LOKALFUNK |

Ein Chef, zwei Sender

Seit einem Jahr sendet Radio Ennepe-Ruhr aus Wuppertal
4. April 2024, Sascha Fobbe

Mit einer Minimalbesetzung außerhalb des eigenen Sendegebiets ein journalistisch gutes, attraktives Radioprogramm liefern, das der Hörerschaft im Kreis gefällt: So lautete das Ziel, als Radio Ennepe-Ruhr Anfang 2023 wieder selbst auf Sendung ging. Das ist offenbar gelungen: Noch nie hatte der Sender eine höhere Quote (Ende 2023 fast 26 Prozent), zum ersten Mal überhaupt schreibt er schwarze Zahlen. Dementsprechend zufrieden äußern sich Chefredakteur Georg Rose, der Vorsitzende der Veranstaltergemeinschaft (VG) Peter Dziadek sowie Uwe Peltzer, Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft (BG).

Zwei Jahre lang war im Sendegebiet nur ein Notprogramm von Radio NRW zu hören, nachdem sich die Funke-Tochter Westfunk aus der Betriebsgesellschaft (BG) von Radio Ennepe-Ruhr zurückgezogen hatte. Die neue BG gehört zur PFD Pressefunk GmbH, Teil der Mediengruppe Rheinische Post. Sie sah nur in einem gemeinsamen Funkhaus mit Radio Wuppertal eine Möglichkeit für Radio Ennepe-Ruhr (siehe „Neustart in Gemeinschaft“, JOURNAL 4-22). Die Redaktionen sitzen zusammen in Wuppertal, Georg Rose ist Chefredakteur beider Sender.

Nachrichten für den ganzen Kreis

Im Programm werden kreisweit interessierende Themen wie Streiks im Nahverkehr lokal heruntergebrochen. In den Nachrichten gibt es auch eher lokale Themen der einzelnen Städte, hauptsächlich aber Polizeimeldungen, Nachrichten für den ganzen Kreis oder Themen wie eben ÖPNV-Streiks. Zu kleinteilig darf es nicht sein, weil das Hörerinnen und Hörer abschrecke, meinen Dziadek und Rose übereinstimmend. Die Bevölkerung der neun Städte im Kreis orientiert sich je nach Wohnort an den umliegenden Großstädten Dortmund, Essen und Wuppertal, ein echtes „Wir-Gefühl“ fehlt in der Region. Da sei es schwer, ein lokales Thema zu finden, das alle interessiere, erklärt Rose. Ob das neue Konzept für die guten Hörerzahlen gesorgt hat oder Menschen einschalten, weil sie nach dem Neustart neugierig waren, „das wissen wir nicht“, sagt Dziadek. Er und Rose hoffen aber, dass sich die Quoten stabilisieren.

Wie erwähnt macht der Sender erstmals Gewinne, obwohl die Vermarktung weiter über die Westfunk läuft. Nach Angaben von BG-Chef Peltzer sei aufgrund der geografischen Lage eine gemeinsame Vermarktung mit anderen PFD-Sendern wie Düsseldorf oder Aachen nicht sinnvoll. Dabei sind Werbebuchungen für mehrere Sender einer Region eine wichtige Einnahmequelle. Peltzer ist mit der Kooperation zufrieden, sie „funktioniert bestens und die gemeinsam gesteckten Ziele wurden sogar übertroffen“.

Zitatkachel. 
"Alle sollen sich ale ein Team betrachten, das zwei verschiedene Programme macht." Georg Rose, Chefredakteur von Radio Wuppertal und Radio Ennepe-RuhrEin Grund für den besseren Erlös sind sicherlich die geringen Personalkosten. Früher gab es sieben feste Stellen, aktuell sind es 1,75: Eine Viertelstelle für den Chefredakteur und drei halbe Stellen für Moderation und News. Das reicht nicht für acht Nachrichtenausgaben pro Tag sowie eine vierstündige Frühsendung. Seit Jahresbeginn werden sogar fast alle Schichten von Freien übernommen, weil zwei der drei halben Stellen unbesetzt sind  und das wohl auch bis Juli bleiben werden. „Das mag ja den Personaletat entlasten, ist aber auch mit Blick auf die Lizenzauflagen der LfM zumindest schwierig“, kritisiert DJV-NRW-Geschäftsführer Volkmar Kah deutlich. Aufgrund dieser Personalsituation springen auch jetzt noch immer wieder Freie von Radio Wuppertal ein, der aktuelle Wuppertal-Volontär ist zudem im Programm von Radio Ennepe-Ruhr sehr präsent und gehört laut Homepage zum Team des Senders.

