Das Podium mit Oliver Keymis (Grüne), Alexander Vogt (SPD), Özlem Demirel (Die Linke), Moderator Frank Überall, Marcus Pret-zell (AfD), Thorsten Schick (CDU) und Thomas Nückel (FDP). | Foto: Arne Pöhnert
Oliver Keymis (Grüne), Alexander Vogt (SPD), Özlem Demirel (Die Linke), Moderator Frank Überall, Marcus Pretzell (AfD), Thorsten Schick (CDU) und Thomas Nückel (FDP). | Foto: A. Pöhnert
 
MEDIENPOLITIK

Höchstens Lösungsansätze

Medienpolitische Diskussion des DJV-NRW in Düsseldorf
14. Juni 2017, Corinna Blümel

Wie steht es um die Medienvielfalt in Nordrhein-Westfalen? Wie bekommen Medienhäuser die Digitalisierung in den Griff? Hat die Politik das Thema Medienkompetenz ausreichend auf dem Schirm? Und was könnte sie tun, damit angestellte und freie Journalistinnen und Journalisten fair bezahlt werden? Um diese Fragen drehte sich die medienpolitische Diskussion in Düsseldorf, zu der der DJV-NRW für den 6. März eingeladen hatte. Richtig schlüssige Antworten gab es kaum. Und der interessanteste Lösungsansatz kam nicht vom Podium, sondern aus dem Publikum.

Vertreten waren die medienpolitischen Sprecher der sechs Parteien, die Prognosen zufolge realistische Chancen haben, bei der Wahl am 14. Mai in den Landtag einzuziehen: Alexander Vogt (SPD), Oliver Keymis (Grüne), Thorsten Schick (CDU), Thomas Nückel (FDP), Marcus Pretzell (AfD) und Özlem Demirel (Die Linke). Als Moderator leitete der Bundesvorsitzende Frank Überall das gut besuchte Gespräch: Etwa 60 Mitglieder und Pressevertreter waren der Einladung des DJV-NRW gefolgt.

Spardiktat gefährdet Qualität

„Die Medienvielfalt vor Ort hat nachgelassen“, stellte der Landesvorsitzende Frank Stach zum Auftakt fest – ohne zu diesem Zeitpunkt schon die Zahlen der Großen Anfrage zum Zeitungsmarkt in NRW zu kennen. Wo die Menschen früher die Wahl zwischen zwei oder drei Lokalzeitungen gehabt haben, gebe es heute oft nur noch ein Blatt. Stach beklagte auch andere Entwicklungen in der Medienbranche: Redakteure würden vielerorts durch schlechter bezahlte Kollegen ersetzt. Freie lebten zunehmend in prekären Verhältnissen. Die Rundfunksender seien angesichts der Digitalisierung in einer Übergangskrise. Das Spardiktat gehe an vielen Stellen an die Qualität.

Gerade in dieser schwierigen Situation hatte es der DJV-Landesvorstand als wichtig empfunden, mit den Parteien über ihre medienpolitischen Vorstellungen zu sprechen. Eingeladen hatte er dazu in die Räume der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), deren stellvertretende Direktorin und Justiziarin Doris Brocker die Gäste herzlich begrüßte. Dem DJV-NRW habe man die Räume gerne zur Verfügung gestellt, betonte sie und verwies auf gemeinsame Anliegen.

Gemeinsamkeit herrschte über weite Strecken auch auf dem Podium. So waren sich Parteienvertreter einig, dass Journalisten eine essenziell wichtige Rolle für den Erhalt der Demokratie spielen. Nicht nur, weil sie Politik und Wirtschaft als vierte Gewalt auf die Finger schauen. Als Profis ordnen sie Sachverhalte und Entwicklungen ein und erklären sie, damit Menschen die Flut der Informationen besser verstehen können, erklärte etwa der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Alexander Vogt.

Allerdings seien Menschen heute mobiler, so dass die enge Bindung an einen bestimmten Wohnort verlorengehe. Auch deshalb verlören viele das Interesse an Lokaljournalismus. Trotzdem sei es wichtig, dass die Bürger vorhandene Medienangebote nutzten, betonte der FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Nückel: „Es läuft was schief, wenn Menschen sich nicht mehr für Journalismus interessieren.“

An einem Strang zog das Podium weitgehend auch beim Thema Global Player: Für Konzerne wie Google und Apple sollten die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten wie für die Medienhäuser in Deutschland.

Dass es nicht nur Lob für die Medienschaffenden gibt, war aber auch klar: Mehrere Podiumsteilnehmer wiesen auf Schwachstellen hin, etwa die zunehmende Vermischung von Bericht und Kommentar und die meinungsverstärkende Rolle von Social Media und Algorithmen, denen die klassischen Medien nicht genug entgegensetzten. Der Grünen-Abgeordnete Oliver Keymis warnte vor einem Verlust journalistischer Unabhängigkeit durch die Digitalisierung und die damit verbundenen Veränderungen.

Medienpolitische Diskussion des DJV-NRW am 6. März in Düsseldorf
Foto: Arne Pöhnert

Jenseits der Printmedien

Die eigentliche Frage lautete aber: Was kann die Politik tun, um die Medienvielfalt zu sichern und die Situation der Journalistinnen und Journalisten zu verbessern? Dazu zeigten die Parteien durchaus unterschiedliche Wege auf. Vogt erläuterte unter anderem Aufgaben und Arbeitsweise der Stiftung vor Ort, die bei der LfM angesiedelt ist. Man wolle damit neue Projekte stärken, natürlich ohne sie direkt finanziell zu fördern. Verbunden mit dem Hinweis, dass es „kein Zurück zu den alten Abozahlen“ gebe, betonte Vogt, beim Thema Medienvielfalt dürfe man nicht nur auf Printmedien schauen. Eine wichtige Rolle spielten zum Beispiel auch die Lokalsender in NRW.

