Seit mehr als zwei Jahren hat uns die Coronapandemie kreative Wege finden lassen, sich zumindest physisch aus dem Weg zu gehen. Unzählige Online-Events in dieser Zeit haben gezeigt, dass ein „Zusammenkommen“ selbst dann möglich ist, wenn Menschen an unterschiedlichen Orten sind. Auch Pressekonferenzen haben online stattgefunden – und könnten in vielen Bereichen bleiben.
Gut geeignet für Präsentationen
Dabei mussten sich Journalistinnen und Journalisten genauso wie die Pressestellen auf die neue Form einlassen. Einen großen Vorteil sehen alle Gesprächspartnerinnen und -partner in der Zeit- und Kostenersparnis, wenn An- und Abreise entfallen.
Klaus Müller, Redakteur bei der Kölnischen Rundschau, denkt noch weiter: „Gerade bei den Sachverhalten, die ohne- hin nicht am Ort des Geschehens, sondern nur mit einer Präsentation erläutert wurden, war das Online-Format sinnvoll. Insofern sollte in Zukunft weiterhin geprüft werden, ob es notwendig ist, eine Präsenzpressekonferenz zu machen.“ Klar ist für Müller jedoch: „Es kommt darauf an, was man aus den Infos machen möchte. Eine Reportage lässt sich nur aus eigener Anschauung vor Ort schreiben. Das wird auch künftig so bleiben.“
Ähnlich sieht das Andreas Goral, der bis Ende 2021 Chefredakteur bei report-k war und jetzt als freier Autor arbeitet: „Die gesparte Zeit konnte ich viel sinnvoller für Recherchen nutzen.“ Und es hätten alle Beteiligten dazugelernt: „Gerade zu Beginn taten sich die Veranstalter von Online-Pressekonferenzen mit Fragerunden schwer oder schickten Materialien nicht digital zu. Wurden die Unterlagen vorab zugeschickt, konnte sich unsere Redaktion sogar besser vorbereiten und gezielter nachfragen.“
In der Wirtschafts- und Politikberichterstattung sollten Online-Pressekonferenzen bzw. Hybrid-Angebot unbedingt beibehalten werden, findet Goral, der die digitale Form hier sogar vermissen würde.
Dass dabei die verwendete Technik eine wichtige Rolle spielt, hat Andrea Hansen, freie Fernsehjournalistin und stellvertretende DJV NRW-Landesvorsitzende erlebt, als eine Behörde nach zwei Jahren plötzlich eine andere Plattform für die Konferenzen als bislang genutzt hatte: „Bei der Einwahl zum Termin gab es Chaos: ich war spät dran, die Registrierung funktionierte nicht und der Support war überlastet, weil es wohl mehreren Kolleginnen und Kollegen so ging. Sonst gingen Online-Pressekonferenzen meistens gut und ich habe auch öfter mal an einer Konferenz online teilgenommen, zu der ich nicht extra gefahren wäre.“
Die Verantwortung für die Technik liegt bei Online-Pressekonferenzen beim Veranstalter. Wo früher oft ein Besprechungsraum mit Beamer gereicht hat, sind jetzt ganz andere Dinge erforderlich: Videokonferenz-Systeme oder zumindest Software, Kamera- und Tontechnik, Chat-Moderation und einiges mehr (siehe auch Kasten rechts „So gelingt die Online-Pressekonferenz“).
Wachsende Routine
In der Regel ist der Aufwand am Anfang hoch, mit jeder weiteren Veranstaltung, die online stattfindet, kommt die Routine. So wie beim Leverkusener Chempark-Betreiber Currenta: „Wir mussten erstmal Erfahrungen sammeln, denn wir wollten auf jeden Fall die Jahresmediengespräche unserer Standorte stattfinden lassen“, sagt Timo Krupp, der Leiter der Pressestelle. Mit dem Ergebnis sei man zufrieden: „Da mit dem digitalen Format auch für die Journalistinnen und
Journalisten einige Vorteile verbunden sind, werden wir in Zukunft weiterhin je nach Thema und Anlass digitale Pressekonferenzen oder Gespräche durchführen.“
Nach der Explosion am Standort Leverkusen im Sommer letzten Jahres war bei Currenta klar, dass jetzt Präsenztermine notwendig sind. „Dabei konnten wir auf vorbereitete Strukturen für kurzfristige Pressekonferenzen zurückgreifen. Zudem waren die Medien verständlicherweise direkt vor Ort. Daher war klar, dass die Pressekonferenzen, solange sie von uns organisiert wurden, auch vor Ort und mit Publikum stattgefunden haben. Die Termine wurden zusätzlich live gestreamt“, erläutert Krupp.
