Im Journalismus möchten wir natürlich Geld mit unserer Arbeit verdienen, aber viele von uns finden auch sinnvoll, was sie tun, und sie haben Spaß daran. Sie folgen der berühmten intrinsischen Motivation. Das gilt für alle Neigungsberufe und macht sie anfällig für schlechte Arbeitsbedingungen. Menschen verharren in ihrem Job, auch wenn die Bedingungen sichverschlechtern. Aber irgendwann
ist der Punkt erreicht, an dem das Wegducken nicht mehr funktioniert.
Viele verlassen dann den Journalismus – oder haben es schon getan. Kommunale Newsrooms erzählen immer öfter ihre Geschichten direkt selbst, da zu oft nur noch einer oder sogar keiner zu Pressekonferenzen kommt. Berichterstattung im Lokalen und Regionalen wird immer mehr „vom Tisch“ gemacht. Also: Telefonanruf statt Pressekonferenz. Ob Zeitung, Lokalradio oder Regionalfernsehen – die Personaldecke
wird im Journalismus überall dünner.
Bei den Tageszeitungen gibt es die Konzentrationsprozesse und geteilten Inhalte am längsten. Verschiedene Verlagshäuser füllen heute gemeinsam durch Austausch ihre Seiten. Fragt sich, wie lange die Kundschaft noch akzeptiert, dass das Volumen „ihrer“ Zeitung mit Infos von „nebenan“ gehalten wird, während das eigene Umfeld immer weniger vorkommt.
Dasselbe Phänomen ist aktuell bei den Lokalzeiten zu beobachten, dem bislang beliebtesten Format im WDR-Fernsehen. Weil die lineare Ausspielung als Auslaufmodell gilt, versucht der WDR die Quadratur des Kreises: die beliebte Medienmarke „ins Digitale zu überführen“ (also für andere Kanäle zusätzliche Inhalte zu produzieren), aber dafür nicht mehr Geld auszugeben. Für das TV-Publikum
heißt das, dass es weniger Beiträge exklusiv aus der eigenen Region zu sehen bekommt. Für die, die die Beiträge machen, bedeutet es weniger Aufträge im bekannten Format, und bei der Arbeit (durch Protagonisten oder Publikum) und im privaten Umfeld ungefragt mitgeteilt zu bekommen, wie diese Lösung ankommt.
Dabei sollten alle Beteiligten – inklusive der Medienpolitik – diesen Bereich der Berichterstattung ernster nehmen. Neueste Erkenntnisse
bestätigen für Deutschland, was für die USA schon lange bekannt ist: Wo Lokaljournalismus fehlt, sinken die Wahlbeteiligung und das Interesse an Politik. Dafür nehmen Korruption und Wirtschaftskriminalität zu, das Vertrauen in alle Institutionen der Demokratie erodiert.
In der Analyse des Problems steckt auch die Lösung: In Medienhäusern gibt es eine Hierarchie – das Hauptstadtthema ist wichtiger als das kommunale. Der Großteil des Publikums priorisiert anders: Er interessiert sich besonders für das eigene Umfeld. Um relevant zu bleiben, müssen Medienhäuser bieten, was die Gesellschaft braucht. Menschen in allen Ecken des Landes und Gesellschaftsschichten haben gute Information nötig und verdient. Medienmanager und -politikerinnen sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein – und ihr gerecht werden.
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2024.