Rundfunkbeitrag: Gutes Signal, aber keine Entwarnung!

Kommentar
9. August 2021, Karen Gesierich

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden, dass die unterlassene Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags um monatlich 86 Cent ab 1. Januar 2021 verfassungswidrig war. Das ist ein gutes Signal für die Rundfunkfreiheit in Deutschland. Mit seiner Entscheidung gibt das Bundesverfassungsgericht auch den Kolleginnen und Kollegen im WDR ein Stück Sicherheit für ihre gesellschaftlich wichtige Arbeit.

Porträt Karen Gesierich
Karen Gesierich | Foto: Uwe Voelkner/FOX

Aber: Finanzierung und Reformdebatte sind zwei Paar Schuhe. Das Urteil ist keine generelle Entwarnung für alle, die sich um die journalistische Qualität und die Arbeitsbedingungen im Sender sorgen. Alle anstehenden Sparmaßnahmen hat die Geschäftsleitung auf Basis von 18,36 Euro verkündet und nach dem Urteil bekräftigt, es gebe „keinerlei Anlass, an den beschlossenen Sparvorgaben zu rütteln“. Das heißt: Die Verlagerung von Programm und Ressourcen ins Internet zu Lasten des linearen Programms wird weitergehen.

Was wir vom WDR fordern, ist ein klares Konzept. Das Ziel, bis 2025 ein Drittel der Menschen in NRW täglich einmal non-linear zu erreichen, ist noch keine Strategie. Was sind die Inhalte? Wo setzt der WDR Schwerpunkte?

Wir werden weiter kämpfen müssen für Inhalte, die unseren Ansprüchen an journalistische Qualität genügen.

Es darf keine Verflachung geben. Das Bundesverfassungsgericht verweist in seinem Urteil explizit auf die vornehmste Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, „authentische, sorgfältig recherchierte Informationen“ zu liefern, „gerade in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“.

Die große Frage, die sich seit einigen Jahren stellt: Wenn immer mehr digitale Produkte dazukommen, ohne dass es mehr Geld und Personal gibt – auf was wird verzichtet? Passt es wirklich zum öffentlich-rechtlichen Auftrag, auf den die Karlsruher Richterinnen und Richter verwiesen haben, wenn die ARD-Politikmagazine oder die „Story im Ersten“ auf der Kürzungsliste stehen?

Wir werden weiter kämpfen müssen für faire Arbeitsbedingungen, unter denen gute journalistische Arbeit möglich ist.

Das Hamsterrad darf sich nicht noch schneller drehen. Immer mehr, immer höhere Schlagzahl – das verschleißt und ist auf Dauer nicht durchzuhalten.

Wo bleiben feste und freie Beschäftigte, wenn in ihrem Bereich umstrukturiert wird und etablierte Produktionen eingestellt werden? Sie erwarten Perspektiven für die digitale Welt, sie brauchen Zeit und Möglichkeit, sich umzuorientieren und einzuarbeiten. Nur auf jung und preiswert zu setzen darf nicht sein. Vielfalt bedeutet auch: Teams aus Erfahrenen und Nachwuchs sind wichtig.

Für die Freien gilt außerdem: Tarifverträge passen teilweise nicht mehr und müssen für die non-lineare Welt verändert werden. Weil ein Beitrag „nur“ bei Facebook oder YouTube läuft, ist er noch lange kein Billigprodukt. Pauschalhonorare, von Betroffenen schon als „Flatrate-Modell“ bezeichnet, können nicht die Lösung für alles sein.
Und möglicherweise gehört auch das System der Prognose, an dem der WDR als einzige ARD-Anstalt standhaft festhält, auf den Prüfstand.

Wir müssen gemeinsam den WDR weiter zukunftsfähig machen. In Zeiten, in denen der Kulturwandel beschworen wird, gehören alle mit ins Boot. Wir sind bereit zu Veränderungen, aber wir erwarten auch eine Gegenleistung.||

Karen Gesierich ist Vorsitzende der DJV-Betriebsgruppe im WDR und freigestelltes Personalratsmitglied.

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2021, vorab veröffentlicht am 8. August 2021.