Die Blockade der Rundfunkbeitragserhöhung durch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 20. Juli entschieden. Nach dem Urteil, das am 5. August verkündet wurde, hat die nicht erfolgte Abstimmung über den Medienänderungsstaatsvertrag im Landtag gegen die Rundfunkfreiheit verstoßen. Damit gaben die Richter den Beschwerden von ARD, ZDF und Deutschlandradio statt und setzten die in dem Vertrag vorgesehene Anpassung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro mit Wirkung zum 20. Juli in Kraft. (AZ: 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20)
Von einer rückwirkenden Erhöhung zum 1. Januar 2021 sah das Gericht ab. Die Anhebung des Beitrags ist nach Mitteilung der Richterinnen und Richter eine Zwischenregelung, um weitere erhebliche Beeinträchtigungen der Rundfunkfreiheit zu vermeiden. Sie gilt, bis die Länder die funktionsgerechte Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio staatsvertraglich neu geregelt haben.
Was das Urteil für die Sender heißt
Die Erleichterung über das Urteil darf nicht verdecken, dass in den Sendern viele Baustellen offen sind. „Finanzierung und Reformdebatte sind zwei Paar Schuhe“, mahnt Karen Gesierich, Vorsitzende der DJV-Betriebsgruppe im WDR und freigestelltes Personalratsmitglied, in einem Kommentar und macht am Beispiel des WDR deutlich, dass es auch stringente Rezepte braucht, um zukunftsfähig zu werden.
Zum Kommentar „Rundfunkbeitrag: Gutes Signal, aber keine Entwarnung!“
Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten Anfang des Jahres geklagt, weil die ausgesetzte Abstimmung in Sachsen-Anhalt die planmäßige Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat verhindert hatte. Im vergangenen Jahr hatten alle anderen Bundesländer der Erhöhung bereits zugestimmt. Als am 8. Dezember die Abstimmung im Landtag Sachsen-Anhalts anstand, zog Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Vorlage zur Ratifizierung des Medienänderungsstaatsvertrags zurück, die unter anderem die Beitragserhöhung auf Basis einer Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) enthielt. Ziel war es, das Zerbrechen der zerstrittenen Regierungskoalition mit SPD und Grünen zu verhindern.
Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe hoben die Rolle der unabhängigen KEF bei der Bemessung des Rundfunkbeitrags heraus. Im gegenwärtigen System sei eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich. Um von dieser Feststellung abweichen zu können, habe zudem eine nachprüfbare Begründung gefehlt.
Eine rückwirkende Beitragserhöhung zum 1. Januar 2021 befürwortete Karlsruhe jedoch nicht. Stattdessen sollen nun eine neue Stellungnahme der KEF sowie ein Änderungsstaatsvertrag als Grundlage für eine Beitragserhöhung in Gang gesetzt werden. Wörtlich heißt es dazu: „Dabei sind Kompensationserfordernisse wegen unterbliebener Beitragsanpassung zu berücksichtigen.“
Diskussion um Auftrag und bedarfsgerechte Finanzierung
Das Urteil befeuerte erwartungsgemäß die schon lange schwelende Diskussion um Auftrag und bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bisher konnten sich die Länder nicht auf eine Reform einigen.
Die Sender begrüßten das Urteil als klares Signal zur Sicherung der Rundfunkfreiheit. ARD-Vorsitzender und WDR-Intendant Tom Buhrow erklärte, der Beschluss stehe „in Kontinuität mit der bewährten Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte“. Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags müsse frei von politischen Interessen erfolgen. Die Entscheidung versetze die Sender „in die Lage, in den kommenden Jahren weiter das bestmögliche Programm für die Menschen zu machen“. Zugleich betonte Buhrow, dass die Rundfunkanstalten auf Reformkurs blieben.
Schallende Ohrfeige für Populisten
Auch der DJV nahm das Urteil zum Rundfunkbeitrag mit Erleichterung zur Kenntnis. Es sei „eine schallende Ohrfeige ins Gesicht von Populisten, die versuchen, über die Finanzierung Einfluss auf die Programminhalte nehmen zu können“, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.
Überall betonte, die Karlsruher Entscheidung sei ein „gutes Zeichen für den Qualitätsjournalismus bei ARD, ZDF und Deutschlandradio“ und appellierte an die Sender, bereits eingeleitete und möglicherweise geplante Sparmaßnahmen zulasten der Programmangebote ad acta zu legen. Überall: „Es gibt jetzt keinen Grund mehr, an der journalistischen Qualität der öffentlich-rechtlichen Angebote zu sparen.“||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2021.