Irgendwer rief: „Der Kahlschlag im Lokalen war ein Fehler. Die Manager sollten sich mehr um Journalismus als um Rendite kümmern!“ Wir stutzten: Hatte sich Julia Becker von Funke an unseren Stammtisch geschlichen? Aber hinterm Tresen, unserm Tisch – keine Verlegerin. Schade, wir hätten sie uns gern zur Brust genommen. Nicht nur, weil ihren guten Sprüchen keine Taten folgten. Auch, weil sie nach dem Austritt aus dem BDZV anscheinend voll Richtung Tarifflucht steuert.
„Sie hätte ihren ach so wertgeschätzten Leuten wenigstens einen anständigen Haustarif anbieten können. Boah, ich finde das undankbar“, fauchte Karo. „Schmollen allein bringt nichts“, mahnte Heike, „lasst uns lieber was tun“. Wir wussten: Kämpfen ist besser als nur ärgern. Hat nämlich Aussicht auf Erfolg.
„Irgendwie ist bei den Verlegern der Wurm drin“, meinte Paul. „Manche puzzeln gerade mit Redaktionsresten, um aufgerissene Lücken irgendwie zu füllen.“
Merle fragte uns: „Was passiert im werbefinanzierten Journalismus? Besser gesagt: mit den Chefs dort?“ Denn die Hüter von Publizistik-Gutshöfen und Träger der Pressefreiheit, die Verleger, werden immer rätselhafter: „In Sonntagsreden sind alle auf unserer Seite. Und im Alltag erleben wir dann gespaltene Zungen, fast überall“, klagte Karim. Die Frage drängte sich auf: „Geht es denen überhaupt noch um Journalismus?“
Bei Springer macht der Vorstandschef inzwischen – gefühlt monatlich – durch Entschuldigungen von sich reden. Weil er privat wohl völlig anders denkt als dienstlich. Dass Ossis eklig sind, zum Beispiel, würde Mathias (Spitzname „Sorry“) Döpfner nie sagen, höchstens mal in privaten Mails schreiben. Und bei Entdeckung gleich wieder dementieren. Sebastian rätselte: „Kann man den noch ernst nehmen?“
Einige tun es. Jung-Verleger Holger Friedrich (Berliner Zeitung) verriet Döpfner, dass dessen Ex-Liebling Reichelt ihm heimlich Springer-Interna gesteckt hatte. Damit ließ er nicht nur einen Informanten auffliegen, sondern verhinderte womöglich auch Enthüllungen. Vorher hatte ja Alt-Verleger Dirk Ippen seiner Investigativ-Redaktion die Veröffentlichung einer Springer- Story verboten. Krähen untereinander…
Auch die Aschendorff-Chefs irritierten den Stammtisch. Am Tag, nachdem sie die Einstellung der Anzeigenblätter verkündet hatten, mit Folgen für viele Jobs, luden sie per Intranet zur hausinternen Karnevalsfeier ein. „Ja, die denken und fühlen liebevoll mit, die Verleger“, spottete Katrin. Alles total ärgerlich, fanden wir. Wem kann man noch vertrauen? Aber Schmollen allein bringt ja nichts: „Kämpfen wir erst mal gegen die Tarifflucht!“ Darauf stießen wir an.