MEDIENSZENE NRW

Ärger um „Menschen hautnah“

20. Februar 2019, red.

Widersprüchliche Jahreszahlen und Altersangaben, unterschiedliche Namen für die gleichen Personen: Im Januar geriet die renommierte Dokureihe „Menschen hautnah“ in schlechtes Licht: Drei Folgen der Reihe, die Menschen und ihre Schicksale besonders authentisch zeigen will, enthielten offensichtliche Ungereimtheiten. Denn als „Ehe aus Vernunft – geht es wirklich ohne Liebe?“ ausgestrahlt wurde, fiel auf, dass sich manches mit den Filmen „Heimliche Liebe – Mein Leben als Geliebte“ (Erstausstrahlung im November 2014) und „Liebe ohne Zukunft? Heimliche Affären und ihre Folgen“ (Dezember 2016) überschnitt und zugleich widersprach.

Alle drei Filme stammten von der gleichen Autorin, die eine Frau („Manuela“) über mehrere Jahre begleitet hatte. Im Film von 2014 war sie die Geliebte eines verheirateten Mannes, zwei Jahre später wird sie als „Rückkehrerin“ in die Beziehung zum Ehemann gezeigt. In der jüngsten Doku taucht sie mit ihrem Mann als eines der Paare zum Thema „Ehe aus Vernunft“ auf. Nach genauer Sichtung der drei Dokus zeigte sich, dass die Angaben zum Alter und zur Dauer der Ehe nicht stimmig waren. Zudem wurde nicht immer kenntlich gemacht, wenn die Protagonisten unter fiktiven Namen auftauchten.
Zweifel kamen bei der dritten Doku auch zu einem weiteren Paar auf („Sascha und Tanja“): Denn der Protagonist, Sascha Mahlberg, trat in den vergangenen Jahren in zahlreichen Scripted-Reality-Formaten, Fernsehbeiträgen und Shows auf. Zwar handele es sich um eine reale Beziehung, ließ der WDR nach seiner Prüfung wissen. Die Gefühlslage sei jedoch zugespitzt und verzerrt dargestellt worden.

Menschen hautnah | screenshot
Menschen hautnah | screenshot

Der Film wurde aus der Mediathek entfernt. Die WDR-Fernsehchefredakteurin Ellen Ehni erklärte: „Das Vertrauensverhältnis zur Autorin ist zerstört. Deshalb werden wir sie ab sofort nicht mehr beauftragen.“

Während der WDR die Autorin allein für Fehler und Ungenauigkeiten verantwortlich macht, sieht diese auch die Redaktion in der Pflicht. Zwar räumte sie gegenüber der Süddeutschen Zeitung eigene Unachtsamkeit ein. Aber dass der Zusammenhang zwischen den drei Filmen nicht immer deutlich werde, sei nicht allein ihr Fehler, sondern auch der der Redaktion.

Aus ihrer Sicht sei es zudem üblich, Protagonistinnen und Protagonisten für Reportagen und Dokumentationen über Datenbanken wie komparse.de zu suchen. Über diese Kompar-senvermittlung können Sender, Filmproduktionen und freie Autorinnen und Autoren Statisten für fiktionale Filme, aber auch Protagonisten für Dokus finden.
Ehni kündigte an, die Redaktion werde bei „Menschen hautnah“ künftig genauer hinschauen. So werde das Vieraugen-Prinzip und die Gegenrecherche ausgeweitet. Zudem sollen die Kriterien für die Suche nach Betroffenen zum jeweiligen Thema präzisiert werden. „Wir müssen dafür Sorge tragen, unseren eigenen hohen Standards zu entsprechen“, sagte Ehni.

Tatsächlich hatte sich herausgestellt, dass nicht nur Sascha Mahlberg, sondern ein weiterer Protagonist über eine Komparsen-Website gewonnen wurde. Dieses Vorgehen sei für ein dokumentarisches Format wie „Menschen hautnah“ nicht akzeptabel, erklärte Ellen Ehni.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/19 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2019.