Was kommt dabei heraus, wenn sich ein Social-Media-Analyst, eine PR-Beraterin und ein Pressesprecher des Datenschutzbeauftragten über Alternativen zu Facebook, X & Co. unterhalten? Eine gemischte Tüte Infos, zusammengestellt aus sehr unterschiedlichen Blickrichtungen auf das Thema. Das Publikum im PR-Profi-Panel durfte Schritt halten mit Details aus dem Fediverse, der geliebt-gehassten DSGVO und dem Social-Media-Dauerbrenner Reichweite.
Der Mikrobloggingdienst Mastodon ist neben Bluesky im Moment die Alternative zu X und eigentlich ein sehr langsam wachsendes Netzwerk, wie Christof Stein, Pressesprecher des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, bemerkte. „Es sei denn, Elon macht was.“ Immer wenn Milliardär und X-Besitzer Elon Musk bei dem Kurznachrichtendienst etwas „anstellt“, pilgern die User in Scharen von seinem kommerziellen Netzwerk zur gemeinnützigen Alternative Mastodon.
Das Angebot von Erfinder Eugen Rochko ist Bestandteil des sogenannten Fediverse: Ein Benutzerkonto auf einer beliebigen Plattform in diesem Fediversum macht es ohne weitere Konten möglich, sich mit Nutzer:innen auf allen anderen Plattformen auszutauschen.
Werben für Parallelangebote
Datenschutzfan Stein gefällt das: „Ich würde es gerne sehen, wenn man zunehmend Parallelangebote nutzt.“ Damit meint er Angebote, die der DSGVO entsprechen, der seit 2018 geltenden Datenschutzgrundverordnung: Angebote, die sich an Recht und Gesetz halten, an die datenschutzkonformen Spielregeln in Europa. Er prophezeite: „Social Media, wie es aktuell betrieben wird, wird es so in Zukunft nicht mehr geben.“ Erste empfindliche Geldbußen habe es in Gerichtsverfahren für TikTok oder Facebook bereits gegeben; momentan gehe es noch um viele technische Kleinigkeiten, aber „die Einschläge kommen näher“.
Luca Hammer, österreichischer Blogger, Meister in Web-Analysen sowie sogenannter Scientific Programmer an der Uni Siegen, stellte die konkrete Frage: „Wieviel investiere ich in eine Plattform, die keine Zukunft hat, nur weil sie momentan noch mehr Reichweite hat?“
Früher Abschied von Twitter
Sein persönlicher Abschied von Twitter erfolgte bereits am Tag der Übernahme durch Elon Musk, seitdem hilft er anderen dabei, dies ebenfalls zu tun und mit den eigenen Followerinnen und Followern zu Mastodon umzuziehen. Für das ZDF Magazin Royal analysierte er die Netzwerkbewegungen auf X über eine Zeitspanne von drei Jahren und fand heraus, dass viele diverse Accounts die Plattform verlassen haben.
Die Haltungen von Stein und Hammer sind nachvollziehbar — und dennoch befinden sich Kolleginnen und Kollegen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Zwickmühle. „Inwiefern lohnt es sich für Unternehmen, frühzeitig auf alternativen Plattformen zu sein, wenn sie dort keine Reichweite haben und ihre Zielgruppen nicht erreichen?“, fragte die Journalistin und PR-Beraterin Caroline Monteiro. An den Datenschutzsprecher gerichtet fügte sie hinzu: „Wir sehen, wie die Anzahl der Nutzer:innen auf TikTok steigt, obwohl das Netzwerk datenschutzrechtlich bedenklich ist.“
Luca Hammer erinnerte daran, dass Twitter nie ein Netzwerk für die breite Bevölkerung gewesen sei. Auf alternativen Plattformen befänden sich weniger Follower, aber die seien jetzt aktiv und in kurzer Zeit gewachsen. „Was bekomme ich aus meinem Netzwerk heraus, welche Diskussionen führe ich dort?“
Das Panel des Fachausschusses Presse und Öffentlichkeitsarbeit „Wie PR-Profis auf alternativen Social-Media-Plattformen kommunizieren“ bot eine spannende Diskussion, die nach dem Journalistentag unbedingt fortgesetzt werden sollte. Dazu passt die Aussage eines Teilnehmers: „Wir Journalist:innen müssen durch das Wechseln zu anderen Plattformen den Trend setzen und vorangehen. Wenn keine Zeichen gesetzt werden, bleibt es bei den kleinen Reichweiten.“
Ein Beitrag in Ergänzung zu JOURNAL 4/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2023.