Medienpolitik muss in Nordrhein-Westfalen wieder eine größere Rolle spielen. Einen entsprechenden Appell richtete der DJV-NRW an die neue Landesregierung. „Medienpolitik ist ein Schlüssel, um die demokratische und pluralistische Meinungsbildung zu gewährleisten“, schrieb der Landesvorsitzende Frank Stach Anfang Juni an den neuen Ministerpräsidenten Armin Laschet, den frisch ernannten Medienminister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner sowie an die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP, Bodo Löttgen und Christian Lindner.
Der DJV-NRW bot an, dass er als Interessenvertretung von etwa 7.000 Journalistinnen und Journalisten in NRW bereit sei, seinen Sachverstand einzubringen. Ein erstes Gespräch zwischen dem neuen Medienminister und dem Landesvorsitzenden hat es denn auch bald nach Amtsantritt gegeben.
Kompetenz in Sachen Medien
Unbestritten bringt das neue Kabinett viel Kompetenz in Sachen Medien mit. So hat der Ministerpräsident selbst eine journalistische Ausbildung absolviert, in seinem Lebenslauf finden sich Stationen als freier Journalist sowie als Verlagsleiter und Geschäftsführer des Einhard Verlags in Aachen. Gegen Ende der Amtszeit des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers war Laschet 2010 sogar wenige Monate selbst Medienminister.
Dem heutigen Kabinett gehören zwei Minister an, die bisher Verlegerinteressen vertreten haben. Neuer Minister für Bundesangelegenheiten, Europa, internationale Beziehungen und Medien ist Stephan Holthoff-Pförtner, Miteigner der Funke-Mediengruppe und bisheriger Präsident des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Hendrik Wüst, bislang Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbands NRW und des Verbands der Betriebsgesellschaften des privaten Hörfunks in NRW, hat das Verkehrsministerium übernommen.
Der DJV-NRW reagierte mit Befremden auf diese beiden Personalien. Vor allem die Benennung des neuen Medienministers sorgte beim Landesverband der größten Journalistengewerkschaft erstmal für Bauchschmerzen: Bei der Funke-Gruppe hatte Holthoff-Pförtner bisher verschiedene Funktionen inne – als Mitglied des Aufsichtsrats, des Gesellschafter- und des Präsidialausschusses. Er wird zwar seine Verlagsbeteiligung nicht abgeben, hat aber seine Ämter inzwischen niedergelegt und seine Stimmrechte auf seinen Adoptivsohn Georg Scheid übertragen. Ministerpräsident Laschet hat zudem gegenüber dem SPIEGEL versichert, Holthoff-Pförtner werde sich als Medienminister nicht an Entscheidungen beteiligen, „die seine Verlagsgesellschaft unmittelbar betreffen“.
Gibt es Interessenkonflikte?
Trotz dieser Zugeständnisse sieht der renommierte Fachdienst Medienkorrespondenz in dieser Konstellation ein „politisches Risiko“ für die schwarz-gelbe Landesregierung: „Ein Medienkonzern-Miteigner und vorheriger oberster Interessenvertreter der Zeitschriftenbranche als Medienminister – da mag die Fachkompetenz zwar unbestritten sein, doch erscheinen Interessenkonflikte programmiert.“ Schließlich gehören zur Funke-Gruppe nicht nur die Zeitungen, Zeitschriften und Online-Aktivitäten, sondern auch Beteiligungen im NRW-Lokalfunk. Gerade im Privatfunk seien deswegen Interessenkonflikte möglich, ebenso im Dauerkonflikt zwischen Verlegern und öffentlich-rechtlichem Rundfunk, schreibt MK-Autor Volker Nünning.
Auch Medienforscher Horst Röper (FORMATT-Institut) bestätigte kurz nach Bekanntwerden der Personalie in einem Interview beim Deutschlandfunk mögliche Interessenkollisionen für Holthoff-Pförtner. Man werde „gespannt beobachten müssen, wie er denn diese beiden Eigenschaften – also Zuständigkeiten als Minister und eben auch Zuständigkeiten als Miteigner – auseinanderhält“.
Anfang August rückte die Frage erneut in den Fokus der Medien So sieht der Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlok von der Heinrich-Heine-Universität einen „offenkundigen“ Interessenskonflikt, wie unter anderem die Rheinische Post berichtete. Holthoff-Pförtener habe „ein massives Eigeninteresse an diversen Themen, die unmittelbar seinen Geschäftsbereich als Medienminister betreffen“. Das sei unvereinbar mit der Gemeinwohlverpflichtung eines Landesministers.
