Martina Welchering ist freigestellte Personalrätin beim WDR. Seit Sommer 2016 kämpft sie an vorderster Stelle für die Rechte von Festen und Freien. Unterstützt wird sie von den vier ordentlichen Mitgliedern im Personalrat (Elke Thommessen, Frank Stach, Jochen Reinhardt und Stephanie Hajdamowicz) sowie 16 Ersatzmitgliedern. Zugleich ist sie Vorsitzende der DJV-Betriebsgruppe im WDR.
JOURNAL: Wie überschreibst du mit einer Schlagzeile deine bisherige Amtszeit als Personalrätin?
Martina Welchering: „All in one.“ Wobei es natürlich immer Teamwork ist und mich die Kolleginnen und Kollegen im Personalrat, aber auch in der Betriebsgruppe nach Kräften unterstützen.
JOURNAL: Wenn du also sagst: „All in one“: Was verbirgt sich dahinter?
Welchering: Ich habe ja zwei unterschiedliche Aufgaben: Mit der DJV-Betriebsgruppe decke ich vielfältige Themen ab, führe Beratungsgespräche, nehme an Tarifverhandlungen teil, organisiere Informationsveranstaltungen und gegebenenfalls auch Warnstreiks. Das Einzige, was wir nicht tun: Wir mischen uns nicht ins Programm ein.
Sauber getrennt von der Gewerkschaftsarbeit ist meine Tätigkeit als Personalrätin, bei der mir ein gutes Team aus Festen und Freien zur Seite steht. In dieser Funktion muss ich unabhängig sein, darf also nicht die Positionen des DJV-NRW vertreten, sondern mich mit den 23 freigestellten Personalrätinnen und Personalräten der anderen Gewerkschaften (Verdi und VRFF) abstimmen.
DJV-Betriebsgruppe im WDR
Wie bei allen Betriebsgruppen in Medienhäusern besteht die Betriebsgruppe im WDR formal aus allen DJV-Mitgliedern, die als Feste oder Freie für den Sender tätig sind. Beim WDR ist die freigestellte Personalrätin Martina Welchering auch Vorsitzende der DJV-Betriebsgruppe. Das ist aber keine zwingende Personalunion.
Die Betriebsgruppe lädt regelmäßig zum Austausch in Köln ein. Um auch Feste und Freie aus den Regionalstudios besser anzubinden, will die Betriebsgruppe in nächster Zeit vermehrt Treffen in den Regionen anbieten. Zudem sorgt die Betriebsgruppe mit Veranstaltungen für inhaltlichen Input. So war im Sommer 2018 Erfolgsregisseur Uwe Janson zu Gast, und im Herbst hat DJV-Justiziar Benno Pöppelmann wichtige Fragen zum Urheberrecht erläutert. Im Januar sprachen Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir und NDR-Reporter Björn Staschen mit Moderatorin Stephanie Hajdamowicz über Möglichkeiten und Grenzen des Drehens mit Smartphone (siehe auch „Hauptsache schnell und smart?“).
Berichte zu den Veranstaltungen der Betriebsgruppe und weitere Informationen zu Themen rund um den WDR gibt es unter
www.djv-im-wdr.de
JOURNAL: Personalräte in Medienhäusern befassen sich ja oft mit ähnlichen Themen. Welche Eurer Themen sind ganz WDR-spezifisch?
Welchering: Feste oder Freie empfinden beim WDR ein hohes Maß an Willkür. Abteilungen agieren oft intransparent, manche Vorgesetzte lassen sich eher vom Bauchgefühl als vom Wohl der Mitarbeitenden und damit des Senders leiten. Trotz einheitlicher Gesetzgebung herrschen ungleiche Standards und riesige Gestaltungsspielräume im Umgang mit den Mitarbeitenden. Vor allem Freie fühlen sich oft wie auf dem prekären Arbeitsmarkt. Das hat die ehemalige EU-Kommissarin und Gewerkschaftschefin Monika Wulf-Mathies in ihrem Gutachten sehr treffend beschrieben (siehe JOURNAL 5/18).
JOURNAL: Du sprichst den Prüfbericht an, den der WDR anlässlich der #Metoo-Vorwürfe bei Wulf-Mathies in Auftrag gegeben hatte.
Welchering: Die #Metoo-Debatte hat vielen die Augen geöffnet. Wir haben sie als Anschub für strukturelle Veränderungen erlebt.
JOURNAL: Also weg von Einzelfalllösungen, hin zu grundlegenden Reformen?
