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Journalismus zwischen Burn-out und Bankrott
30. September 2025, Andrea Hansen

Wer im Journalismus arbeitet, lebt oft mit unsicherer Bezahlung, ständiger Überlastung und dem Risiko des Ausbrennens. Dieses alarmierende Bild zeichnen aktuelle Studien von Prof. Dr. Thomas Hanitzsch, Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IFKW). Die Befunde zeigen ein strukturelles Problem, das Folgen hat – für die Gesundheit der Medienschaffenden und die Qualität der Berichterstattung. Das schwächt den Journalismus als
gesellschaftliche Kontrollinstanz und damit die Demokratie.

Thomas Hanitzsch, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. | Foto: LMU

Dem Wissenschaftler und ehemaligen Journalisten drängte sich das Thema quasi auf. Denn Thomas Hanitzsch und sein Team erkannten Parallelen: Beide Berufe „sind sehr stark durch Prekarität geprägt“, wie er sagt. Im Journalismus arbeiten viele Freie, in der Wissenschaft haben Mitarbeitende unterhalb der Professur oft nur befristete Stellen. Das übt Druck auf die Beschäftigten aus und führt zu großer Konkurrenz.

Überraschend zufrieden

Das alles ist bekannt. Aber eins überraschte Thomas Hanitzsch dann doch: „Trotz der Verschlechterung der Arbeits- und Anstellungsbedingungen im Journalismus und der starken psychischen Belastung haben uns erstaunlich viele Journalistinnen und Journalisten gesagt, dass sie mit ihrer Arbeit vergleichsweise zufrieden sind.“

Das ist der Haken an der intrinsischen Motivation: Wenn man mag, was man macht, lässt man sich leichter ausbeuten. Hat man sich mit schlechten Bedingungen abgefunden, setzt das eine Abwärtsspirale bei der mentalen Gesundheit in Gang. „Menschen, die objektiv gesehen (noch) gar nicht in prekären Verhältnissen tätig sind, können sich davon bedroht fühlen, weil vermehrt Menschen in ihrem persönlichen Umfeld in die Prekarität abstürzen. Und in der Folge wehren sie sich auch nicht mehr gegen Zumutungen.“

Hohe Ansprüche

Dabei haben sowohl Gesellschaft als auch Arbeit- bzw. Auftraggeber sehr hohe Ansprüche an Medienschaffende: Sie sollen Watchdogs sein, den Mächtigen auf die Finger schauen, am besten alle investigativ recherchieren, autonom arbeiten, technisch immer up to date sein, eine klare Meinung haben oder eben gerade nicht, zählt Hanitzsch auf: „Manchmal widersprechen sich unsere Ansprüche sogar. Gleichzeitig sehen wir, dass ein signifikanter Teil der Menschen, die im Journalismus tätig sind, finanziell und psychisch sehr stark herausgefordert sind. Da muss man sich die Frage stellen, wie lange der Journalismus unter diesen Bedingungen seine Funktion in der Gesellschaft noch angemessen erfüllen kann.“

Diese Verschleißfahrt in der Medienbranche könne nicht mehr lange gutgehen, fürchtet Hanitzsch: „Viele Journalistinnen und Journalisten berichten, dass sie sich nicht in einem Burn-out befinden, der ja voraussetzt, dass es schon einen Zusammenbruch gab, sondern in einem sogenannten Burn-in. Das heißt, dass sie permanent kurz vorm Burn-out stehen und alles gerade noch so bewältigen.“

Menschen seien erstaunlich widerstandsfähig, sie könnten sehr viel aushalten und das auch sehr lange. Noch gebe es für die Branche die Möglichkeit entgegenzusteuern, bevor zu viel Personal ausfällt, abwandere oder neues nicht mehr zu gewinnen sei. Aber: „Ich glaube leider, dass noch nicht in vielen Führungsetagen von Medienhäusern angekommen ist, wie vielen Menschen es im Journalismus schlecht geht.“

