Mein Name ist Alend Scheikhi. Ich bin 26 Jahre alt, stamme aus Syrien und studiere derzeit Crossmedia am SAE College in Köln. Neben meinem Studium arbeite ich als Multimedia-Journalist und als freiberuflicher Videojournalist mit vielen Produktionsfirmen und Sendern zusammen und für den syrischen Radiosender Arta FM.
JOURNAL: Was ist Arta FM und was machst Du da?
Scheikhi: Arta FM ist das erste und einzige syrische Radio, das in vier Sprachen sendet: Kurdisch, Arabisch, Syrisch und Armenisch. Das sind die Sprachen, die von den Menschen in den nördlichen Regionen Syriens gesprochen werden.
Es ist eines der wenigen Medienunternehmen in Syrien, die effektiv daran arbeiten, die Beziehungen zwischen den verschiedenen zivilen Gruppen in der Region zu verbessern.
Arta FM hat ein Büro in Bochum. Dort sprechen wir über die syrische und kurdische Community hier, über ihre Aktivitäten und die Themen, die sie als Geflüchtete in Deutschland und Europa interessieren. Ich drehe und berichte und habe auch von 2018 bis 2020 eine kurdischsprachige Nachrichtensendung aus dem Studio in Bochum moderiert.
Arta FM
Das Radio sendet auch im Internet und im Nilesat-Satellitennetz als Visual Radio.
JOURNAL: Für dein Studium hast Du einen Film gedreht. Wie heißt er und worum geht es in dem Film?
Scheikhi: Es ist eine Reportage mit dem Titel „Aus der Dunkelheit syrischer Gefängnisse nach Deutschland“ und erzählt die Geschichte von Shappal Ibrahim, einem syrisch-kurdischen politischen Aktivisten. Die Reportage wurde aus dem Kurdischen ins Arabische, Deutsche und Englische übersetzt und ist jetzt schon auf YouTube zu sehen. Ibrahim berichtet von seinem politischen Aktivismus zu Beginn der syrischen Revolution, von seiner Verhaftung durch das Regime und seiner Zeit im Gefängnis. Er wurde verhaftet und nur wegen seiner politischen Meinung und seiner Opposition gegen das kriminelle Regime schwerst gefoltert.
JOURNAL: Wie gehst Du mit deinen Gefühlen um, die solche Geschichten auslösen?
Scheikhi: Die Arbeit an einer solchen Reportage ist auch für die Journalistinnen und Journalisten selbst eine psychische Folter. In diesem Fall besonders: Denn der Held in der Geschichte ist auch mein Freund. Ich besuche seine Familie oft und wir sehen uns häufig. Denn auch davon erzählt die Reportage: Von seinem Leben hier in Deutschland, von seiner Integration in die deutsche Gesellschaft. Aus Sicherheitsgründen konnten wir aber zum Beispiel nicht über seinen Wohnort oder seine genaue Arbeitsstelle sprechen.
Die Arbeit an seiner Geschichte war nie einfach.
JOURNAL: Die Reportage wird bald auf einem Festival gezeigt. Was ist das für ein Festival?
Scheikhi: Das ist ein jährliches Festival für SAE-Colleges auf der ganzen Welt, bei dem Studierende und Alumni ihre Arbeit teilen.*
JOURNAL: Welche Erinnerungen hast Du an Syrien?
Scheikhi: Ich bin in der Stadt Al-Hasaka im Nordosten Syriens geboren und habe zwei Jahre Englische Literatur an der Universität Damaskus studiert. Das Schlimmste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf meinem Bett im Studentenwohnheim im sechsten Stock lag und die Bombardierung anderer Stadtteile von Damaskus beobachtete. Aus diesen Stadtteilen stieg Rauch auf, nur wenige Kilometer von uns entfernt.
In Damaskus habe ich damals keinen Abschluss gemacht, weil ich nach Deutschland geflohen bin. Mitte 2015 bin ich in Dortmund angekommen. Nach einer 15-tägigen Reise von der türkisch-syrischen Grenze nach Istanbul, von der Türkei nach Griechenland, per Schlauchboot, zu Fuß in andere Länder, mit Zügen und Bussen, durch Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich, bis ich in Deutschland ankam. Ich war Student, als es anfing, und jetzt bin ich Journalist in Deutschland. Es ist viel Zeit vergangen. Aber um ehrlich zu sein, in den zehn Jahren Krieg in Syrien haben wir viele unserer Gefühle verloren.
JOURNAL: Woran arbeitest Du gerade?
Scheikhi: Mittlerweile arbeite ich zum Beispiel bei einer Produktionsfirma als Kameramann, die für die arabische Sektion der Deutschen Welle die Sendung „Weil ich eine Frau bin“ in Deutschland und Europa dreht.
Die Arbeit für ein internationales Nachrichtenmedium wie die Deutsche Welle ist ein sehr wichtiger Schritt in meiner Karriere. Begonnen habe ich bei der Onlineredaktion, dann war ich beim Radio und jetzt beim Fernsehen.
Momentan konzentriere ich mich auf mein Studium und vor allem auf die Abschlussprüfung. Dazu bin ich derzeit auf der Suche nach einer Festanstellung, denn in Zukunft möchte ich noch mehr für deutsche Medien arbeiten. ||
Die Reportage ist auf YouTube abrufbar:
https://www.youtube.com/watch?v=kwVcTlnbzQs&t=65s.
*Ergänzung: Das Festival ist im Oktober 22 nach Erscheinen der Druck-Ausgabe des JOURNALS veranstaltet worden. Mittlerweile steht fest, dass sich Alend Scheikhi gegen die Konkurrenz durchsetzen konnte und in der Kategorie „Best Content Creation Project“ bei den SAE Awards 2022 als Gewinner ausgezeichnet wurde.
Volo-Campus
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Stichwort „Volo-Campus“
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2022.