Welchering: Ja. Personen können wir nicht ändern, Strukturen hingegen schon. Ich habe als Personalrätin daran mitgearbeitet, die bereits vorhandene Dienstvereinbarung zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz auf die Aspekte des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes auszuweiten. Und ich bin Mitglied im Interventionsausschuss. Ob anonym oder namentlich kann sich dort jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter melden und Benachteiligung, Diskriminierung oder sexuelle Belästigung melden. Dann wird zum Beispiel der oder die Vorgesetzte von der Personalabteilung zum Gespräch gebeten.
JOURNAL: Wer bildet den Interventionsausschuss?
Welchering: Neben mir als Vertreterin des Personalrats sitzen darin der Betriebsarzt, eine Person aus dem Justiziariat, zwei Mitarbeitende des Personalmanagements und die Gleichstellungsbeauftragte. Der Ausschuss wird voraussichtlich in zwei bis drei Monaten von der geplanten Beschwerdestelle abgelöst. Sie soll noch professioneller arbeiten und verbindliche Strukturen durchsetzen, an die alle sich halten müssen. Das soll mehr Transparenz schaffen und Willkür vermindern.
JOURNAL: Das klingt nach einem Meilenstein.
Welchering: Absolut, trotzdem bleibt beim häufig beschworenen Kulturwandel für den WDR viel zu tun. Ständig werden Abteilungen umstrukturiert, zusammengelegt oder auseinandergerissen. Die Beschäftigten vermissen eine erkennbare inhaltliche Linie. Sie reiben sich auf und empfinden Ziellosigkeit. Viele Mitarbeitende beklagen Qualitätsverluste im Programm, sie nennen Sendeausfälle und schlechte Bildqualität als Beispiele. Sie fühlen sich vom WDR entfremdet.
JOURNAL: Ihr seid zu fünft in den Personalrat gewählt, aber einzig du bist für diese Arbeit freigestellt. Was macht deine Rolle aus?
Welchering: Als freigestellte Personalrätin habe ich einen umfassenden Einblick. Ich nehme an Bereichsversammlungen teil, heute zum Beispiel tagte das Programmmanagement. Bei diesen Treffen werden erreichte Ziele vorgestellt und neue formuliert. Das ist eine gute Gelegenheit, Missstände und Unzufriedenheiten mitzubekommen. Zusätzlich erhalte ich einmal in der Woche die aktuellen Anträge der Personalabteilung über Einstellungen, Kündigungen, Abmahnungen, rundum über alle mitbestimmungspflichtigen Personalvorgänge. Darüber hinaus muss ich über die geplante Einführung neuer Techniken und Arbeitsplatzgestaltungen informiert werden. Und ich habe Zugriff auf den Stellenplan, weiß also genau, wer wo wie angestellt ist. Ich habe viele Sonderrechte, darf Briefe und Anträge schreiben. Aber natürlich stimme ich meine Entscheidungen und Versionen regelmäßig auch mit den anderen Personalräten ab.
JOURNAL: Welche Persönlichkeitsmerkmale braucht eine freigestellte Personalrätin, um bestehen zu können?
Welchering: Man muss konfliktresistent und zielstrebig sein. Außerdem braucht man Durchhaltevermögen, denn im Alltag folgt eine Sitzung auf die andere, dazwischen noch Beratungsgespräche mit Mitarbeitenden, die oft frustriert sind oder Spezialfragen zu Arbeitszeitgesetzen etc. haben. Das erfordert auch mentale Flexibilität.
JOURNAL: Wie gut kannst du am Feierabend abschalten?
Welchering: Anfangs lag ich nachts manchmal wach und erarbeitete Konzepte. Heute sieht das anders aus.
JOURNAL: Kommen wir zum Schluss noch mal zu deinem zweiten „Hut“, der DJV-Betriebsgruppe. Wie läuft da die Zusammenarbeit?
Welchering: Mir tut der Austausch gut. Und mir gefällt, dass die Mitglieder aus verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichen Schwerpunkten kommen. Sie bringen immer wieder neuen Input mit, etwa für interessante Veranstaltungen (siehe dazu auch Bericht zum Talk über mobilen Journalismus).
JOURNAL: Angenommen, du hättest drei Wünsche für den WDR frei: Wie lauteten sie?
Welchering: Erstens Kommunikation von Mitarbeitenden und Vorgesetzten auf Augenhöhe sowie zweitens die Beachtung von Arbeitsgesetzen, Tarifverträgen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das sind echte soziale Meilensteine, die Gerechtigkeit schaffen – man darf das nicht als „Schnee von gestern“ lächerlich machen. Drittens: mehr Entscheidungshoheit innerhalb des eigenen Jobs.
JOURNAL: Wirst du dich in anderthalb Jahren zur Wiederwahl stellen?
Welchering: Ja klar, ich habe noch viele Ideen.||
Das Gespräch führte Angelika Staub.
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/19 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2019.