Hagen-Hohenlimburg nach der Flut: Die Lokalsender dort und anderswo brauchen Investitionen, um im Katastrophenfall verlässlich warnen zu können. | Foto: picture alliance/dpa / Julian Stratenschulte
Hagen-Hohenlimburg nach der Flut: Die Lokalsender dort und anderswo brauchen Investitionen, um im Katastrophenfall verlässlich warnen zu können. | Foto: picture alliance/dpa / Julian Stratenschulte
 
THEMA | Blickpunkt Flut

Lokalsender als Warnfunk? Da muss mehr passieren

Gefahr von Sendeausfällen noch nicht gebannt
27. Juni 2022, Sascha Fobbe

Als bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 in Nordrhein-Westfalen Straßen und Keller unter Wasser standen, waren es die Lokalradios, die die Bevölkerung warnten und informierten. Allerdings klappte das in einigen Fällen nicht so, wie die Redaktionen es gerne gemacht hätten. Fehlende Informationen aus den Krisenstäben und Stromausfälle behinderten die Arbeit (siehe JOURNAL 4/21). Was hat sich getan nach einem Jahr?

Damals von der Information abgeschnitten

„Nichts“, sagt Norbert Jeub, Chefredakteur von Radio Euskirchen. Wegen des Hochwassers waren in Euskirchen Telefon- und Handynetze zusammengebrochen. Auch die Redaktion war dadurch betroffen, denn sie bekam keine Informationen. Zudem standen die Leitungen zum Sendemast unter Wasser, sodass zeitweise nicht gesendet werden konnte.

Der Kreis ist inzwischen besser aufgestellt, der Radiosender nicht. Es gibt kein Back-Up-System, keine Zweitleitungen, kein Notstromaggregat für Redaktion oder Sendemasten. Telekom und Betriebsgesellschaft (BG) wären hier in der Pflicht. Zwar plant die BG, in diesem Jahr in die Technik des Senders zu investieren – wie genau, steht allerdings noch nicht fest. Aktuell gilt: „Wenn es wieder eine Flut in der Größenordnung von Juli 2021 geben sollte, wären wir dem gleichen Ausfallrisiko ausgesetzt. Das ist die traurige Wahrheit.“

Ähnlich sieht es bei Radio Hagen aus, wo in der Flutnacht der Strom ausfiel. Auch jetzt könnte der Lokalsender maximal 90 bis 120 Minuten senden, ehe es „zappenduster“ würde, berichtet Chefredakteurin Cordula Aßmann.

Stadt Wuppertal übernimmt Kosten

Genau das war im vergangenen Jahr auch Radio Wuppertal widerfahren. Dessen Chefredakteur Georg Rose nutzte im Nachgang die Aufmerksamkeit durch die überregionale Berichterstattung über seinen Sender, um Verbesserungen auf Landes- und Bundesebene einzufordern. Zwar liefen Gespräche, passiert sei bislang nichts. Wohl aber auf kommunaler Ebene: Hier wurde nicht nur die Warnkette verbessert (siehe Kasten „Das Wuppertaler Modell“). Vor allem will die Stadt Wuppertal 100 000 Euro für die Notstromversorgung im Sender, an den Sendemasten und für die Leitungen übernehmen. Darin enthalten sind auch die monatlichen Kosten für die Zubuchung des Notstrom­aggregats am Sendemast sowie für die Absicherung über Satellitenschaltung per Starlink, falls die Leitung zum Sendemast ausfällt. Lediglich die laufenden Kosten, die Wartung und das Auftanken des Notstromaggregats auf dem Dach des Senders übernimmt die BG.

Rose nennt das Engagement der Stadt „eine hervorragende Lösung für das gesamte Gemeinwesen in unserer Stadt. Wir müssen nicht mehr hilflos zusehen, wenn etwas passiert, sondern können die Bevölkerung warnen.“ Nach seiner Überzeugung könnten die in Wuppertal getroffenen Regelungen eine Blaupause für andere Kommunen sein.

