Die Ruhr Nachrichten hatten am 14. Juli Erfreuliches zu berichten: Die Zeitung verstärke ihre Redaktionen in Dortmund, Castrop-Rauxel, Lünen, Schwerte, Selm und Werne, hieß es da. An jedem der sechs Standorte werde ab Herbst mindestens ein Redakteur mehr arbeiten. Die journalistische Qualität werde so weiter gesteigert – eine „lokale Offensive“ als „Teil eines umfassenden Investitionsprogramms“.
So kann man es sehen, es gibt aber auch die andere Perspektive: Die „lokale Offensive“ ist teuer erkauft. Denn das Medienhaus Lensing schließt die Mantelredaktion der Ruhr Nachrichten (RN) und lässt die Inhalte stattdessen von außerhalb zuliefern. Nur der Mantelsport bleibt vor Ort. Damit arbeitet in Dortmund, mit fast 600.000 Einwohnern die größte Stadt im Ruhrgebiet und achtgrößte Stadt Deutschlands, in Zukunft keine Vollredaktion einer Tageszeitung mehr. Ein weiterer Schlag für den Zeitungsstandort Dortmund, nachdem 2013 die Redaktion der Westfälischen Rundschau abgewickelt worden war.
Wichtigster Partner für Lensings Ruhr Nachrichten ist künftig der Zeitungsverlag Rubens aus Unna mit dem Hellweger Anzeiger (HA). Unter dessen Federführung soll eine neue Gesellschaft künftig überregionale Inhalte produzieren. Die bisher neunköpfige Mantelredaktion in Unna sollen nach Informationen von kress drei RN-Redakteure verstärken. Die neue gemeinsame Tochter von Lensing und Rubens, das Redaktionsnetz Westfalen, soll auch auf Inhalte der Rheinischen Post und des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Madsack) zugreifen können. Starttermin für die neue Zusammenarbeit ist der 1. Oktober. Beide Zeitungstitel, Ruhr Nachrichten und Hellweger Anzeiger, sollen ihr Aussehen behalten.
Nicht mehr zugetraut?
Dass eine auflagenstarke Zeitung wie die Ruhr Nachrichten beim kleineren Nachbarn zukauft, kam auch für den Dortmunder Medienwissenschaftler Horst Röper (FORMATT-Institut) überraschend, wie er im Medienmagazin Töne, Texte, Bilder auf WDR5 erklärte: Üblich sei es in der Branche ja andersherum, dass der Kleinere sich vom Großen beliefern lasse. Offenbar habe man sich bei Lensing nicht mehr zugetraut, das Blatt in Eigenregie zu gestalten und stütze sich lieber auf eine „alte freundschaftliche Beziehung“.
In der Tat sind die beiden Verlagshäuser schon länger verbunden: So bezog der HA den Mantelsport von den RN, die tägliche Kinderseite wanderte dagegen in die Gegenrichtung – von Unna nach Dortmund. In der Geschäftsführung gibt es sogar eine personelle Überschneidung: Im September 2014 trat Hans-Christian Haarmann, der geschäftsführende Gesellschafter des Zeitungsverlags Rubens, in die Geschäftsführung im Medienhaus Lensing ein, wo er die operativen Aufgaben von Herausgeber Lambert Lensing-Wolff übernahm. Letzterer erklärte schon damals, dies sei mit der Hoffnung verbunden, „die fruchtbare Zusammenarbeit beider Häuser weiter zu verbessern“.
Zur Unterstützung der Lokalredaktionen ist eine Rechercheeinheit geplant. Spätestens zum Jahreswechsel soll zudem eine neue Digitalredaktion in Dortmund die Arbeit aufnehmen. „Wir möchten damit die Qualität unserer Produkte auf allen Kanälen im Sinne unserer Leserinnen und Leser steigern“, begründete Lensing-Wolff die „größte journalistische Investition in den vergangenen drei Jahrzehnten“.
Der DJV-NRW beurteilt das anders: Hier setzen zwei weitere NRW-Verlage auf den Trend, Inhalte zu tauschen und produzieren noch mehr Einheitsbrei in NRW. „Seit Jahren legen die Verlage in NRW ihre Lokalredaktionen zusammen oder übernehmen die Mantelteile ihrer früheren Konkurrenten“, kritisiert der Landesvorsitzende Frank Stach. Das Schließen der Mantelredaktion der Ruhr Nachrichten sei ein weiterer Schritt, „sich von der Meinungsvielfalt zu verabschieden und den Leserinnen und Lesern Mogelpackungen unterzuschieben“.
Lokalredaktionen dauerhaft verstärken
Immerhin: Die Lokalredaktionen personell aufzustocken sei „der richtige Schritt, um mehr Qualität in die Zeitung zu bringen“. In der positiven Bewertung stimmt Stach mit Medienforscher Röper überein. Beide fragen sich allerdings, ob das von Dauer sein wird und die Stellen bei Fluktuation wirklich nachbesetzt werden.
Frank Stach hofft, „dass die Stärkung des Lokalen Bestand hat und die Ruhr Nachrichten sich wirklich konsequent für ihre Leserschaft vor Ort aufstellen“. Davon hätten auch Leser anderer Zeitungstitel etwas: Schließlich beziehen die WAZ und die Westfälische Rundschau in Dortmund ihre Lokalteile von den Ruhr Nachrichten.
Spuren hinterlässt der Deal zwischen Medienhaus Lensing und Zeitungsverlag Rubens übrigens auch außerhalb des Ruhrgebiets: Die Münstersche Zeitung, die bis Ende 2014 zum Medienhaus Lensing gehörte, bezieht ihren Mantel auch nach dem Verkauf an Aschendorff immer noch von den Ruhr Nachrichten. In Zukunft kommt er wohl vom Redaktionsnetz Westfalen aus Unna.
Die Verknüpfungen zwischen Verlagen und Zeitungen sind selbst für Fachleute immer schwerer nachzuhalten. Für Leser ist erst recht nicht erkennbar, wer eigentlich hinter den Inhalten steht, die er mit seiner Zeitung in der Hand hält.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/17, dem Mitglieder- und Medienmagazin des DJV-NRW.