Auch @mediasres, die tägliche Mediensendung des Deutschlandfunks, berichtete und zitierte Regierungssprecher Christian Wiermer: Wie jedes Kabinettsmitglied werde Minister Holthoff-Pförtner „sein Handeln alleine an Verfassung und Gesetz sowie am Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen und seiner Bürgerinnen und Bürger orientieren und sich damit entsprechend seines geleisteten Eides verhalten“. Zudem werde eine sogenannte Ministerehrenkommission mögliche Interessenskonflikte prüfen.
Der DJV-NRW appellierte nach der Berufung an den neuen Medienminister, sich an die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele zu halten: die Presse- und Medienvielfalt zu stärken und die Rahmenbedingungen für die Medienbranche insgesamt zu verbessern. „Wir setzen darauf, dass sich Dr. Holthoff-Pförtner als ausgewiesener Medienfachmann für die Interessen der großen und kleinen Verlagshäuser, für den privaten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und nicht zu vergessen für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzt.“
Der DJV-NRW will aufmerksam beobachten, wie die Medienpolitik in NRW zukünftig gestaltet wird und beizeiten auf falsche Weichenstellungen aufmerksam machen.
Was im Koalitionsvertrag steht
Vorgenommen haben CDU und FDP sich laut Koalitionsvertrag einiges: So wollen sie das Landesmediengesetz mit Blick auf die Digitalisierung überarbeiten und dem dualen Rundfunksystem neue Rahmenbedingungen verpassen. Das WDR-Gesetz soll novelliert werden, unter anderem mit weniger bürokratischen Regeln zur Besetzung der Aufsichtsgremien. Mittelfristiges Ziel ist ein „weitgehend werbefreier WDR“. Die Verfahren zur Überprüfung öffentlich-rechtlicher Online-Angebote will die Landesregierung „im Sinne eines fairen Wettbewerbs weiterentwickeln“. An solchen Stellen wird sich zeigen, ob Verlegerinteressen dabei ein noch offeneres Ohr finden als in den vergangenen Jahren.
Das gilt auch für die geplante Gesamtstrategie „Radio in NRW 2022“, schließlich stehen mehrheitlich die Verleger hinter dem NRW-Lokalfunk: Der DJV-NRW wird genau hinschauen, wie die Pläne „für ein vielfältiges und zukunftsfähiges Radio und einen wirtschaftlich tragfähigen Lokalfunk im digitalen Zeitalter“ aussehen werden und ob das bewährte System aus Betriebs- und Veranstaltergemeinschaften erhalten bleibt.
Das Medienforum NRW, dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren mit wechselnden Konzepten immer weiter gesunken ist, will Schwarz-Gelb „durch ein neues Konzept ersetzen“. Die Film- und Medienstiftung NRW soll künftig wohl auch für die Gamesbranche zuständig sein und in ihrer Struktur entsprechend angepasst werden. Die Mittel für die Film- und Medienförderung (einschließlich Web-Inhalten und Games) sollen steigen. Darüber hinaus will die Koalition unter anderem die Besetzungsregeln für die Medienkommission vereinfachen und Medienbildung sowie Medienförderung neu ordnen.
Die Stiftung „Vor Ort“, deren Gründung die jetzigen Regierungsparteien als Opposition scharf kritisiert hatten, wollen sie nun in die Landesanstalt für Medien integrieren. Die Mittel sollen in Projekte zur Stärkung des Journalismus (Coaching und Mentoring) und zur Stärkung der Medienkompetenz fließen.
Begrüßenswert ist aus Sicht des DJV-NRW, dass die Landesregierung über eine Bundesratsinitiative die Voraussetzungen schaffen will, dass Journalismus als gemeinnützig anerkannt werden kann.||
Weitere neue Ansprechpartner:
Staatssekretär Mark Speich und Regierungssprecher Wiermer
Neuer Regierungssprecher unter Ministerpräsident Armin Laschet ist Christian Wiermer, seit 2011 Chefreporter bei der Kölner Mediengruppe DuMont Schauberg und Träger des diesjährigen Wächterpreises. Als langjähriger Hauptstadtkorrespondent der drei DuMont-Titel Kölner Express, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost kennt er sich mit Landes- und Bundespolitik aus.