Der Hagener Stadtrat würde seinen Lokalsender ebenfalls unterstützen, glaubt Aßmann. Sie wünscht sich von ihrer BG einen Ansprechpartner, der mit ihr zusammen ein technisches ­Anforderungsprofil erstellt und dies mit den kommunalen Stellen bespricht: „Ich finde es unbefriedigend, dass nach einem Jahr noch nichts passiert ist.“ Für andere Chefredakteure im Westfunk-Verbund sei dies ebenfalls Thema. Viele würden von ihren Polizeileitstellen angesprochen, wie man im Krisenfall die Kommunikation mit der Bevölkerung aufrecht erhalten könne. „Die würden uns gerne mit ins Boot holen, aber ohne Notstromversorgung können wir nicht helfen.“

Leider nicht landesweit abgestimmt

Die verschiedenen Krisenstäbe sind sich offenbar bewusst, dass beim Katastrophenschutz Nachholbedarf besteht. Das gilt auch für Regionen, die im vergangenen Jahr nicht vom Hochwasser betroffen waren, berichtet Thorsten Kabitz, Chefredakteur von Radio RSG, dem Lokalsender für Solingen und Remscheid, und Mitglied im Vorstand des Vereins der Chefredakteure. Nach seiner Beobachtung hängt dies aber davon ab, ob Verantwortliche in Kommunen und Feuerwehren Bedarf sähen. Wo das der Fall sei, werde gehandelt. „Ein landesweites konzertiertes Vorgehen gibt es nicht“, bedauert Kabitz.

Das Problem sollte bald gelöst werden. Thomas Habke, Chefredakteur von Radio Erft, verweist auf neueste Klimastudien: Starkregen-Ereignisse nehmen zu, weil sich die Erde schon 2026 um 1,5 Grad erwärmt haben wird. „Kanäle und Bäche sind dafür nicht ausgelegt. Sich wegzuducken wird nicht helfen“, sagt er. Auch Radio Erft hat keine Notstromversorgung; Während der Flut vor einem Jahr war hier allerdings nicht der Strom das Problem, sondern die mangelnde Kommunikation des Krisenstabs. Es sei aber vereinbart, dass das Lokalradio in Zukunft besser ein­gebunden werde, sagt Habke.

Einbindung in Warnsysteme

Ob die öffentliche Hand die Notstromversorgung übernehmen soll, darüber könne man geteilter Meinung sein, sagt Kabitz. Allerdings sei es schon sinnvoll, dass das Land die Kommunen finanziell unterstützt, damit sie in das bundeseigene Warnsystem MoWaS eingebunden werden könnten. Über MoWaS werden Informationen an Warn-Apps wie NINA und KatWarn, Radio- und TV-Sender, Internetseiten und sogar an Stadtinformationstafeln sowie Verkehrsanbieter weitergeleitet, sofern sie ans System angebunden sind.

Gerade dann sei aber auch die Notstromversorgung wichtig, führt Norbert Jeub von Radio Euskirchen an: „In den Warnmeldungen heißt es: Schalten Sie Ihr Radio ein, zum Beispiel den ­Lokalfunk. Na super, wenn dann kein Strom da ist.“ Wenn die privaten Radios Teil der Kommunikationsstruktur im Katastrophenfall sein sollen, dann bräuchten sie auch die finanziellen Mittel dafür.||

 

Das Wuppertaler Modell
In Wuppertal wurde die Warnkette verbessert: Die Leitstelle schickt im Krisenfall eine Meldung an die Handys aller Redaktionsmitglieder. Sollte der Sender nicht besetzt sein (etwa nachts), werden über eine redaktionsinterne WhatsApp-Gruppe Anrufe bei der Feuerwehr und weitere Entscheidungen über die Aufgabenverteilung koordiniert. Bei der Feuerwehr gibt es einen festen Ansprechpartner für die Redaktion, der mit den Abläufen vertraut ist. Sowohl Leitstelle als auch Redakteurinnen und Redakteure können sich ggf. per Handy ins laufende (Mantel-)Programm einwählen und Durchsagen machen. Zusammen mit der umfassenden Notstromversorgung, die durch die Stadt finanziert wird, ist Radio Wuppertal besser dafür gewappnet, in künftigen Notsituationen die Bevölkerung zu warnen.

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2022.