Wie kann man die Debatte um den Journalismus aus den Redaktionen heraus in die Mitte der Gesellschaft tragen? Indem man diese Debatten unter die Leute bringt. Das ist die Idee hinter dem Campfire-Festival des gemeinnützigen Recherche-Zentrums Correctiv. Nachdem der erste Versuch im vergangenen Jahr bei schlechtem Wetter und auf dem eher abgelegenen Uni-Gelände in Dortmund um Aufmerksamkeit kämpfen musste (siehe „Lagerfeuer im Regen“, JOURNAL 5/17), fand das zweite Campfire-Festival für Journalismus und digitale Zukunft bei strahlendem Sonnenschein vor dem Landtag in Düsseldorf statt, diesmal in Kooperation mit der Rheinischen Post. Der DJV-NRW war auch in diesem Jahr wieder dabei.
Drei Tage lang, vom 31. August bis 2. September, boten verschiedene Gruppen und Organisationen auf dem Festivalgelände mit zwei Hauptbühnen und 15 kleineren Zelten ein buntes Programm mit insgesamt 150 Einzelveranstaltungen. Das Angebot passte perfekt zum sonnigen Wetter und der entspannten Stimmung, in der mehrere Tausend Besucher zwischen den weißen Zelten entlang schlenderten.
Eines der Zelte hatte der DJV-NRW sich gesichert, um mit interessierten Mediennutzern, mit Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber dem Nachwuchs ins Gespräch zu kommen. Denn naturgemäß tummelten sich auch viele Jüngere auf dem Gelände, um sich über den Einstieg in den Journalismus, über Arbeitsmöglichkeiten, den Berufsalltag und diverse Trends zu informieren. Entsprechend aktuell und jung waren die Themen für Diskussionen und Vorträge.
Existenzgründung im Schnelldurchlauf
Den Einstieg im DJV-Zelt machte Freienreferent Michael Hirschler am frühen Freitagnachmittag, als noch wenige Menschen auf dem Gelände unterwegs waren. Vor anfangs noch recht leeren Reihen erläuterte er im Schnelldurchlauf, wie eine Existenz als freie Journalistin oder freier Journalist gelingen kann.
Und bald blieben die ersten Zuhörerinnen und Zuhörer interessiert stehen, nach und nach füllten sich Sitzreihen, wurden Notizblöcke und Stifte gezückt, wahlweise auch Handys und Tablets, um wichtige Tipps mitzuschreiben. Dabei ging es um Akquise und Vermarktung als wesentlichen Säulen, um Selbstorganisation und Konzepte, um Zielgruppen und Auftraggeber. Alles Wichtige zur Existenzgründung, verriet Hirschler, ist auch im Freienratgeber zu finden, zu beziehen über den DJV-Shop.
Trendthema Podcasting
Während um diese Uhrzeit noch das Zufallsprinzip und die engagierte Präsentation halfen, das Publikum zu finden, steuerten viele Kolleginnen und Kollegen den nächsten Vortrag gezielt an, so dass es im Zelt und auf den Sitzbänken davor richtig voll wurde: Helene Pawlitzki von der Rheinischen Post gab eine kompakte Einführung ins Thema Podcasting. Die Lokalredakteurin gehört zum Team des RP-Podcasts Rheinpegel mit lokaljournalistischen Themen.
Podcasting ist ein Trend, an dem sich mancher versuchen will. Dabei sind die Vorstellungen oft noch diffus. Podcasts sind nicht einfach eine Art Radio, machte Pawlitzki deutlich: „Sie können Abschweifungen enthalten und sind nicht so dicht gewebt wie Radiobeiträge.“ Und sie warb dafür, einfach mal mit der Form zu experimentieren: „Man muss nicht Radio machen können, um Podcasts zu produzieren.“
Wer damit starten will, muss sich zunächst Gedanken zum Konzept machen – ob der Fokus eher auf dem Thema liegen soll oder auf der Personality der Macherin oder des Machers. Soll es vielleicht um Nutzwert gehen, wer ist die Zielgruppe, wie oft sollen die Podcasts erscheinen? Und schon ging es im Vortrag weiter zur Technik, die ruhig erst mal einfach und kostengünstig sein kann, und zu Jingles und gemeinfreier Musik für das Intro, eventuell auch ein Outro. „Hörerinnen und Hörer sind treu und mögen das Wiederkehrende. Sie sind Gewohnheitstiere.“
Auch zum Veröffentlichen und dem Gefundenwerden erklärte die Referentin das Wichtigste und löste am Schluss auch das Versprechen des Workshop-Titels ein: „Wie mache ich einen erfolgreichen Podcast?“ Dazu präsentierte sie eine knackige Liste: Verstehe das Bedürfnis Deiner Hörer, mache ein Konzept das sich in einem Tweet erklären lässt („Claim“), schaffe etwas Neues, aber auch feste Rituale und veröffentliche zu einer festen Uhrzeit.
