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Das gehört angezeigt!

Strafrechtlich relevante Hassbotschaften sollten verfolgt werden
5. Juli 2024, Corinna Blümel
Ein Kaktus als Symblo für Hass und Hetze
Feindseligkeit gegen Medienschaffende hat Einfluss auf die Berichterstattung. | Foto: maspi

Von A für Angriffe auf engagierte Menschen über Corona, Energiewende, Feminismus, Impfungen, Klimawandel, LGBTQ, Naher Osten, People of Color, Russland und Ukraine bis Z wie Zuwanderung: Immer länger wird die Liste der Themen, die erkennbar nicht mehr sachlich diskutiert werden (können), sondern bei einer wachsenden Anzahl von Menschen puren Hass triggern. Und immer ungehemmter lassen viele diesen Hass auch heraus. Die sozialen Netzwerke sind voll von giftigen Botschaften und Beleidigungen, von abwertenden Kampagnen und von Drohungen bis hin zu Vergewaltigung und Mord.

Die Zahl der Hasspostings steigt. Seit Februar 2022 unterhält das Bundeskriminalamt (BKA) die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI). Bis Ende des ersten Quartals 2024 hat sie rund 23 000 Fälle bearbeitet. 84 Prozent davon waren strafrechtlich relevant. Schwerpunkte liegen im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“, erklärte das BKA anlässlich eines Aktionstags gegen Hetze Anfang Juni. Unter den strafbaren Postings waren Volksverhetzung und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen oder aber antisemitische Äußerungen mit Bezug zum Nahost-Konflikt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser rief dazu auf, Anzeige zu erstatten. „Der Hass, der im Netz verbreitet wird, ist der Nährboden für Gewalt“, erklärte sie. Deshalb gingen die Behörden konsequent gegen Hasskriminalität vor.

Viele verstummen

Das laute Auftreten der Hasserfüllten hinterlässt Spuren, nicht nur im Netz. Während einige in der Dauerempörung tapfer dagegen halten, verstummen viele andere, die sich abgestoßen oder eingeschüchtert fühlen. Das schont zwar die eigenen Nerven, gibt aber den Aggressiven noch mehr Raum. Deswegen sollte Hassrede nicht unkommentiert stehen bleiben, sondern zurückgewiesen, gemeldet und im optimalen Fall auch argumentativ entkräftet werden. Tipps und Rat zur Gegenrede bieten zahlreiche Initiativen (siehe auch Kasten „Strategien gegen Hassrede“)

Strategien gegen Hassrede
Wenn die Rechtslage es hergibt, sollte Hassrede angezeigt werden. Aber auch weit unterhalb dieser Schwelle ist es wichtig, sich gegen Angriffe auf die eigene Person oder auf andere zu positionieren. Wer sich einbringt, übernimmt Verantwortung und trägt dazu bei, dass Rassismus, Sexismus und Hetze im Netz nicht überhand nehmen.
• Melden. Ob Posts, Kommentare oder Profile: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtet die Betreiber von Online-Plattformen, rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen.
• Grenzen setzen. Um zu zeigen, dass man Aussagen nicht teilt, muss man nicht immer direkt die Klingen kreuzen. Es geht vor allem darum zu zeigen, dass die lauten Hass-Äußerungen nicht von der Mehrheit geteilt werden.
• Gegenrede. Wer in einem Thema sattelfest ist, kann klar benennen, warum eine Aussage diskriminierend ist oder falsche Informationen enthält. Dazu gibt es zum Beispiel hier Rat:
hateaid.org/counterspeech
• Hilfe holen. Wer angefeindet wird oder sieht, dass andere mit Hass überzogen werden, sollte sich aktiv um Hilfe bemühen, zum Beispiel hier:
hateaid.org/betroffenenberatung
helpdesk.neuemedienmacher.de
• Wichtig: Selbstschutz. Niemand sollte sich durch das Kontern von Hassbotschaften selbst in Gefahr bringen.

Noch wichtiger: In der Flut von Hassbotschaften gibt es wie oben erwähnt strafrechtlich relevante Inhalte, die verfolgt werden sollten, noch besser: müssten. Denn die Dynamik läuft sich nicht tot, sondern nimmt Fahrt auf. Mit jeder ignorierten Rechtsverletzung fühlt sich die hasserfüllte Minderheit unangreifbarer. Zudem entsteht in der Öffentlichkeit ein zunehmend falsches Bild einer scheinbar gesellschaftlich breit geteilten Stimmung.

