Im Journalismus gehört die Diskussion über die Grundlagen des Berufs und die eigene Haltung zum Standard (siehe ersten Teil der Titelgeschichte: „Haltungsfragen“), ebenso in der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Und wie sieht es im Content Marketing aus? Beim „inhaltegetriebenen“ Marketing, das auf den ersten Blick oft aussieht wie „echter“ Journalismus, sollten Nutzerinnen und Nutzer schließlich erkennen können, wer hinter einem Angebot steckt und dass eine werbende Absicht mit der Veröffentlichung verbunden ist. Welche Regeln geben sich also Unternehmen und Agenturen im Bereich Content Marketing?
Neben dem Content Marketing Forum, nach eigener Aussage der Verband der führenden medialen Dienstleister im deutschsprachigen Raum, befasst sich auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) mit dem Thema Content Marketing. Er hat diese Aktivitäten Anfang 2017 in einer sogenannten Fokusgruppe gebündelt, die sich als Zusammenschluss aus führenden Agenturen, Marken, Publishern und Kommunikationsdienstleistern versteht.
Im Sommer 2018 hat die Fokusgruppe einen Code of Conduct (CoC) für das Content Marketing vorgelegt. Ein wesentlicher Aspekt darin ist die Kennzeichnung von Content-Marketing-Platzierungen. Mit der Unterzeichnung versichern Agenturen, dass sie Werbung grundsätzlich als solche deklarieren und außerdem kenntlich machen, wer der eigentliche Content-Absender ist.
Das JOURNAL hat mit Sabine Wegele, Stellvertretende Vorsitzende der Fokusgruppe Content Marketing im BVDW, über Ziele und Umsetzung des CoC gesprochen.
JOURNAL: Was ist Ziel und Zweck des Code of Conduct für Content Marketing?
Sabine Wegele: Wir verbinden mit folgende Ziele:
a. Einheitliches Verständnis und Definition
b. Transparenz im Umgang mit Vertriebsstruktur, dem Leitungsspektrum und der Kostenstruktur
c. Seriöse Arbeitsweisen mit Dritten, bei der Kennzeichnungspflicht und bezüglich gesetzlicher Rahmenbedingungen
d. Sicherstellung von Qualität und Wahrheitsgehalt der angebotenen Inhalte
e. Messbarkeit
JOURNAL: Wie kam es zu seiner Einführung? Gab es Vorfälle, die Sie kritisch bewerten?
Wegele: Es gab keine bestimmten Vorfälle, die zur Entwicklung führten. Aber im Vergleich zu vielen anderen Disziplinen des digitalen Marketings ist Content Marketing sehr individuell, die Arbeitsweisen unterscheiden sich mitunter sehr deutlich. Zudem herrscht im Markt Unklarheit zu vielen Aspekten, die mit Content Marketing zusammenhängen, wie beispielsweise ein einheitliches Verständnis oder die Abgrenzung zu anderen Werbeformen. Daher wurde ein gemeinsamer Code of Conduct nötig.
JOURNAL: Was fürchten Sie für Content Marketing, wenn die formulierten Standards nicht eingehalten werden?
Wegele: Content Marketing wird an vielen Stellen schon professionell betrieben, es gilt aber noch als junge Disziplin, zumindest im digitalen Bereich. Wir „fürchten“ nicht direkt eine Entwicklung, wir wollen aber auch nicht auf der Stelle stehen bleiben, sondern uns weiter professionalisieren sowie Kunden und Unternehmen mehr Transparenz und Sicherheit gewährleisten. Daher haben wir den CoC entwickelt.
JOURNAL: Wie will Ihr Verband die Einhaltung befördern? Gibt es Kontrollmechanismen und Sanktionsmittel?
Wegele: Eventuelle Verstöße gegen die Grundsätze des Code of Conduct überprüft ein Beschwerdebeirat, der sich derzeit aus dem Vorsitz der BVDW-Fokusgruppe Content Marketing zusammensetzt.
JOURNAL: Wie muss man sich die Arbeit damit im Alltag konkret vorstellen? Gibt es Fortbildungen und ähnliches?
Wegele: Der Code of Conduct ist als Selbstverpflichtung zu verstehen. Wer ihn unterschreibt, muss sich also an die Regeln halten, die er enthält. Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiter in den unterzeichnenden Unternehmen den CoC lesen und ihn leben. Innerhalb des BVDW wurde der CoC von der Fokusgruppe Content Marketing entwickelt. Die Mitglieder der Fokusgruppe tauschen sich regelmäßig zu den Themen der Branche aus und werden sicherlich auch den Code of Conduct in naher Zukunft weiter diskutieren und gegebenenfalls weiterentwickeln.
JOURNAL: Hat die Vertrauenskrise des Journalismus Ihre Überlegung befördert oder haben die völlig losgelöst davon stattgefunden?
Wegele: Die Überlegungen haben unabhängig davon stattgefunden, allerdings stützen die aktuelle Diskussion um Fake News sowie die Vertrauenskrise des Journalismus auch unseren CoC. Denn dadurch verpflichten sich die Unterzeichner zu einer hohen Qualität der angebotenen Inhalte mit dem geforderten Wahrheitsgehalt und der Seriösität, die die User auch vom Journalismus erwarten würden.
JOURNAL: Was wünschen Sie sich, wie es mit dem Code of Conduct weiter geht? Denken Sie über weitere Aktivitäten für die Qualitätssicherung in Ihrem Bereich nach?
Wegele: Zunächst einmal wünschen wir uns möglichst viele Unterzeichner. Je mehr Unternehmen den Code unterschreiben, desto ernster wird die Branche auch im Markt und bei den Werbekunden genommen. Davon werden wir alle profitieren, wenn wir den CoC leben.
Zur Qualitätssicherung: Mit dem Ziel, ein einheitlich hohes Qualitätsniveau im digitalen Marketing zu etablieren, hat die Fokusgruppe Digital Marketing Quality (DMQ) im BVDW kürzlich eine Digital Trust Initiative gestartet. In dieser Initiative werden sowohl bestehende als auch neue Qualitätsstandards in einer übergreifenden Zertifizierung zusammengeführt. Diese Initiative des BVDW steht auch der Content-Marketing-Branche offen.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 5/18 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2018.