„Berichten Sie bloß objektiv“: Garniert mit kritischem Blick wird diese Forderung durch die Frontzähne Richtung Journalistin oder Journalist gepresst. Dabei ist das Problem nicht das Gesagte, sondern das Gemeinte: Wenn Sie nicht schreiben oder senden, was ich denke, dann ist Ihr Bericht nicht neutral/objektiv! Menschen, die selbst unverrückbare Ansichten haben, reagieren oft allergisch auf Meinungsvielfalt. Sie sitzen dem Meinungsfreiheitsmissverständnis auf: Jeder darf seine Meinung haben und behalten, aber nicht erwarten, dass ihm nie widersprochen wird. Und das ist auch gut so.
Denn objektiv betrachtet, ist jeder mal im Unrecht oder schlecht informiert. Die Erwartung, in Medien immer die eigene Meinung präsentiert zu bekommen, ist schlicht nicht zu erfüllen. Wer im Umkehrschluss daraus ableitet, ein Medium berichte „falsch“, weil es etwas bringt, das man selbst nicht lesen oder hören möchte, erwartet von Medien etwas, das heute schon die Schwäche von Diskursen in sozialen Medien ist: Es geht nicht mehr darum, Argumente auszutauschen oder den eigenen Horizont um andere Perspektiven zu erweitern, es geht einzig um Selbstbestätigung. Die ist aber nicht der Job von Journalistinnen und Journalisten. Sie macht uns nicht schlauer, und sie hilft nicht, mit der Komplexität der Welt klar zu kommen.
Nutzer müssen bereit sein, sich informieren zu lassen, sich zu hinterfragen, die Argumente der Gegenseite zu hören und sich von ihnen überzeugen zu lassen, wenn es die besseren sind. Sie sollten nicht denen glauben, die ihnen paradoxerweise vorbeten, dass Medien total unwichtig sind und sie gleichzeitig als samt und sonders fragwürdig abstempeln. So irrelevant, dass man ihn ignorieren könnte, ist der Journalismus wohl doch nicht. Oder warum sonst geben sich die Lügenpresserufer so viel Mühe, ihn zu diskreditieren?||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2020.