Work-Life-Balance – funktioniert das?
Schwerpunkt für den DJV-NRW bildete der Samstag mit insgesamt vier Panels. Das erste beschäftigte sich mit dem Thema Zeitmanagement und Work-Life-Balance. Ute Korinth, die neben ihrer Tätigkeit als PR-Fachfrau, Redakteurin und Social-Media-Managerin auch als Burn-Out-Coach und Achtsamkeitstrainerin arbeitet, hatte die selbstständige Facebook-Marketingberaterin und Yogalehrerin Claire Oberwinter und den Community Manager Jens Steinmann zum Gespräch geladen.
Beide haben Kinder und müssen Tag für Tag schauen, wie Familie und Beruf in Einklang zu bringen sind. Deswegen war für Steinmann auch klar, dass sich beruflich etwas ändern musste, als er Vater wurde: „Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten, ist nicht genug Zeit für eine Familie, wie ich sie mir vorstelle.“ Deswegen arbeitet er seit der Geburt seiner Tochter nur noch Teilzeit, sagt aber auch: „Wenn ich mir meine Arbeitszeit flexibler einteilen könnte, wäre das nicht unbedingt nötig.“ Sein Fazit: „Wir müssen andere Modelle finden.“
Auch Menschen ohne Kinder müssen einen Weg finden, Arbeit und Privatleben in einer gesunden Balance zu halten. Das betonte Ute Korinth im Gespräch mit ihren Podiumsgästen: „Vor allem für freiberuflich arbeitende Journalisten ist Zeitmanagement wichtig – und dass sie sich Freiräume schaffen. Das heißt nicht, dass man nicht viel arbeiten soll, aber jeder braucht auch Momente, in denen er sich entspannen kann. Freie Journalisten neigen dazu, immer und überall erreichbar zu sein.“
Berufseinstieg in die Medien
Panel zwei am Mittag richtete sich an den Berufsnachwuchs mit der Frage: Wie schafft man eigentlich den Einstieg in den Journalismus? Was muss man lernen und können, um hauptberuflich als Journalistin oder Journalist zu arbeiten? Das erläuterte Stanley Vitte, der Hochschulbeauftragte des DJV-Landesverbands NRW. Und er verriet, welche Fehler am Anfang drohen und wie sie zu vermeiden sind.
Die vorwiegend jungen Zuhörerinnen und Zuhörer interessierten sich in der anschließenden Diskussion vor allem für die richtige Studienwahl. Vitte betonte dabei: „Es kann sinnvoll sein, Politikwissenschaften zu studieren, wenn man später über Politik berichten will, Voraussetzung ist es aber nicht.“ Sein Tipp: „Für den Einstieg ist es wichtig, Erfahrung zu sammeln, zum Beispiel über Praktika und freie Mitarbeit schon vor und während des Studiums.“
Doch wie wird man freier Mitarbeiter in einer Redaktion, wollte Zuhörer Marlon Jungjohann wissen. Der 20-Jährige studiert ab dem Wintersemester Englisch und Geschichte in Bonn. Vitte: „Der persönliche Kontakt ist besonders wichtig. Guckt, welche Medien in eurer Stadt vertreten sind und schreibt Mails oder ruft Verantwortliche an. Nicht immer kommt sofort eine Zusammenarbeit zustande. Kollegen sind aber meist gut vernetzt und können weitere Tipps geben oder Empfehlungen aussprechen. Baut ein Netzwerk auf.“
„Kennen Sie die Lage der Welt?“ Mit dieser Frage startete die Fernsehredakteurin Kerstin Timm-Peeterß ihren Vortrag über Konstruktiven Journalismus und testete das Wissen der Zuhörerinnen und Zuhörer mit Hilfe des sogenannten Ignorance Tests. Entwickelt hatte diesen Test der schwedische Medizinprofessor Hans Rosling in den neunziger Jahren, indem er seinen Studierenden Fragen zur Lage der Welt stellte. Diese schätzten die Situation meist deutlich schlechter ein, als sie tatsächlich war.