„Die Durchlässigkeit war von Anfang an so vorgesehen“, sagt Rose. „Das wollen wir noch verstärken, sodass sich alle als ein Team betrachten, das zwei verschiedene Programme macht.“ Für die Freien sei dies sogar von Vorteil, so umgingen sie den Verdacht auf Scheinselbstständigkeit und könnten von einem Schreibtisch aus zwei Auftraggeber bedienen.

Bustour durchs Sendegebiet

Es soll bei zwei verschiedenen VGen als Arbeitgebern für die Festen bleiben, und „es wird von keinem Festangestellten verlangt, für den jeweils anderen Sender tätig zu sein“, sagt Dziadek. „Ohne die Arbeitsverträge zu ändern, geht das auch gar nicht“, betont Kah. Nicht alle festen und freien Mitarbeiter von Radio Wuppertal finden die Vermischung der Teams gut, ist zu hören. Ihnen war vorab versprochen worden, dass sich für sie nichts ändern werde, wenn die beiden Redaktionen sich ein Funkhaus teilen.

Man kann zumindest darüber spekulieren, ob die journalistische Qualität leidet, wenn Redakteurinnen und Redakteure für ein Sendegebiet zuständig sind, in dem sie sich nicht auskennen. Schon bei den im Strukturprozess angedachten Funkhausmodellen war die Verschmelzung von Redaktionen einer der Kritikpunkte des DJV-NRW. Auch im Team von Radio Ennepe-Ruhr selbst kennen sich nicht alle in ihrem Sendegebiet aus. Workshops und eine Bustour durch den Kreis sollten Abhilfe schaffen. „Das ist zwar ein löblicher Versuch, aber so lernt man nicht, wie die Bevölkerung vor Ort tickt und was sie bewegt“, kritisiert Kah.

Neue Stellen dringend nötig

Rose und Dziadek sind jedenfalls überzeugt, dass sie auf dem richtigen Weg sind. In den kommenden Wochen wird es Gespräche zwischen der Landesanstalt für Medien (LfM) und dem Sender geben, um zu schauen, wie sich das Programm seit dem Neustart entwickelt und ob Radio Ennepe-Ruhr bisher die Vorgaben der Sendelizenz erfüllt hat. Es sei zumindest nach aktuellem Stand geplant, Anfang 2025 und 2026 jeweils eine neue Stelle zu schaffen, wie es die Lizenz bei wirtschaftlichem Erfolg vorsieht.

„Wir werden sehr genau beobachten, ob die von der LfM vorgeschriebenen weiteren Aufstockungen auch umgesetzt werden, damit das Team spätestens Mitte 2025 wieder so aufgestellt ist, dass es aus eigener Kraft wieder echten Lokalfunk für den Ennepe-Ruhr-Kreis machen kann“, betont Kah. „Die Zahlen geben es ja her. Allerdings beobachten wir derzeit bei mehreren Sendern der Gruppe, dass die Betriebsgesellschaften der PFD-Gruppe erheblichen Druck ausüben, Stellen einzusparen.“

Ob Radio Ennepe-Ruhr dauerhaft gerettet ist, vermag VG-Chef Dziadek nicht zu sagen. BG-Chef Peltzer erwartet künftig geringere Erlöse, weil das Mantelprogramm Radio NRW 2024 weniger ausschütten wird – eine wichtige Einnahmequelle für die Lokalradios.

Insgesamt ist die Lage für das Lokalradiosystem in NRW nicht gut: Die LfM prüft gerade die wirtschaftliche Tragfähigkeit mit Blick auf mögliche Kooperationsmodelle und einen möglichen Neuzuschnitt der Verbreitungsgebiete im gesamten Bundesland (siehe auch: „DJV-NRW macht sich für Erhalt des Lokalfunks stark“). Es bleibt abzuwarten, wie viele Sender dann noch Bestand haben – und ob Radio Ennepe-Ruhr dazugehört.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im März 2024.