Tobias‘ Lippen zuckten. Schon bald würden sich in den Mundwinkeln Spott und Hohn einnisten. Selbst an unseren Laptops konnten wir erkennen: Da baut sich sein berühmtes Bullshit-Grinsen auf. Das hat er drauf, seit Medienmanager mit treuem Augenaufschlag behaupteten: Ja, wir bauen Personal ab, aber das steigert die Qualität. Warum grinste er wohl diesmal? Etwa weil Twitter nach zahllosen Aufforderungen, endlich gegen Hass und Fake News vorzugehen, den Trump rausgeworfen hatte? Oder weil der WDR die Bücherrezensionen vom Stammplatz streichen will – damit Kultur im Sender abwechslungsreicher wird? Oder weil der Stern seine Politikredaktion schließt? Sicher wegen der Qualität.
Tobias grinste und schwieg. Auch noch nach der dritten Runde Probleme-Wälzen am Stammtisch, den wir seit dem Hype um die Audio-App Clubhouse nur noch „Vereinsheim“ nannten. Es war wie am Murmeltiertag in Punxsutawny: irgendwie immer dasselbe. Die Freien nagen mehr denn je am Hungertuch. Die Öffentlich-Rechtlichen ziehen die Sparschrauben noch stärker an. Die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten werden bedrohlicher.
„Fühlt ihr euch auch wie Sündenböcke?“ fragte Dennis. Ahmet nickte: „Nichts können wir recht machen.“ Inzwischen schimpfen viele darüber, wie Medien in der Pandemie die Nachfrage der Bürger bedient haben. Es habe ein „groteskes Übersoll an Berichterstattung“ gegeben, meinte einer. Ein Trost: Immerhin hat der Papst investigativen Reportern, die sich in Kriege wagten und zu Vergessenen gingen, für ihren Mut gedankt. Und für die abgelaufenen Schuhsohlen.
Tobias grinste. Und Dennis hielt es nicht mehr aus: „Was ist denn los, Tobias?“ fragte er endlich. „Ach, ich dachte nur ans Clubhouse. Da plappern Prominente sich um Kopf und Kragen.“ Ein Ministerpräsident, der während Staatskrisen am Handy Candy Crush spielt, musste sich entschuldigen, weil er die Kanzlerin als Merkelchen bezeichnete. Das stand dann prompt in der Zeitung. „Journalisten sind halt überall – und gefährlich“, feixte Tobias. „Anwälte aber auch“, meinte Hanna: Ein bekannter Journalist musste widerrufen, dass er einen Haftbefehl gegen eine rechtsstramme frühere Tagesschau-Sprecherin habe; es war nur ein Zahlungsbefehl, wie ihr mithörender Rechts-Vertreter wusste.
Wir wussten an diesem Abend im Vereinsheim noch nicht, was wir von Clubhouse halten sollen. Während die Jugend in Villarriba schon über öffentliche Blattkritik und Redaktionskonferenzen mit Publikum diskutierte, gaben sich die Todgeweihten in Villabajo noch irritiert: „Clubhouse? Ich kenne nur Penthouse.“/
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2021.