Auch die Lösungen im Blick
So war es nicht verwunderlich, dass sich unter den Anwesenden im DJV-Zelt ein ähnliches Bild ergab. Nur wenige glaubten zum Beispiel, dass sich die Einkommenssituation der Weltbevölkerung verbessert hat. Die meisten gingen davon aus, dass ein Großteil der Menschheit in Armut lebt. Timm-Peeterß: „Oft wird nur über etwas Negatives berichtet bzw. mit einem negativen Blickwinkel. Positive Entwicklungen bekommen meist weniger Beachtung, und auch die Herangehensweise an ein Thema ist manchmal entscheidend.“ Der Konstruktive Journalismus will dem begegnen, indem er neben den Problemen auch mögliche Lösungen in den Blick nimmt.
Wie das geht, erklärte David Ehl von Perspective Daily, einem Online-Magazin, dass sich dem Kontruktiven Journalismus verschrieben hat. Als Beispiel wählte der eine Recherche zur schwierigen Situation am Ebertplatz in Köln, der in der lokalen Berichterstattung lange vor allem mit Kriminalität und Drogenhandel in Verbindung gebracht wurde.
„Ich hätte nur ein paar Anwohner und Spaziergänger befragen müssen und hätte schnell viele negative Berichte gehabt. Stattdessen habe ich den Bürgermeister der sichersten Stadt Deutschlands angerufen und gefragt, welche Maßnahmen diese Stadt zur Verbesserung der Sicherheit ergriffen hat. Mein zweiter Gesprächspartner war ein Architekt, der sich mit Städtebau auseinandersetzt. Ihn habe ich gefragt welche Baumaßnahmen die Sicherheit verbessern können. Anschließend habe ich in einem Artikel die Möglichkeiten beschrieben, die Situation am Ebertplatz zum Positiven zu ändern.“
Das letzte Samstags-Panel im DJV-Zelt war ein sogenannter Speedtalk unter dem Titel „Was schiefgehen kann, geht schief“ Marie Illner sprach mit zahlreichen Gästen über Pannen im Berufsalltag und wie man mit diesen umgehen kann. Das Thema war ihr wichtig, da sie vor allem zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn große Angst davor hatte, etwas falsch zu machen. So bekannte Illner: „Gleich in einem meiner ersten Texte, der sich mit dem Thema Prostatakrebs beschäftigte, verwechselte ich Urologen mit Ornithologen.“
Vom Umgang mit Pannen
Auch das Publikum steuerte zahlreiche Anekdoten bei. Einer berichtete von einem Interview mit dem niederländischen König, das eigentlich in Deutsch geführt werden sollte. Weil es aber im Verlauf plötzlich ins Niederländisch wechselte, wurde es dann nur in den Niederlanden ausgestrahlt.
Kerstin Timm-Peeterß erzählte von einer Sendung, die in 10 Sekunden live gehen sollte. Die Kollegin vor der Kamera drehte dieser allerdings das Hinterteil zu, und Timm-Peeterß verlor in der Regie fast die Nerven. „Ich war kurz davor, die Moderatorin anzubrüllen.“ Im letzten Moment drehte sich die Moderatorin allerdings zur Kamera. „Nach dieser Situation ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, ruhig zu bleiben. Und dass es immer eine Lösung gibt. Wir hätten im schlimmsten Fall eine Sendung über Vögel gezeigt“, erläuterte Timm-Peeterß.
Am Ende stand ein zufriedenes Fazit für den DJV-NRW: „Das Campfire-Festival spricht die ganze gesellschaftliche Bandbreite von Menschen an, die sich für das Thema Journalismus interessieren. Man kommt locker miteinander ins Gespräch, deshalb ist dieses neue Veranstaltungsformat sehr inspirativ“, erklärte Geschäftsführer Volkmar Kah. „Journalisten sprechen mit Journalisten, aber auch mit anderen Interessensgruppen.“
Ein Beitrag aus JOURNAL 5/18 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2018.