. Gescheitert sei diese Vorhaben an deutlich unterschiedlichen Preisvorstellungen.
Ob das Vorkaufsrecht mit der Veräußerung des Minderheitenanteils verletzt wird oder nicht, könnte Stoff für künftige Schlagzeilen und vor allem Prozesse liefern. Ein österreichisches Wirtschaftsportal will schon kurz nach Bekanntwerden der Partnerschaft zwischen Funke und Signa wissen, dass die Dichands klagen wollen und versuchen werden, die Funke-Gruppe endgültig aus dem Unternehmen zu drängen.
Erst einmal haben die Essener aber neue Verhältnisse geschaffen, indem sie Benko ins Boot holen. Die Verhandlungen sollen nach Informationen des Handelsblatts nur vier Wochen gedauert haben.
Profitabel und einflussreich
Neben dem mutmaßlichen Vorkaufsrecht für die Dichands mag es weitere Gründe dafür geben, dass Funke sich nicht ganz von seinem Österreichgeschäft trennen will: Beide Zeitungen gelten als profitabel und auch politisch einflussreich. Beobachter mutmaßen zudem, dass der neue Miteigner nun Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen zwischen den Krone-Eignern bringen könnte. Immerhin ist Benko selbst einflussreich, sein Unternehmen ein großer Anzeigenkunde der beiden Blätter, und als der Investor hat er sich einen Namen damit gemacht, bestehende Verhältnisse gründlich aufzumischen. Man könnte ihm mehr Einfluss zutrauen, als es die Anteile (24,5 Prozent Krone, 24,22 Prozent Kurier) nahelegen. Mit ihm an der Seite ließe sich möglicherweise sogar etwas am schmerzhaften Gesellschaftervertrag ändern? Immerhin galt er bisher als Freund von Christoph Dichand. Diese Freundschaft könnte allerdings die längste Zeit gedauert haben, wenn stimmt, was wie in österreichischen Medien kolportiert wird: Dass er seine Investition unabgesprochen getätigt habe – während Dichand Jr. in Urlaub und der festen Überzeugung gewesen sei, man habe endlich einen Weg zur Übernahme der WAZ-Anteile gefunden.
Nicht zuletzt dürfte Funke darauf setzen, von Benkos Know-how „in der Transformation starker Marken“ zu profitieren. Die Digitalisierung löse die Grenzen zwischen traditionellen Geschäftsmodellen auf, „Handel, Information und Unterhaltung, aber auch das Wohnen und Arbeitswelt“ seien nicht mehr zu trennen, erklärt Benko in der gemeinsamen Pressemitteilung. Signa investiere „strategisch in Geschäftsmodelle, die breite Konsumentenschichten mit außergewöhnlichen Produkten und Leistungen überzeugen und ihre zukünftigen Bedürfnisse in der analogen wie der digitalen Welt ganzheitlich abbilden“.
Onlinehandel statt Journalismus?
Mit Zeitungmachen (ob auf Papier oder im Netz) und mit Journalismus hat das herzlich wenig zu tun, dafür umso mehr mit Content-Marketing und digitalem Verkaufen. Ein Partner mit solchem Know-how könnte sich als wertvoll erweisen, wenn ein Regionalzeitungskonzern sich nach und nach von der publizistischen Idee und der gesellschaftlichen Rolle des tagesaktuellen Journalismus verabschiedet und statt dessen darauf schielt, ein schönes Marketingumfeld für Produkte zu erstellen.
So gesehen ist es ja vielleicht doch ein ganz normaler Deal, den ein Medienhaus heutzutage macht.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 6/18 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2018.