Juristische Abgrenzung

Hate Speech ist kein juristisch definierter Begriff. Das Grundgesetz räumt der Meinungsfreiheit verfassungsrechtlichen Schutz und damit höchsten Rang ein. Trotzdem sind dem Recht zur freien Meinungsäußerung Grenzen gesetzt – bei der Wahrung der Menschenwürde, dem Persönlichkeitsrecht, bei herabwürdigender Schmähkritik, dem Jugendschutz und natürlich beim Strafrecht. Zu Straftatbeständen zählen neben Aufforderung zu Straftaten oder Volksverhetzung auch Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Gegen solche Äußerungen können Betroffene rechtlich vorgehen.

In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, sich zunächst – gerne mit Hilfe des DJV-NRW – darum zu bemühen, dass die entsprechenden Inhalte aus dem Netz verschwinden. So konnte Justiziar Christian Weihe in einem Fall mit einem entsprechenden Anschreiben an den Plattformbetreiber erwirken, dass massive verbale Angriffe auf einen Kollegen aus einem Blog gelöscht wurden. In einem anderen Fall ließ sich über eine einstweilige Verfügung erreichen, dass über eine Kollegin keine unwahren Tatsachen mehr verbreitet wurden. Sie war aufgrund ihrer Berichterstattung in den Fokus militanter Tierschützerinnen und -schützer geraten. Der DJV-NRW gewährte ihr den entsprechenden Rechtsschutz.

Wer unsicher ist, ob ein Fall strafrechtlich relevant ist, kann als Mitglied die Rechtsberatung des DJV-NRW nutzen. Auch die Polizei und verschiedenen Anlaufstellen im Netz helfen bei der Einschätzung, ob eine Anzeige angemessen ist (etwa www.klicksafe.de/hate-speech/rechtslage).

Rechtssichere Screenshots

Ganz wichtig: Eine strafrechtliche Verfolgung ist nur dann aussichtsreich, wenn belegt werden kann, was gepostet wurde und gegen wen sich die Äußerung richtet. Um die Beweise zu sichern, braucht es einen rechtssicheren Screenshot, der folgendes enthalten muss:
• den beanstandeten Kommentar oder Post
• Datum und Uhrzeit des Kommentars oder Posts
• (User-)Namen und/oder Profilbild der Person, die mutmaßlich kommentiert oder postet
• Kontext zum Kommentar (Plattform oder Website, Ursprungspost, weitere Kommentare, Bilder).

Es gibt im Internet frei verfügbare Tools, die das Sichern von Inhalten erleichtern. Weitere Informationen und konkrete Anleitungen für verschiedene soziale Netzwerke gibt es hier: hateaid.org/rechtssichere-screenshots/

Eine mündliche oder schriftliche Strafanzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich jede und jeder einreichen. Das geht auch anonym, sodass die Täterin oder der Täter nicht erfährt, wer Anzeige erstattet hat. Auch das kann dem Eigenschutz dienen. Allerdings bekommt man dann keine Rückmeldung über das weitere Verfahren.||

„Verfolgen statt nur Löschen“
Die Initiative „Verfolgen statt nur Löschen. Rechtsdurchsetzung im Internet“ richtet sich an Redaktionen und Verbände. Dahinter stehen die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) und die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) bei der Staatsanwaltschaft Köln. Zu den Mitgliedern der Initiative gehören unter anderem die öffentlichen-rechtlichen Sender und RTL sowie mehrere Tageszeitungen in NRW. Auch der DJV-NRW ist seit 2022 Teil des Netzwerks. Schulungen für Redaktionen sowie feste Verfahrensabläufe und Ansprechpersonen sollen die Rechtsdurchsetzung im Internet erleichtern. Mit der konsequenten Sanktionierung von Rechtsverstößen und öffentlichkeitswirksamen Berichten über Präzedenzfälle und Verurteilungen will die Initiative eine generalpräventive Wirkung erzielen.
www.medienanstalt-nrw.de/hass
www.medienanstalt-nrw.de/beschwerde

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2024.