
Nutzt Ihre Redaktion Künstliche Intelligenz? Dann haben Sie das Recht auf eine KI-Schulung. Denn seit Februar 2025 sind Unternehmen, die KI-Systeme bauen oder betreiben verpflichtet, ihre Mitarbeitenden in Sachen KI zu schulen. Das besagt die KI-Verordnung der EU in Artikel 4 (siehe Kasten Seite 7). Aber was heißt das genau? Wer muss dafür sorgen, dass solche Schulungen stattfinden? Die Antwort ist, wie so oft in juristischen Fragen, eher komplex.
Fakt ist: Aus Sicht der EU sollte das Personal mit den Risiken und Chancen des jeweils genutzten KI-Systems vertraut sein und es fachkundig einsetzen können. Wer also von seinen Mitarbeitenden oder Auftragnehmern verlangt, dass sie KI einsetzen, muss sie dazu befähigen. Die Verordnung richtet sich sowohl an Unternehmen als auch an natürliche Personen.
Viel kann, wenig muss

Doch wie können solche, in der EU-Verordnung recht schwammig formulierten „Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden KI-Kompetenz“, konkret aussehen? Der Wortlaut sei „bewusst offengelassen, um die je nach Art und Einsatz der KI-Anwendung unterschiedlichen Anforderungen abzudecken“, erklärt Christoph Brill, Referent im Justiziariat des DJV. „Der Maßnahmenbegriff wird daher weit ausgelegt. Eine Schulung wird aber in der Regel Risiken und Chancen der KI-Anwendungen am besten vermitteln können, da dort auch Fragen gestellt werden können.“ Sinnvoll, aber nicht verpflichtend seien darüber hinaus auch Guidelines zur Nutzung der KI oder die Benennung eines/einer KI-Beauftragten.
Und natürlich gibt es kein „One-Fits-All“-Modell. Je nach Wissensstand, Erfahrung und Ausbildung sind unterschiedliche Lernansätze und Schulungsniveaus erforderlich. Aber das gilt ja bekanntlich nicht nur für die Einführung und den Umgang mit KI, sondern sollte für alle Change-Prozesse selbstverständlich sein.
Ein Thema für die Mitbestimmung
Wie bei der Implementierung von KI-Systemen sind Betriebs- und Personalräte selbstverständlich auch bei der Umsetzung der gesetzlich geforderten Schulung zur KI-Kompetenz einzubeziehen. Der DJV-NRW berät die Gremienmitglieder in den Medienhäusern in Nordrhein-Westfalen bei der Verhandlung über entsprechende Betriebsvereinbarungen.
Stellt sich die Frage, wie hier freie Journalistinnen und Journalisten einbezogen werden müssen oder können. Wenn sie einen Text unter Verwendung einer KI schreiben und das System in eigener Verantwortung verwenden, wäre es zumindest sinnvoll, dass sie sich selbst weiterbilden.
Sollte ein Auftraggeber verlangen, dass bei der Texterstellung eine KI eingesetzt wird, so wäre es dessen Pflicht, auch die freien Mitarbeitenden zu schulen. Allerdings ergibt sich aus der Pflicht zur Sicherstellung der KI-Kompetenz, „kein individuell zivilrechtlich einklagbarer Anspruch auf eine KI-Schulung“, wie Brill feststellt. Trotzdem sollten sie – genau wie Festangestellte – gegenüber Auftraggebern auf Schulung in den KI-Systemen bestehen, wenn diese im Auftrag des Medienhauses genutzt werden.
Wann genau liegt überhaupt ein Verstoß eines Unternehmens gegen die Schulungspflicht vor? Das lässt sich nicht genau sagen, denn Unternehmen müssen nur „nach besten Kräften“ für KI-Kompetenz sorgen – ein dehnbarer Begriff. Zudem drohen derzeit auch keine unmittelbaren Sanktionen. Die nationalen Mitgliedsstaaten müssen die Sanktionsregeln bis August 2025 erarbeiten. Stand Ende Mai liegen diese für Deutschland noch nicht vor.
