JOURNALISTENTAG 2023

Das Schweigen brechen

Panel zu Sexismus und Machtstrukturen in der Medienbranche
18. Dezember 2023, Lima Fritsche
Im Vordergrund ein Panel mit fünf Frauen von hinten oder von der Seite, dahinter dicht gefüllte Reihen von Zuhörenden.
Großes Interesse fand das Sexismus-Panel mit (v.r.) Stefanie Dodt, Dr. Simone Kämpfer, Elli Ries, Luisa Filip und Moderatorin Harriet Langanke. | Foto: Udo Geisler

Stefanie Dodt, Journalistin im Ressort Investigation des NDR, findet es einfacher, Wirtschaftskriminalität aufzudecken als Machtmissbrauch oder Sexismus. Das erzählte sie im Panel „Das Schweigen brechen“ beim Journalistentag 2023 unter Moderation von Harriet Langanke, das zweimal hintereinander großen – vorwiegend weiblichen und jungen – Zulauf fand.

„Während es in der Wirtschaft in der Regel ein Dokument gibt, dass eindeutig belegt, dass Geld von A nach B geflossen ist, geht es bei Machtmissbrauch und Sexismus meistens um Situationen, in denen nur zwei Personen anwesend waren“, erklärte Dodt. Deshalb brauchen Journalisten vor allem eines, wenn sie über Fälle wie Julian Reichelt oder Till Lindemann berichten wollen: Zeit. Sie müssen viele Gespräche führen, Vertrauen zu den Betroffenen aufbauen und so viele Belege wie möglich sammeln.

Veröffentlichen können sie nur, wenn es genug Indizien und ein hinreichendes öffentliches Interesse gibt, es also beispielsweise nicht um einen Einzelfall, sondern um ein System geht. Zudem müssen sie damit rechnen, nach der Veröffentlichung verklagt zu werden. Kleine Medien können sich das in der Regel nicht leisten. „Deshalb sind größere Medien verpflichtet, über solche Fälle zu berichten“, sagte Dodt.

Unklarheit über rechtliche Begriffe

Dr. Simone Kämpfer, Partnerin in der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, führt regelmäßig unternehmensinterne Untersuchungen zu #MeToo-Fällen durch. Sie beobachtet viel Unklarheit über rechtliche Begriffe: „Es ist wichtig, dass Journalisten in ihren Berichten klar trennen, was strafrechtlich relevant ist und was nicht.“ Das könne zu mehr Akzeptanz für Berichterstattung über Machtmissbrauch und Sexismus führen, auch wenn das gerichtliche Verfahren eingestellt werden sollte. „Auch wenn ein Verhalten nicht strafrechtlich relevant ist, kann in den Medien noch darüber diskutiert werden, ob es richtig ist.“

Zudem befürchtet Kämpfer, dass Unklarheit über das geltende Recht negative Auswirkungen für die Karrieren von Frauen haben könnte. „Viele Männer in Führungspositionen trauen sich nicht mehr, unter vier Augen mit Mitarbeiterinnen zu sprechen oder mit ihnen essen zu gehen.“ So könne es für Frauen schwieriger werden, beruflich aufzusteigen.

Podcast zu Alltagssexismus

Auch Elisabeth Ries, Journalistenschülerin bei RTL, und Luisa Filip, Autorin bei Deutschlandfunk Nova, beschäftigen sich mit Sexismus. In ihrem Podcast X und Y geht es um Sexismus in den Medien. So kritisieren sie beispielsweise, dass Blut in Werbung für Menstruationsprodukte oft blau ist oder glitzert, oder loben eine Szene in einem Harley Quinn Film, in der sich die Frauen ihre Haare zu einem Zopf binden, bevor sie loskämpfen. „Es ist gut, wenn weibliche Lebensrealitäten in den Medien abgebildet werden“, sagt Filip.

Zu aktuellen Fällen wie Reichelt oder Rammstein hingegen äußern sich die beiden in ihrem Podcast nicht, teilen stattdessen die Beiträge anderer. „Heute hat man schnell das Gefühl, dass man zu jedem Thema etwas beitragen muss“, sagt Ries. Sie und Filip plädieren dafür, sich davon nicht abschrecken zu lassen und bei dem zu bleiben, für das man Kapazitäten hat. Bei ihnen sei es das Thema Alltagssexismus. „Feminismus wirkt oft wie eine elitäre Debatte, da wollen wir entgegenwirken“, sagt Filip. ||

Ein Beitrag in Ergänzung zu JOURNAL 4/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2023.