Pressefreiheit und Quellenschutz, gute Arbeitsbedingungen und angemessene Tariferhöhungen – gerade vor dem Hintergrund der Inflation: Mit diesen und weiteren drängenden Themen befassten sich die mehr als 200 Delegierten beim Verbandstag am 6. und 7. November in Lübeck. Dabei immer im Blick: die Zukunft mit den Veränderungen des Berufs und dem Wandel der Branche über alle Mediengattungen hinweg.
Stiftung könnte Spielräume schaffen
Die Tagesordnung versprach sogar einen „Bericht aus der Zukunft“. Dahinter verbarg sich die Präsentation der Ergebnisse aus der Zukunftswerkstatt des Bundesverbands im Mai in Herne. Neben Impulsen, die ähnlich schon im Zukunftsprozess in NRW entstanden waren, gab es weitere wertvolle Ideen, darunter ein Bildungsreferat auf Bundesebene sowie eine „Deutsche Stiftung Qualitätsjournalismus“ (DSQ). Über eine solche gemeinnützige Stiftung mit dem Ziel, Qualitätsjournalismus zu fördern, ließen sich Gelder einwerben und mittelfristig für journalistische Projekte und Maßnahmen verwenden. Diese Ideen überzeugten die Delegierten, sie erteilten dem Bundesvorstand in beiden Fällen den Auftrag, die Machbarkeit zu prüfen.
Auch eine bessere Gestaltung des Verbandstags gehörte zu den Vorschlägen der Zukunftswerkstatt. Die Eröffnungsreden fielen wunschgemäß kurz aus, ebenso die Berichte des Vorstands – um den Preis, dass manche zeitaufwendigen Projekte nicht so gewürdigt wurden, wie es die Akteurinnen und Akteure gewünscht hätten.
Die zuvor eingesparte Zeit kam einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Digitalisierung der Mediengesellschaft: Wie kann eine digitale Daseinsfürsorge aussehen?“ zugute. Allerdings bot das Gespräch zwischen der Journalismusforscherin Prof. Dr. Wiebke Loosen vom Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck Jens Meier und dem stellvertretenden DJV-Bundesvorsitzenden Mika Beuster wenig neue Einsichten.
In den Reihen der NRW-Delegation hätten die meisten diese Zeit lieber in das Paket aus Anträgen und Resolutionen investieren wollen. Zu Recht – einmal mehr zeigte sich, dass die zweitägigen Verbandstage (in den Jahren ohne Vorstandswahlen) eben doch zu kurz sind, um alle Themen mit ausreichender Zeit zu debattieren. Wie schon in früheren Jahren mussten die Delegierten am Schluss einen Teil der innerverbandlichen Anträge an den Bundesgesamtvorstand überweisen.
Diverser werden an vielen Stellen
Doch vor der Antragsberatung galt es wie üblich anderes abzuarbeiten: Rechenschaftsbericht und Entlastung des Vorstands, Verabschiedung des Etats und die Wahl der DJV-Vertreterinnen und -Vertreter für den Presserat.
Letzteres zeigte, dass sich der DJV noch stärker um Diversität in den eigenen Reihen bemühen muss: Dass für die sieben Plätze sechs Männer und eine Frau zur Wahl standen, kritisierten unter anderem die beiden NRW-Delegierten Helle Jeppesen (Bundesfachausschuss Gleichstellung) und Jasmin Khatami (Landesvorstand). Nach einer intensiven Debatte kandidierte die iranischstämmige Negin Behkam aus dem Vorstand des DJV Berlin JVBB und wurde gewählt.
Von Tarifen bis Freien-Themen
Vielfältig wie immer war dagegen das Antragspaket. Es umfasste Themen wie die Arbeitsweise von Redaktionen und Medienschaffenden nach Corona, die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei Demonstrationen, die notwendige Durchsetzung tarifpolitischer Forderungen gegenüber Medienarbeitgebern inklusive einer Strategie für Haustarifverhandlungen an Tageszeitungen sowie mehrere Anliegen der Freien. Zu letzteren gehörte die Neuauflage der Freien-Umfrage und die Nennung der Urheberinnen und Urheber bei Texten und Fotos.
Aus dem Landesverband NRW kamen auf Anregung von Pascal Hesse zwei Anträge zur VG Wort: So sprach sich der Verbandstag dafür aus, dass die VG Wort einen „Förderungsfonds Journalismus und Publizistik“ einrichtet. Zudem forderten die Delegierten die Presseverlage auf, ihre VG-Wort-Tantiemen wieder in die journalistische Aus- und Weiterbildung zu investieren, wie dies früher üblich war.
In zwei Dringlichkeitsanträgen bekannten sich die Delegierten zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer angemessenen Vergütung für Feste und Freie; sie forderten die Verantwortlichen auf, in den Häusern mehr Mitbestimmung zu ermöglichen und die Rechte der Aufsichtsgremien zu stärken. Außerdem machten sie sich für einheitliche Compliance- und Transparenz-Regeln innerhalb aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stark. Der Vorsitzende Frank Überall erteilte zudem dem von WDR-Intendant Tom Buhrow eingebrachten Vorschlag eines runden Tischs für eine Grundsatzreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Absage und verwies auf „demokratisch legitimierte Landesparlamente und Rundfunkgremien, die über mögliche oder gar notwendige Veränderungen beraten und entscheiden können“.
In einer Resolution appellierte der Verbandstag an die medienrechtlichen Verantwortlichen, den Anteil des Berlusconi-Unternehmens „Media for Europe MFE“ an ProSiebenSat.1 dauerhaft auf unter 25 Prozent zu begrenzen.
Blick auf die eigenen Strukturen
Natürlich tat es gut, in diesem Jahr wieder unter normalen Bedingungen in einem großen Raum zu sitzen. Aber es ist wichtig, dass Gremien auch nach Auslaufen der Coronaregelungen bei Bedarf digital tagen können: Um das zu ermöglichen, verabschiedete der Verbandstag entsprechende Satzungänderungen.
Während diese – wie bei Satzungsänderungen üblich – schon zu Beginn der Antragsdebatte behandelt wurden, waren einige innerverbandliche NRW-Anträge unter denen, für die zum Ende des Verbandstags die Zeit nicht mehr reichte. So wird sich der Bundesgesamtvorstand mit dem NRW-Antrag zur analogen wie digitalen Reichweiten-Kampagne für die Mitgliedergewinnung beschäftigen, schließlich bleibt die Mitgliederentwicklung ein Dauerbrenner.
Zündstoff im Namen
Für lebhafte Diskussionen könnte der zweite NRW-Antrag im Bundesgesamtvorstand sorgen: Danach sollen die Gremien des Bundesverbands sich mit einer Umbenennung des Deutschen Journalisten-Verbands beschäftigen und dabei „die Aspekte gendersensible Sprache, die Sichtbarkeit von Kolleginnen und LGBTIQ-Kolleg:innen im Namen sowie den möglichen Wandel zur Mediengewerkschaft“ berücksichtigen. Wenn sich die Gremien auf einen grundsätzlichen Änderungsbedarf einigen könnten, sollten sie zum nächsten Verbandstag Vorschläge zu Namens- und Satzungsänderungen erarbeiten und vorlegen.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2022.