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Ein schwerer Schlag

RTL Deutschland baut 600 Stellen ab
11. Dezember 2025, Corinna Blümel

Das ist eine Zäsur, eine traurige Maßnahme“, sagte Wolfram Kuhnigk, Betriebsratsvorsitzender bei RTL News. „Bis vor einem Jahr hätte niemand vorstellen können, dass das mal bei RTL passieren wird.“ RTL News ist die größte Tochter von RTL Deutschland und zuständig für die Produktion der Inhalte, darunter Nachrichten, Magazine und Dokumentationen. Die Mitglieder des Betriebsrats wussten schon länger, was Anfang Dezember öffentlich gemacht wurde: Konzernweit fallen im kommenden Jahr 600 Stellen weg, das sind zwölf Prozent aller Arbeitsplätze im Unternehmen.

Ein Mann mit Brille und Headset schaut ernst in die Kamera. Er trägt einen dunklenPulli mit Reißverschluss.
Wolfram Kuhnigk, Betriebsratsvorsitzender
RTL News, sieht die Entscheidung als Zäsur. „Bis vor einem Jahr
hätte sich das niemand vorstellen können.“ | Foto: Corinna Blümel

Von einer Senkung der Personalkosten um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag ist die Rede. Ziel der „strategischen Neuausrichtung“: der Ausbau des Streamingangebots RTL +, auch wenn mit linearem Fernsehen immer noch Geld verdient wird.

Sorgen wurden zur Gewissheit

Als Wettbewerber längst mit dem schwierigen TV-Markt und sinkenden Werbeeinnahmen kämpften, bescherte die RTL Group, zu der unter anderem RTL Deutschland, VOX und ntv gehören, der Konzernmutter Bertelsmann weiter satte Gewinne. Nun haben diese Probleme auch RTL eingeholt. In den vergangenen Monaten nahm die Unruhe im Betrieb zu: Mit jeder Quartalsmeldung und jeder gesenkten Prognose wuchsen die Sorgen der Beschäftigten, die nun zur Gewissheit wurden.

Die Geschäftsführung spricht bislang nur von 600 Stellen, die abgebaut werden sollen. In der Realität teilen sich oft mehrere Teilzeitkräfte eine Vollzeitstelle. Wahrscheinlich werden also deutlich mehr Menschen als 600 vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bei RTL betroffen sein. Große Einschläge sind am Standort Köln zu befürchten, wo die zentralen Einheiten von RTL Deutschland wie Redaktion, Vermarktung, Technik und Verwaltung sitzen. RTL News umfasst mit seinen rund 2 200 Beschäftigten ein knappes Drittel der gesamten Belegschaft von RTL Deutschland, und 1 600 davon arbeiten in den ehemaligen Messehallen am Rheinufer.

Banges Warten bis Januar

Wen genau es trifft, erfahren die Beschäftigten am 7. Januar 2026. Bis dahin können sie nur bang warten. „Eine schwierige Situation für die Kolleginnen und Kollegen“, kommentiert Volkmar Kah, Geschäftsführer des DJV-NRW. „Wir stehen als Gewerkschaft den Kolleginnen und Kollegen zur Seite, unter anderem mit Rechtsberatung für unsere Mitglieder.“ Und er lobt, dass „Konzernbetriebsrat und Management ein faires Paket ausgehandelt haben, das soziale Härten mildern wird.“ Jetzt sei „die Geschäftsleitung in der Pflicht, aus den Fehlern zu lernen, die die Belegschaft jetzt ausbaden muss. Der Sender muss in der neuen Struktur von RTL News die Bedingungen schaffen, die guten Journalismus möglich machen – und die verbleibenden Arbeitsplätze sichern.“

Unklar ist allerdings, wie sich der massive Stellenabbau auf Programm und Inhalte auswirken wird – vor allem im Informationsbereich, der auf der Streamingplattform bisher eine echte Aschenputtel-Rolle spielen muss. Zwar betont sich die Unternehmensspitze weiterhin die Bedeutung journalistische Inhalte. Wie das allerdings mit deutlich reduziertem Personal umzusetzen ist, muss sich zeigen. Schon in der Vergangenheit hatten die Beschäftigten reichlich Überstunden geschoben.