Auf den Lokalfunk setzt unter anderem auch die CDU, erklärte Thorsten Schick: Hier seien allerdings „nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen“ worden, damit der Lokalfunk den Sprung in die Digitalisierung schaffen könne. Auch für Thomas Nückel von der FDP war der Lokalfunk ein Thema. Zwar gebe es keinen UKW-Abschalttermin, aber der Lokalfunk könne nicht in der „Ökonische“ überleben. Nückel verwies auch darauf, dass die Regionalfenster von RTL und Sat.1 zum Beispiel im Kabelnetz und bei der Satellitenübertragung stiefmütterlich behandelt würden. Zudem kritisierte Nückel den WDR, der es mit seiner „Lokalzeit“ im Hörfunk den Lokalsendern schwerer mache.

Marcus Pretzell äußerte sich zunächst ähnlich: Der WDR besetze ein großes Segment, das privaten Wettbewerbern dadurch nicht mehr zur Verfügung stehe. Aber dem AfD-Politiker schwebt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch ganz anderes vor – eine radikale Reduktion: Der Auftrag der Grundversorgung sei auch mit einem Fernsehsender und einer Radiowelle deutschlandweit zu erfüllen.

Eine Auffassung, der CDU-Mann Schick entschieden widersprach. Man könne sich „die Grundversorgung nicht zusammenschnippeln“, erklärte er mit Verweis auf das Bundesverfassungsgericht. Das würde im übrigen auch Pretzells Vorschlag zu Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen definitiv nicht mittragen: Die könne man auch auf Steuermittel umstellen, so die These des AfD-Politikers, dem der Gedanke der Staatsferne offenbar wenig bedeutet.

Förderung ohne Abhängigkeit

Ebenso wie Özlem Demirel von der Linken wies auch Pretzell auf die schlechte Lage gerade freier Journalistinnen und Journalisten hin. Demirel warb darüber hinaus dafür, alternative Medien zu fördern. Sie zeigte aber auch gleich das Dilemma einer solchen Förderung auf: „Aber wie stützen wir die, ohne sie in politische Abhängigkeit zu bringen?“

Die FDP sieht eine Lösung in der Gemeinnützigkeit zum Beispiel für investigative Rechercheverbünde: Durch die damit verbundenenSteuervorteile könnten private Spender ermutigt werden, Journalismus zu fördern, erklärte Nückel. Grünen-Politiker Keymis hatte einen anderen Lösungsvorschlag parat: Er brachte wiederholt einen öffentlich finanzierten, aber staatsfern organisierten Medienfonds ins Spiel, um die Vielfalt redaktioneller Medien zu sichern. In Erwägung zu ziehen seien darüber hinaus Presseförderungssysteme, wie es sie in verschiedenen europäischen Ländern gebe.

Kooperationen kein Allheilmittel

Alexander Vogt warnte dagegen, ein steuerfinanzierter Medienfonds gefährde die journalistische Unabhängigkeit. Mit Kooperationen zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien bei größeren Recherchen habe die Medienlandschaft doch einen Weg gefunden, dem wirtschaftlichen Kostendruck zu begegnen. Sein Lob machte die Rechercheverbünde allerdings größer, als sie in der Realität sind: Ein Allheilmittel gegen Konzentration und schwindende Medienvielfalt sind sie eben nicht.

Deutlich wurde an dem Abend, dass die Medienpolitik in den meisten Parteiprogrammen eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt und dass die Politik vielen Punkten eher ratlos gegenübersteht. Das betraf nicht nur die schwindende Medienvielfalt in NRW. Oder die Frage, ob Schulen das Thema Medienkompetenz mehr oder anders aufgreifen müssten. Lösungen zeigte die Diskussion jedenfalls nicht auf, bestenfalls Lösungsansätze, die noch viel Denkarbeit erfordern.

Die interessantesten Impulse brachten die Publikumsfragen. Darunter vor allem der Anstoß des ehemaligen DJV-Landesvorsitzenden Helmut Dahlmann, mit Blick auf die zunehmende Tarifflucht gerade der Zeitungsverlage mal über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen für die Medienbranche nachzudenken. Keine Frage: Wenn Politiker auf so ein Thema angesprochen werden, haben sie sofort das Klagen der Verlegerlobby im Ohr, mit der sie es sich nicht verscherzen wollen. Trotzdem versprachen die Podiumsteilnehmer, die Anregung mitzunehmen.

Die Kritik und Sorge im Vorfeld, mit der Einladung der AfD eine Flanke geöffnet zu haben, bewahrheitete sich nicht. Vor dem Veranstaltungsort hielt das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ eine kleine Kundgebung ab. Im Saal musste Pretzell sich einigen unangenehmen Fragen stellen, unter anderem zur Akkreditierung von Journalisten zu Parteitagen. Aber Moderator Frank Überall, der in seiner Rolle als DJV-Bundesvorsitzender selbst oft genug Kritik am Umgang der AfD mit Journalisten geübt hat, lenkte die Diskussion zügig von der einzelnen Partei weg und hin zum eigentlichen Thema, der Medienpolitik.

„Das war eine gelungene Veranstaltung“, freute sich der DJV-Landesvorsitzende Frank Stach. „Die Kolleginnen und Kollegen haben jetzt eine Vorstellung davon, welche medienpolitischen Ziele die Parteien verfolgen. Wir haben deutlich gemacht, dass Medienvielfalt und faire Bezahlung von Journalistinnen und Journalisten überaus wichtig sind.“