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Herkunftsnennung: Kritik an Vorschlag von Reul

18. Oktober 2019, red.

Für Kritik sorgt ein Vorstoß, mit dem der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul im August an die Öffentlichkeit ging. Er möchte per Medienerlass regeln, dass bei Presseauskünften der Polizei NRW-weit künftig immer die Nationalität von Tatverdächtigen genannt wird. Dies solle dazu dienen, Spekulationen von Internetnutzern in Kommentarspalten vorzubeugen.

Mit seiner Idee stößt Reul nicht mal im eigenen Kabinett auf ungeteilte Zustimmung. So äußerte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) Medienberichten zufolge am 11. September bei einer Rechtsausschuss-Sitzung im Düsseldorfer Landtag datenschutzrechtliche Bedenken. Zudem bekräftigte er, dass seine Staatsanwaltschaften die Nationalität von Tatverdächtigen nicht grundsätzlich nennen werden, sondern „dann, wenn es notwendig oder sinnvoll ist, den Bericht zu verstehen“. Die Herkunft solle dagegen nicht genannt werden, wenn sie dazu diene, „möglicherweise Diskriminierungen zu schaffen“. Auch Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sprach sich im September gegenüber dem WDR gegen eine generelle Nennung der Nationalitäten von Tatverdächtigen aus. Dies könnte die eigentlichen Zusammenhänge wie etwa psychische und sonstige gesundheitliche Umstände relativieren und zu falschen Schlussfolgerungen führen. Der FDP-Minister hatte im Sommer allerdings seinerseits in einem Gespräch mit der Rheinischen Post angeregt, über eine systematische Nennung der Herkunft von mutmaßlichen Tätern in der Berichterstattung nachzudenken, „auch wenn es dann bizarr wird“.

Wie andere Medienverbände hält der DJV entschieden daran fest, dass die ethnische Herkunft von Strafverdächtigen und Straftätern in Medien die Ausnahme bleiben muss. Er bezieht sich auf den Pressekodex. Entsprechend Richtlinie 12.1 soll die ethnische Herkunft „in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“ Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall erklärte: „Das reicht als Selbstverpflichtung der Journalistinnen und Journalisten. Mehr brauchen wir nicht, erst recht nicht von staatlicher Seite.“

Viele Journalistinnen und Journalisten befürchten ein Einknicken des Journalismus vor den Verbreitern von Hate Speech und Rassismus in sozialen Netzwerken. Denn die grundsätzliche Herkunftsnennung durch die Polizei würde die Redaktionen noch stärker unter Druck setzen als derzeit schon. Das basiert auch auf der Erfahrung, dass die Nationalitätsangabe „deutsch“ vielen Hetzern im Netz nicht ausreicht, weil sie bei bestimmten Straftaten davon ausgehen, dass es sich um Eingebürgerte aus bestimmten Herkunftsländern handelt./

Eine Meldung aus JOURNAL 5/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2019.