Referentin Sigi Lieb beschäftigt sich mit genderneutraler Sprache und sagt: Sprachlich schön und gendersensibel formulieren ist gar nicht so schwer. Am 18. Mai bietet sie für den DJV-NRW das Seminar „Richtig gendern – Lösungen für die Praxis“ an.
JOURNAL: An wen richtet sich das Seminar „Richtig gendern – Lösungen für die Praxis“?
Sigi Lieb: An alle, die redaktionell mit Text arbeiten – ob für das Radio, beim Fernsehen, bei Zeitungen sowie in Agenturen oder in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein bisschen Textkompetenz setze ich voraus, ebenso Sprach- und Grammatikwissen. Aber das dürfte bei Journalistinnen und Journalisten vorhanden sein.
JOURNAL: Im Seminar sprechen Sie auch über Gesellschaft, Sprache und die Genderfrage. Können Sie nachvollziehen, warum sich am Gendern manche Gemüter so stark erhitzen?
Lieb: Sprache ist es etwas, das wir jeden Tag benutzen, etwas sehr Persönliches. Unser Sprachgebrauch sagt etwas über uns aus. Wenn nun wer kommt und sagt, „Du sollst da etwas ändern“ oder „Du machst da etwas falsch“, geht das schnell ans Gefühl. Und weil wir alle Sprache benutzen, haben wir auch etwas dazu zu sagen.
Ärgerlich finde ich die Falsch- und Desinformation zu dem, was „Gendern“ ist und soll. Wenn Friedrich Merz im Wahlkampf zum Beispiel von Kinder*innen spricht, dann ist das Unsinn. „Das Kind“ ist genderneutral. Aber was tun Leute nicht alles für ein paar Klicks und Aufmerksamkeit. Leider behindert das die Bemühungen, zu erklären, was der Stern bedeutet und welche anderen Möglichkeiten die Sprache bietet, sodass alle selbst entscheiden können. Manche Menschen denken, es muss bald alles voller Sternchen oder Doppelpunkte sein. Das ist Quatsch. Man kann gut ohne Sonderzeichen genderinklusiv schreiben. Wer das Warum versteht und die Techniken kennt, braucht nur ein bisschen Übung. Menschen, die beruflich mit Sprache arbeiten, sollten das hinbekommen. Und natürlich sind an manchen Stellen Gendersterne eine Hilfe. Sparsam eingesetzt stören sie nicht wirklich.
JOURNAL: Stichwort Sonderzeichen: Sind sie ein Problem für Barrierefreiheit oder Suchmaschinenoptimierung (SEO)?
Lieb: Hundertprozentige Barrierefreiheit gibt es nicht, weil die Ansprüche an Sprache und Kommunikation je nach Gruppe unterschiedlich sind und teilweise einander widersprechen. Es muss also immer nach Kompromissen gesucht werden. Zudem haben Menschen mit Behinderung ebenso unterschiedliche Meinungen wie Menschen ohne. Es ist nicht in Ordnung, so zu tun, als ob eine ganze Gruppe, etwa Menschen aus dem Autismusspektrum, mit einer Stimme sprächen. Die Meinungen dort sind so vielfältig wie in jeder anderen Gruppe auch.
Beim Thema Suchmaschinenoptimierung kommt es zuerst auf das Keyword an, da spielt die Genderfrage oft keine Rolle. Nehmen Sie Texte über den Ukrainekonflikt oder die Gaspipeline. Sonderzeichen sind für SEO nur relevant, wenn sie das Keyword betreffen. Und hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, kreativ damit umzugehen. Außerdem lernen Algorithmen ständig dazu. Sie erkennen Sonderzeichen immer besser. Letztlich ist gendergerechte und seo-optimierte Schreibe eine Kombination aus Verständnis und Übung.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2022.