Weniger Aufwand für (fast) alle
Die Pressestelle der Stadt Bonn veranstaltet zurzeit noch ausschließlich Online-Pressekonferenzen. Mehr Aufwand sei das nicht, findet Pressesprecherin Barbara Löcherbach: „Wenn grundsätzlich die Technik für Videokonferenzen und das Streaming bereitstehen, sind Online-Pressekonferenzen sogar unaufwendiger, weil alle Beteiligten an beliebigen Orten teilnehmen können. Für die Moderation ergibt sich ein leichter Mehraufwand, weil neben den Personen selbst noch der Chat parallel zu beobachten ist.“
Einen kleinen Nachteil sieht sie dennoch: „Manchmal denke ich, die Pressekonferenzen dauern länger, weil viele Beteiligte eben mehr Zeit haben.“||
So gelingt die Online-Pressekonferenz
* Für interne Besprechungen reicht die Standardausrüstung aus Laptop plus Webcam. Aber eine professionelle Präsentation in der Öffentlichkeit erfordert Investitionen in gute Videokonferenztechnik. Das Problem ist dabei weniger die Bild- als die Tonqualität. Wenn die Kamera mit etwas mehr Abstand zu den Sprechenden aufgestellt werden muss, fängt das Mikrofon automatisch mehr Störgeräusche aus dem Raum auf. Separate Mikrofone sorgen für deutlich besseren Ton.
* Die Online-Pressekonferenz kann sowohl ausschließlich online als auch hybrid mit Teilnehmenden vor Ort stattfinden. Falls es eine Pressemappe gibt, sollte diese gedruckt und online verfügbar sein, zudem muss es eine Möglichkeit für Rückfragen im Netz geben.
* Empfehlenswert ist ein einheitlicher Hintergrund, zum Beispiel im Rahmen des eigenen Corporate Designs. Viele Videokonferenzprogramme können von selbst den Menschen erkennen und den Hintergrund ausblenden bzw. ein Bild als Hintergrund einblenden.Wenn das Setting für die Veranstaltung steht, können wir uns der Plattform widmen: Zoom, YouTube, Facebook oder doch lieber Twitch?
*Zoom hat sich in der Pandemie weltweit zu einem der Standardtools für Videokonferenzen entwickelt. Ähnlich arbeiten Ciscos WebEx oder Teams von Microsoft. Konferenzen mit diesen Programmen können mit dem Browser „besucht“ werden, es muss keine Software installiert werden.
* Auch über YouTube lassen sich Pressekonferenzen streamen. Es ist dafür außer dem Browser keine weitere Software erforderlich. Jedoch braucht der eigene YouTube-Kanal mindestens 1 000 Abonnenten. Außerdem fehlt der Video-Rückkanal, Fragen können nur per Chat gestellt werden.Wer sowieso in der Entertainment-Branche unterwegs ist, sollte einen Blick auf twitch werfen. Wie bei YouTube ist hier nur der Chat als Rückkanal verfügbar. Beide Dienste entsprechen damit nicht so ganz der Idee einer Pressekonferenz.
* Die Chats sollten in jedem Fall moderiert werden. Idealerweise gibt es im Team eine Person, die den Chat „beaufsichtigt“ und Fragen von dort weitergeben kann.
Achtung: Alle Dienste laufen als Cloud-Dienste über Anbieter aus den USA. Sie sollten daher beim Versand der Einladungen unbedingt auf die jeweiligen Datenschutzrichtlinien des Anbieters hinweisen und mit diesem einen Auftragsverarbeitungsvertrag abschließen./
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2022.