Erschwerend kommt hinzu: Weil es sich um eine unternehmerische Entscheidung handelt, sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten begrenzt. „Wir haben in den Verhandlungsrunden des Konzernbetriebsrats versucht, das Bestmögliche zu erreichen“, erklärt Kuhnigk. „Das Ergebnis, das wir dort geschaffen haben, ist einzigartig in der Medienbranche. Wir werden jetzt versuchen, als Betriebsräte für unsere Kolleginnen und Kollegen da zu sein, so gut das möglich ist.“

Ein Mann lächelt in die Kamera. Er trägt ein blaues Hemd
Bert Grickschat ist Sprecher der DJV-Betriebsgruppe und Betriebsratsmitglied. Er  hofft, dass „das neue RTL News eine funktionierende Firma mit Perspektive ist. | Foto: Corinna Blümel

Auch Bert Grickschat, Sprecher der DJV-Betriebsgruppe und ebenfalls Betriebsrat bei RTL News, setzt für die Ausscheidenden auf das verhandelte Paket und hofft, dass „wir als Betriebsräte die Kolleginnen und Kollegen, die bleiben und dann in der neuen RTL News weiterarbeiten werden, auch in einer funktionierenden Firma mit einer Perspektive begleiten können.“

Zu viel Macht in einer Hand

Auch wenn die Verantwortlichen auf Faktoren wie die dauerhaft schwierige Wirtschaftslage, das Nachwirken von Corona und den fortwährenden Krieg Russlands gegen die Ukraine verweisen, dürften zur aktuellen Misere auch unternehmerische Entscheidungen beigetragen haben. Darunter die Anfang 2022 vollzogene Übernahme von Gruner + Jahr. Die damaligen hochtrabenden Pläne vom crossmedialen Unternehmen, von Synergien und Marken, die durch Cross-Promotion exklusiver Inhalte über alle Mediengattungen und Ausspielwege stark werden, sind bekanntlich nicht aufgegangen.

Tiefgehende Zweifel an der von der Bertelsmann-Spitze betriebenen Fusion hatte Betriebsrat Kuhnigk schon im Frühjahr 2023 (siehe JOURNAL 1/23). Er kritisierte damals die „Macht- und Entscheidungskonzentration auf nur eine Person“. Es fehle ein Korrektiv, denn Thomas Rabe berichte „in seinen Funktionen auf verschiedenen Ebenen ausschließlich an sich selbst“.

Ende der Ära Rabe in Sicht

Rabe führte die RTL-Gruppe seit 2019 in Personalunion mit seiner Funktion als Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender. Zum damaligen Zeitpunkt war er zudem Geschäftsführer von RTL Deutschland. In dieser Rolle löste Stephan Schmitter ihn Anfang 2024 ab.

Dass nicht alle unternehmerischen Entscheidungen klug waren, sehen auch Medien wie die Süddeutsche so, die mit dem Finger deutlich auf Rabe zeigt. Nun endet dessen Ära für den Bertelsmann-Konzern in zwei Schritten: Im Mai 2026 soll Clément Schwebig, derzeit President und Managing Director Western Europe & Africa bei Warner Bros. Discovery, die Nachfolge von Thomas Rabe als CEO der RTL Group antreten.

Rabes Vertrag bei Bertelsmann läuft Ende 2026 aus, und auch hier steht die Nachfolge schon fest: Anfang 2027 wird Thomas Coesfeld die Leitung des Konzerns übernehmen. Mit dem 35-jährigen Enkel des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn wird dann erstmals seit 45 Jahren wieder ein Familienmitglied an der Spitze stehen.

Für die Beschäftigten bei RTL News ändert das auf mittlere Sicht erst mal nichts: Die einen müssen im kommenden Jahr gehen. Die, die bleiben, müssen mit einem tiefgreifenden Wandel im Workflow klarkommen.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/25, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, vorab veröffentlicht im Deember 2025.