Zwei einfache Maßnahmen

Damit Journalismus seiner Rolle gerecht werden könne, brauche er neben gesicherten Arbeitsbedingungen auch ein gewisses Ansehen in der Bevölkerung. Das aber werde unter anderem durch einzelne politische Akteurinnen und Akteure mutwillig beschädigt. Politikerinnen und Politiker sollten sich nicht an einem spaltenden Diskurs beteiligen, durch den Journalistinnen und Journalisten sehr oft und auch relativ schnell in die Schusslinie geraten: „Das wäre eine relativ einfache und kostenlose Maßnahme.“

Eine weitere sinnvolle Maßnahme: Politik und Medienbranche sollten sich dafür öffnen, über alternative Finanzierungsformen von Qualitätsjournalismus nachzudenken.

Denn während der Journalismus an vielen Stellen ausblute, beobachtet der Forscher eine Verschiebung der Ressourcen weg von Medien hin zur strategischen Kommunikation. In Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmenskommunikation und politische PR würden so viel Mittel gepumpt, dass es zu einer strukturellen Unterlegenheit von Journalistinnen und Journalisten komme: „Das macht was mit der Demokratie – und das bereitet mir Sorgen.“

Konsequenzen für das Miteinander

Nicht nur der Journalismus selbst sollte sich nach Überzeugung von Hanitzsch Gedanken um seine Zukunft machen. Das Thema gehe alle an: „Ich wünsche mir da mehr Sensibilität in der Politik.“ Dort und auch im öffentlichen Bewusstsein sollte stärker verankert werden, was es bedeutet, wenn der Journalismus seine existenziell wichtige Rolle in der Demokratie nicht mehr gut ausfüllen, also die oben aufgezählten Funktionen als Watchdog und vierte Gewalt nicht mehr ausüben könne. Beispielhaft für Länder, in denen das bereits der Fall ist, nennt der Kommunikationswissenschaftler die USA, wo der Prozess der Prekarisierung viel früher eingesetzt habe. Sein Fazit: „Das hat Konsequenzen für das gesellschaftliche Miteinander.“

Journalistinnen und Journalisten gehörten zu denen, die die Folgen als Erste zu spüren bekämen. So fand Hanitzsch es erschütternd, dass in einer Untersuchung etwa zwei Drittel aller Journalistinnen und Journalisten angaben, dass sie im Internet oder in der sozialen Interaktion mit Anfeindungen zu tun hatten, die sich auf die eine oder andere Weise gegen ihre Person richteten. Anekdotisch wisse man, dass auch das dazu führen könne, dass Journalistinnen und Journalisten dem Beruf den Rücken kehren.

Eine kleine, aber laute Minderheit

Sind solche Anfeindungen ein Beleg, dass Journalismus beim Publikum immer schlechter ankommt? Das sieht der Experte nicht so: „Tatsächlich sind die Zufriedenheit mit dem Journalismus und das Vertrauen in die Medien im Großen und Ganzen gleichgeblieben und haben sich in Teilen sogar verbessert.“ Es sei eine kleine gesellschaftliche Gruppe, die ihre Skepsis gegenüber dem Journalismus sehr lautstark formuliert. Diese habe sich zwar seit 2015 etwa verdoppelt. Auf der anderen Seite sei aber auch die Zahl derjenigen gewachsen, die viel Vertrauen in den Journalismus haben. Geschrumpft sei die Lücke in der Mitte, also die Zahl der Menschen, die eher unentschieden sind, weil sie sich gar keine Gedanken darüber gemacht haben.

Nur weil diese kleine Gruppe, die Journalismus skeptisch sieht, im Internet sehr laut auftrete, bekäme man subjektiv das Gefühl, dass irgendwas passiert sei und der Journalismus weniger Akzeptanz in der Bevölkerung habe: „Nach allen empirischen Daten, die ich gesehen habe, ist das ein Irrtum. Aber noch mehr Vertrauen zu gewinnen, kann natürlich trotzdem nie schaden.“||

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/25, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2025.