Medien als Sonderfall
Unklar ist bisher zudem, welche staatlichen Sanktionen gegen Medienunternehmen oder Journalistinnen und Journalisten überhaupt zulässig wären, ohne die Pressefreiheit zu verletzen. Das könnte etwa der Fall sein, wenn eine deutsche Behörde ein Bußgeld gegen ein Medienhaus verhängt, das aus Behördensicht sein Personal unzureichend im Umgang mit einer Recherche-KI zur Auswertung eigens gesammelter Daten geschult hat. Die Pressefreiheit wäre berührt, weil die Recherche Teil der verfassungsrechtlich geschützten publizistischen Vorbereitungstätigkeit ist.
Der AI Act in Kürze
Zu den zentralen Elementen des AI Acts gehört die Schulungspflicht (Artikel 4). Sie gilt ab Februar 2025 für alle Unternehmen, die KI-Systeme anbieten oder nutzen – unabhängig von Branche oder Größe. Dabei müssen Unternehmen dokumentieren, dass ihre Mitarbeitenden ausreichend für den korrekten und sicheren Umgang mit KI geschult sind. Wie, ist allerdings bisher noch ungeklärt. Spezielle Zertifikate müssen nicht vorliegen. Verstöße gegen die Schulungspflicht können von den Mitgliedstaaten mit Sanktionen belegt werden.FAQ zum Thema
Für alle, die sich noch intensiver mit Artikel 4 der KI-Verordnung beschäftigen möchten, bietet die EU-Kommission ein hilfreiches FAQ an.
Was jedoch wichtig ist zu wissen: Wenn der veröffentlichte Output einer KI die Rechte Dritter verletzt, könnte eine fehlende KI-Schulung im Prozess um Schadenersatzansprüche eine Rolle spielen. Da die KI-Verordnung neu ist, seien „die mittelbaren Auswirkungen eines Verstoßes auf zivilrechtliche Schadenersatzansprüche von Dritten noch nicht gerichtlich geklärt“, sagt Christoph Brill. Grundsätzlich gehe es dabei aber um Fälle, „wo ein journalistischer Inhalt schon aus anderen Gründen Rechte Dritter verletzt, beispielsweise das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder Urheberrechte Dritter. Eine fehlende Schulung verschlechtert die rechtliche Position also nur dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.“
Warum klingen diese Regelungen für die Medienbranche so schwammig und unklar? Weil die KI-Verordnung für alle Branchen gilt. Wenn beispielsweise bei der Produktion eines Autos eine spezielle KI eingesetzt wird und der Mechaniker diese ungeschult nutzt, kann dies im schlimmsten Fall einen Unfall mit Sach- oder Personenschaden verursachen. Hier liegt der Zusammenhang zwischen fehlender Schulung und verheerenden Folgen auf der Hand.
Journalistische Sorgfaltspflicht
Das ist im Journalismus deutlich unspezifischer. Aber klar ist: Schon im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht sollten die Risiken bekannt sein. Und neben technischen Grundlagen und praktischer Anwendungskompetenz sollte auch ein Bewusstsein für mögliche Rechtsverletzungen bestehen. Brill: „Da Journalistinnen und Journalisten bei der Nutzung von KI in besonderem Maße persönlichkeits- und urheberrechtlichen Risiken ausgesetzt sind, sollten sie die Funktionsweise der von ihnen genutzten KI-Anwendungen verstehen.“ Selbstverständlich ist, dass sie Tatsachenbehauptungen aus einem KI-Output überprüfen, ehe sie sie in eigene Inhalte übernehmen – wie sie es ja auch bei anderen Rechercheergebnissen tun.
Den Medienhäusern empfiehlt der DJV dringend, „umfassende und individuell auf die Art und die Nutzung der KI-Anwendung zugeschnittene Schulungskonzepte anzubieten“, sagt Brill. Und auch, wenn die Freien selbst nicht generell zu KI-Schulungen verpflichtet sind, empfiehlt er, dass sie sich mit der Materie auseinandersetzen. Das muss nicht teuer sein: Thematisch passende KI-Seminare bieten unter anderem der DJV-NRW und andere journalistische Weiterbildungsträger zu moderaten Preisen an.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/25, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juli 2025.